Schauplatz Los Angeles, Traumfabrik Hollywood. Synonym für
Oberflächlichkeit und Arroganz. Das Streben nach Perfektion
als Lebensphilosophie. Hier boomt der Handel mit ungeborenem menschlichem
Leben. Reiche Ehepaare, die auf natürlichem Wege keine Kinder
zeugen können, kaufen für viel Geld Eizellen oder Sperma
aus dem Katalog. Die Spender sollen dabei natürlich intelligent,
künstlerisch begabt, sportlich und - vor allen Dingen - wunderschön
sein. Die designierten Eltern wollen meist
nur Eizellen von blonden und blauäugigen Frauen. Hier in Deutschland
gab es auch einmal eine Zeit, in der ebendiese Merkmale sehr gefragt
waren. Wozu das später führte, ist bekannt….
Professionelle Leihmütter lassen sich befruchtete Eizellen
einpflanzen und verhelfen so kinderlosen Ehepaaren zum lange ersehnten
Nachwuchs. Weil Kinder doch das Schönste auf der Welt sind.
Sollen aus diesem Grund die eigenen Kinder vielleicht die allerschönsten
auf der Welt werden? Eine Vorstellung, die heute aus medizinischer
Sicht noch nicht durchführbar ist, könnte in der nahen
Zukunft Wirklichkeit werden: Babys, die von Gentechnikern nach den
persönlichen Wünschen der Eltern hergestellt werden. Mädchen,
schwarze Haare, braune Augen, IQ von 90-60-90. Mit oder ohne Scharf?
Frauke Sandig und Eric Black, die schon die Zoni-Dokumentation
"Nach dem Fall" zusammen drehten, nähern sich in
ihrem neuen Werk "Frozen Angels" diesen Themen unvoreingenommen
auf der ethischen und moralischen, nicht aber auf der wissenschaftlichen
Ebene. Sie fragen nicht nach dem Wie, sondern vielmehr nach dem
Warum und dem Sollte man überhaupt. Ein kompetentes Filmteam
auf der Suche nach den Risiken und Nebenwirkungen der zunehmend
fortschreitenden Gentechnik.
Dabei begleiten und portraitieren sie Menschen, deren paradoxe Charaktere
Psychologen Freudentränen in die Augen schießen lassen
würden, wenn sie mit einigen von ihnen arbeiten dürften.
Eine
dieser Personen ist Bill Handel, seines Zeichens Radiomoderator
und gleichzeitig Gründer der weltweit größten Agentur
für Leihmütter und Eizellen-Spenderinnen, deren Arbeit
er in seinen Sendungen ausgiebig zu propagieren versteht. Er ist
gewissermaßen der Hauptdarsteller dieser Dokumentation, ein
wegen seiner öfters zur Schau gestellten Doppelmoral und fragwürdigen
Ansichten eher unsympathischer Zeitgenosse. In Brasilien geboren
und dann in die Vereinigten Staaten ausgewandert, kann er nun die
illegalen Einwanderer aus Südamerika nicht ausstehen. Bei seinem
Sender KFI ist er aufgrund seiner Herkunft der selbstbezeichnete
"Quoten-Latino", der sich diebisch freut, dass nun wegen
ihm keine anderen "Hispanics" dort einen Job bekommen.
Sein Radiointerview mit Lori Andrews, einer Anwältin, die sich
auf das Gebiet der Gentechnik spezialisiert hat, nimmt einen großen
Teil der Dokumentation ein. Die Dame hat allerdings auch einiges
Interessantes zu berichten. So erzählt sie beispielsweise,
dass es mittlerweile möglich ist, sich einzelne Gene patentieren
zu lassen. Es gibt in den USA eine Firma, die das Patent auf ein
spezielles Brustkrebsgen besitzt - und jeder Arzt, der eine Frau
darauf untersuchen will, muss dieser Firma die stattliche Summe
von 2500 Dollar zahlen. Amerika, das Land der unbegrenzten Dummheiten.
Ob von den Verfassern geplant oder nicht - "Frozen Angels"
deckt neben dieser (unfassbaren) Geldgier noch weitere Dinge auf,
die schon immer an den Amerikanern kritisiert wurden. Zum Beispiel
die Scheinheiligkeit, die vielen Menschen entgegengebracht wird.
