Die Amerikanerin Karen (Sarah Michelle Gellar alias "Buffy") - mit ihrem Freund, dem Austauschstudenten Doug (Jason Behr, "Roswell") nach Tokio gekommen - beginnt ein freiwilliges Praktikum bei einem Pflegezentrum. Zu dumm, das bereits ihr erster Auftrag, nämlich die Betreuung der dementen älteren Dame Emma (Grace Zabriskie, "Twin Peaks"), zum Horrortrip wird: Papiersschnipsel und Essensreste liegen verstreut und scheinen als eine Art Spur in den eigentlich verwaisten ersten Stock zu führen, aus dem auch merkwürdige Geräusche zu hören sind. Karen muss feststellen, dass in dem Haus noch etwas anderes lebt als nur die ältere Frau - und dass man zwar das Haus zurücklassen kann, nicht aber den Fluch, der anscheinend auf ihm lastet...
Eines muss man Takashi Shimizu schon lassen: Wie er aus einer einzigen Idee eine Karriere baut, das ist schon nicht schlecht. Denn Shimizus Karriere besteht eigentlich nur aus "Ju-On - The Grudge", den er nach Abschluss seines Filmstudiums als Videopremiere (nebst Sequel) inszenierte und dank des enormen Erfolges auch in einen erfolgreichen Kinofilm (wiederum nebst Sequel) ummünzte. Nun nimmt sich Shimizu also für den amerikanischen bzw. weltweiten Markt der Geschichte um ein mit einem Fluch belegtes Haus bereits zum fünften Mal an, hat also viel Erfahrung mit dem Stoff. Ohne Kenntnisse der japanischen Originale muss man feststellen, dass da offenbar einiges in der Übersetzung verloren gegangen ist, oder dass der Wahnsinnserfolg der "Ju-On"-Industrie in Japan nicht ganz nachvollziehbar ist. Denn mehr als eine nur in Einzelmomenten ansprechende Gruselrevue ist dieser Film nicht geworden.
"The
Grudge" ist eigentlich auch kein richtiger Film, sondern eine
Aneinanderreihung von gruseligen Einzelepisoden und Schockszenen,
ein Best of "Buh!" quasi. Größtes Problem:
Es gibt eigentlich keine nennenswerte Geschichte, daher fallen auch
Spannungsbögen nahezu komplett aus und der Film zerfällt
mehr schlecht als recht in seine Einzelteile. Die Geschichte lässt
sich auf einen einzigen Satz reduzieren: "Wer das Gruselhaus
betritt, ist verflucht und stirbt bald eines unnatürlichen
Todes". Und weil man mit dieser Nullprämisse eigentlich
nur einen Kurzfilm bestreiten kann (etwas anderes wäre die
Hauptgeschichte um Karen auch nicht), da es kein Rätsel zu
lösen (und die Rekonstruktion der damaligen Ereignisse, die
den Fluch ermöglichten, kann man da kaum zählen, denn
die ist durchsichtig und offensichtlich) und keine Lösung zu
finden gibt, füllen Regisseur Takashi Shimizu und Drehbuchautor
Stephen Susco die Geschichte um ihre Hauptfigur Karen mit den Schicksalen
derer auf, die vorher von dem Fluch heimgesucht wurden. Die dadurch
auftretenden Zeitsprünge der nicht-chronologischen Reihenfolge
werden nicht nur den ein oder anderen Zuschauer verwirren, sie sorgen
auch für eine zunehmende Formelhaftigkeit und Vorhersehbarkeit,
welche jegliche wirkliche Spannung schneller töten als die
Geister ihre Opfer.
Sobald man wieder zu einem Rückblick auf ein anderes armes
Opfer kommt, weiß man nämlich schon, was einen in den
nächsten zehn Minuten erwartet: Der- oder diejenige wird komische
Geräusche hören, husch kommt auch schon der Geist ums
Eck und aus die Maus. Keine dieser Figuren wird dem Zuschauer richtig
vorgestellt, folglich gibt's keine Identifikation oder Anteilnahme
und es ist einem herzlich wurscht, dass da gleich das nächste
Ableben droht. Wie in einem hirnlosen Slasher sind dies keine Figuren,
sondern nur Schlachtopfer für die nächste Schockszene.
