Golden Door

Originaltitel
Nuovomondo
Jahr
2006
Laufzeit
118 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Sandra Hertel / 29. Januar 2011

 Angesichts der zahlreichen Billigflieger, Kreuzfahrtdampfer und verstopfter Autobahnen vergisst man völlig, wie beschwerlich das Reisen vor 100 Jahren noch war. Auf Eseln oder Holzkarren, zu Fuß, sogar barfuß waren die weniger gut Betuchten unterwegs. In ein anderes Land ziehen? Heute innerhalb der EU so aufregend wie eine Fahrt von Bottrop nach Wanne-Eickel. Um für ein halbes Jahr nach Spanien zu gehen, muss man noch nicht einmal den Reisepass mitnehmen. Die beste Freundin studiert in Mexiko? Den Flug zu ihr kann man im Internet buchen.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war dem natürlich nicht so. Damals schien halb Europa in die "neue Welt" zu emigrieren. Italiener, Spanier, Deutsche, Irländer und Portugiesen überquerten auf der Suche nach besserer Arbeit und mehr Wohlstand den Atlantik, um in Argentinien, Brasilien und in den USA eine neue Heimat zu finden. Oftmals gelockt von paradiesischen Versprechungen landeten sie in den Ballungsräumen New York, Rio de Janeiro und Buenos Aires und kamen vom Regen in die Traufe. Von so einer sizilianischen Familie handelt "Golden Door".

Salvatore Mancuso (Vincenzo Amato) lebt mit seiner Familie seit Generationen auf dem selben kargen Stück Land und versucht, über die Runden zu kommen. Immer öfter hört er von Amerika: Ein Land, in dem Kartoffeln und Möhren so groß sind wie Kutschen und Kanus, wo das Geld auf den Bäumen wächst. Seine Mutter Donna Fortunata (Aurora Quattrocchi), eine alte Heilerin, warnt panisch davor, die Geister der Vorfahren zu verlassen, die aus Angst vor dem Wasser nicht mitkommen können. Salvatore verkauft dennoch sein Hab und Gut, und bricht mit seiner Mutter und seinen beiden Söhnen Angelo (Francesco Casisa) und dem taubstummen Pietro (Filippo Pucillo) auf. Von Sizilien aus betreten sie mit tausend anderen Flüchtlingen ein Schiff, das sie vier Wochen lang über den Atlantik nach Ellis Island vor den Toren New Yorks bringt. An Bord begegnen sie der faszinierenden Engländerin Lucy (Charlotte Gainsbourg), die alleine nach Amerika reist. Niemand weiß, wer sie ist und woher sie stammt.

Die Manuscos sehen wie viele der Einwanderer die Welt aus den Augen staunender Kinder. In Sizilien lebten sie eins mit der Natur, nun müssen sie ihre Wurzeln zurücklassen und neue Menschen, gerüstet für eine neue Welt werden. Während der anstrengenden Reise auf dem Schiff, wo viele Menschen auf kleinstem Raum miteinander auskommen müssen, merken sie, wie sehr ihre Kultur und ihre Heimat auch ihre Identität bestimmt. Die Italiener an Bord zanken und singen gemeinsam, wie ein magisches Band sind sie durch ihren Aufbruch in das Neue miteinander verbunden.
Der Film findet Platz für viele Themen: Der Umgang mit den Älteren und mit einer Fremden, Aufbruch und Neuanfang, Auslieferung des Einzelnen und Schutz in einer Gruppe. Regisseur Emanuele Crialese gibt diesen Lebensfragen in ungewöhnlichen Kameraeinstellungen Ausdruck: Gespielte Zeitlupe, fließende Schnitte und vor allem durch offensichtlich inszenierte Massenszenen. In langen Sequenzen aus der Vogelperspektive bringt Crialese die abstrakten Gedankenkonstruktionen von Abschied und Verlassen in ein ästhetisch wirkungsvolles und konkretes Bild.
Ähnliche Inszenierungen gelingen ihm im Bauch des Schiffes. Auch die für uns absurden Träume und surrealistischen Vorstellungen von Amerika werden eins zu eins umgesetzt: Die gewaltig großen Mohrrüben und das gemeinsame Bad in Flüssen aus Milch. Angesichts dessen, was die meisten Einwanderer in New York erwartete, muss man sich immer wieder vor Augen halten, wie immens hoch die Hoffnungen auf das neue, paradiesische Leben waren.

"Golden Door" handelt von der Reise der Emigranten und den gesundheitlichen Untersuchungen bei den Einwanderungskontrollen auf Ellis Island. Auch wenn die Hauptpersonen sich charakterlich entwickeln, gibt es bis zum Schluss keinen Spannungsbogen. Der Film wird nie langweilig, aber er plätschert leise vor sich hin. Das Erschreckende und das Bewegende steckt in winzigen Details und prallt einem nicht auf der Oberfläche entgegen, das gilt vor allem für das letzte Drittel des Films. Diese behutsame Inszenierungsweise mit den kleinen Raffinessen ist in der heutigen Filmlandschaft eher ungewöhnlich, nichtsdestotrotz sehenswert. Crialese gibt dem Zuschauer viel Zeit mitzudenken, und den Schauspielern, ihre Charaktere so vollständig wie möglich zu entfalten, ohne durchsichtig zu werden. Und diese Eindrücke bleiben dann auch hängen.


7
7/10

Iren, nicht Irländer !!!!!

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