In den Agenturen für Eizellenspenden wird Frauen von zweifelhafter
Schönheit eingeredet, sie seien ziemlich hübsch und gefragt,
während ihre Eizellen später natürlich nur bei den
allerallerbesten zukünftigen Eltern landen werden. Das wird
wirklich jeder Spenderin versichert. Eine von ihnen, zufälligerweise
eines der begehrten Blondchen, sieht sich übrigens allen Ernstes
als ein Engel, der anderen hilflosen Menschen Kinder schenkt. Willkommen
im wirklichen Leben.
Kim Brewer, Frau eines Soldaten, Mutter eines Sohnes, trägt
für das Ehepaar Jurewicz ein Baby aus. Natürlich nicht
nur wegen dem
Geld, sondern weil es ein tolles Gefühl vermittelt, anderen
Menschen auf diese Weise zu helfen. Sie behauptet, nicht an den
Babys zu hängen, die sie als Leihmutter gebärt, hat gleichzeitig
aber Angst, in ein paar Jahren von diesen Kindern aufgespürt
und nach dem Grund ihres Handelns gefragt zu werden. Nach der Geburt
erkundigt sie sich besorgt bei der neuen Mutter, ob diese denn das
Baby auch mag. Möglicherweise kann man es ja noch mal für
eine Weile zurückschieben, vielleicht ist's ja noch nicht richtig
durch… oder, Frau Brewer?
Konträr zu diesen absonderlichen Figuren steht ein junger Mann,
dessen Mutter von einer Samenbank (im Film auch "Masturbatorium"
genannt) befruchtet wurde, für die nur Nobelpreisträger
als Spender zugelassen worden sind. Sein "Vater" hat einen
IQ von 180. Dies hätte nicht automatisch auch auf ihn zutreffen
müssen, tat es aber. Also wurde er in den Talkshows herumgereicht,
durfte Intelligenztests machen und als Aushängeschild die hervorragenden
Leistungen der Samenbank repräsentieren. Doch eigentlich bildet
er sich nichts auf seine Intelligenz ein und spielt lieber Sitar
anstatt sich mit Atomphysik oder Biochemie zu beschäftigen.
Auf dem Weg zum Strandyoga läuft er an den muskelbepackten
Bodybuildern von Venice Beach vorbei. Und muss grinsen. Weil ihm
- auch wenn er es nie offen zur Schau stellt - tief in seinem Innern
bewusst ist, dass er - im Gegensatz zu ihnen - trotz seiner Makel
etwas Besonderes ist.
"Frozen Angels" ist sehr schön gefilmt und behandelt
ein an sich sehr interessantes Thema, schafft es aber nicht, auch
neue Einsichten zu präsentieren. Was allerdings viel wichtiger
ist: Er kann zwischen Kinobesuch und Gang zur Kneipe durchaus zum
Nachdenken anregen. Dafür muss er natürlich erst einmal
gesehen werden. Und hier liegt das Problem. Eine Dokumentation wie
diese ist kein Film für die Lichtspielhäuser. Kaum ein
Zuschauer ist bereit, sein sauer verdientes Geld für einen
Film vom Typ Arte-Reportage auszugeben, wenn er gleichzeitig die
Chance hat, sich von Effekthaschereien berieseln zu lassen. Im Fernsehen
wäre "Frozen Angels" daher wohl besser aufgehoben.
Aber auch in den Schulen dieses Landes könnte dieses Werk künftig
zu sehen sein. Biologie, Ethik, Religion - all diese Fächer
beschäftigen sich zu einem gewissen Zeitpunkt mit der Problematik.
Lehrer in ganz Deutschland schreien begeistert auf, denn sie haben
nun wieder neue Materialien für ihren Unterricht zum leidlichen
Lehrplanthema "Gentechnik - Moralisch vertretbar, Ja oder Nein?".
Wer mit dem Gedanken spielt, ein Kind auf semi-natürliche Weise zu bekommen, für den ist "Frozen Angels" jedenfalls Pflichtprogramm, er oder sie wird es nicht bereuen. Alle Anderen sollten einfach bis nächstes Jahr warten. Irgendwann im Winter, Sonntag Abend, 22:15 im ZDF.
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