Und das bleibt zwar immer ansehbar, aber auch leicht ermüdend,
zumal Shimizu auch bei seinen inflationär benutzten
Schockeffekten die üblichen Klischees erfüllt und sich
die Charaktere so dämlich benehmen, als hätten sie noch
nie einen Horrorfilm gesehen - oder zumindest etwas gesunden Menschenverstand
abbekommen. Wenn ich verdächtige Geräusche auf dem Dachboden
höre, muss ich dann wirklich nur mit einem Feuerzeug als Lichtquelle
da hoch kraxeln, um mal nach dem Rechten zu sehen? Ich glaube nicht.
Wenn vor mir offenkundig eine Leiche umherstakst, die hinter sich
eine riesige Blutspur hinterlässt, würde ich nicht lieber
wegrennen, anstatt die Leiche in ein Gespräch verwickeln zu
wollen ("Geht's Dir gut? Was ist denn passiert?")? Ich
glaube schon. Aber Drehbuchautor Stephen Susco sieht das offenbar
anders und lässt die meisten Charaktere und damit auch den
Zuschauer recht doof dastehen.
Zu Hauptdarstellerin Sarah Michelle Gellar kann man kaum etwas sagen, denn wenn sie mal auf der Leinwand ist (und das ist ob der Struktur des Films wie gesagt nicht so sehr lange), hat sie eigentlich kaum was zu tun außer ängstlich und verwirrt zu sein. Jason Behr als ihr Freund hat nun wirklich gar nichts zu tun und bleibt komplett unerinnerungswürdig, Bill Pullmann bleibt wenigstens sein sehr cooler Auftritt ganz zu Beginn. Aber das oben beschriebene strukturelle Grundproblem des Films macht im Grunde alle Darsteller gleich, denn dadurch bleiben sie kollektiv eindimensional und dem Zuschauer gleichgültig. Einzig Ryo Ishibashi als Polizeiinspektor kann in zwei kurzen Szenen richtig was rausholen: Der Schock, als er nach der Ansicht des Videobands den Fluch, der nun auch auf ihm liegt, erkennt und Karen kurz darauf betont ruhig erklärt, es gäbe vor diesem Fluch kein Entkommen. Leider wird dieser gute Eindruck auch wieder dadurch kaputt gemacht, dass er sich just in seiner nächsten Szene direkt wie ein doofer Horrorfilmcharakter gebärdet.
Dass "The Grudge - Der Fluch" trotz vieler berechtigter
Kritikpunkte noch zumindest mittelmäßig gut ist, liegt
daran, dass Shimizu Gespür für Atmosphäre zeigt und
die asiatische Bildsprache halt noch ein gutes Stück bedrohlicher
und mysteriöser ist als ihr amerikanisches Pendant. Und der
japanische Regisseur versteht zumindest in sofern sein Handwerk,
als dass er inmitten der Klischeeschocks durchaus Momente erzeugt,
in denen einem doch eine kleine Gänsehaut über den Rücken
fährt.
Vielleicht wäre man ja auch begeisterter gewesen, wenn man
vorher nicht den wesentlich besseren "The Ring" gesehen
hätte. Denn - und hier kommen wir zu einem weiteren Problem
- "The Grudge - Der Fluch" hat sowohl inhaltlich als auch
formal einiges mit "The Ring"
bzw. dem japanischen Original "Ringu" gemeinsam. Eigentlich
kein Wunder, hat doch Shimizu an der Filmhochschule unter dem "Ringu"-Drehbuchautor
gelernt. Wenn allerdings Shimizu behauptet, er wollte "einen
gänzlich anderen Horrorfilm in radikal anderem Stil zeigen",
so ist das schon ein bisschen albern. Denn "The Grudge"
ist in GENAU demselben Stil wie "The Ring" gemacht und
gleicht diesem Film in diversen Einzelheiten und wurde wahrscheinlich
GERADE deshalb als nächstes Objekt für eine internationale
Auswertung gewählt. Nun wollen wir Shimizu ja keine Plagiatsvorwürfe
machen, sondern ihm eher eine unterbewusste Beeinflussung zugestehen.
Aber wer erst zu spät kommt und dann den deutlich schwächeren
Film macht, dem bleibt nur Skepsis des Rezensenten. Vielleicht war's
ja auch der Fluch des fünften Versuches. Aller guten Dinge
sind ja bekanntlich nur drei.
Neuen Kommentar hinzufügen