Flash of Genius

Originaltitel
Flash of Genius
Land
Jahr
2008
Laufzeit
119 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 6. Januar 2011

Die wahre Geschichte des Robert Kearns ist wie gemacht fürs Krisenjahr 2009, und das nicht wegen Kearns' zentraler Leistung - denn die Erfindung des Interval-Scheibenwischers ist nicht gerade etwas, was nach einer Verfilmung schreit - sondern wegen dem, was Kearns in Folge seiner Erfindung widerfuhr. Der Professor für Ingenieurswesen meldete Ende 1964 das Patent für den Interval-Scheibenwischer an und versuchte im Anschluss, seine Kreation an die "Big Three" der amerikanischen Autoindustrie (General Motors, Ford und Chrysler) zu verkaufen. Die lehnten alle ab, begannen 1969 aber dennoch, Kearns' Erfindung in ihre Autos einzubauen. Der folgende Rechtsstreit wegen Patentverletzung zog sich über zweieinhalb Jahrzehnte und hätte fast Kearns' gesamte Existenz zerstört. Es ist eine klassische "David gegen Goliath"-Geschichte, mit jenen großen, arroganten, Gewinn-maximierenden Konzernen als Bösewichte, die heute aufgrund ihrer Selbstherrlichkeit vor dem Bankrott stehen.

Hätten die Macher von "Flash of Genius" absehen können, dass die "Big Three" zur Jahreswende 2008/09 fast vollständig in sich zusammenfallen würden, sie hätten die Akzente ihres Films vielleicht etwas anders gesetzt. Und vielleicht hätten sich dann auch mehr Leute für den Film interessiert als bei seinem US-Kinolauf im Oktober 2008, als er fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief und schon nach drei Wochen wieder von den Leinwänden verschwand. Auch wenn "Flash of Genius" trotz seines Themas ein bisschen am aktuellen Krisen-Zeitgeist vorbeigeht, weil er sich eben ganz auf seinen "David" Robert Kearns konzentriert, hätte er dennoch einen größeren Erfolg verdient gehabt. Denn er hebt sich positiv von vergleichbaren Filmen ab, die es sich zu oft zu einfach machen und ihren gegen Windmühlen kämpfenden Protagonisten als strahlenden, am Ende auf der ganzen Linie siegreichen Helden zeigen.
"Flash of Genius" macht es sich längst nicht so einfach. Robert Kearns war ein anständiger, bescheidener und durchaus etwas biederer Ingenieur, ein Familienmensch, der an sich nichts Heldenhaftes an sich hatte. Das versucht der Film auch keineswegs zu beschönigen. Ein bisschen schluffig erscheint der Mann, seine Rechtschaffenheit wirkt beizeiten fast ein wenig spießig (es gibt hier viele Dialogzeilen der Sorte: "Wie soll ich meinen Kindern beibringen, was richtig ist, wenn…"). Was er definitiv nicht ausstrahlt, ist Stärke und Selbstbewusstsein. Als Kearns klar wird, dass die Autokonzerne ihn gelinkt haben, versetzt ihn das dementsprechend auch nicht sofort in empörte Kämpferstimmung, sondern in einen psychischen Schock, der in einer klinischen Depression endet. Tatsächlich dauerte es neun Jahre, bis Kearns die erste Klage gegen Ford einreichte.
Greg Kinnear erweist sich für diese Rolle als absolute Idealbesetzung. Mit seinen großen, weichen Augen hat Kinnear etwas Verletzliches an sich, das ihn für eine echte Helden-Rolle unmöglich macht, ihn jedoch als bemitleidenswerten Blender (wie in "Little Miss Sunshine") oder hilfsbedürftiges Opfer (wie in seiner Paraderolle in "Besser geht's nicht") zu absoluter Höchstform auflaufen lässt. Nicht anders hier: Robert Kearns ist so ein Typ, der nur darauf wartet, ausgenutzt und ausgenommen zu werden. Er ist schwach. Ein Opfer. Der Archetyp des "kleinen Mannes". Und gerade weil Greg Kinnear ihn nicht zu mehr macht, als er ist, ist dies keine x-beliebige "inspirierende" David-gegen-Goliath-Geschichte, sondern eine sehr realistische, exemplarische.
Eine, wie sie sich wahrscheinlich x-mal zugetragen hat. Dank der Arroganz großer Konzerne, die es sich einfach erlauben konnten, einen einfachen Mann um seine Idee zu bescheißen, weil sie wussten, dass er nicht die Mittel und den Mumm aufbringen würde, sie dafür dranzukriegen. Es ist ein Geschäftsgebaren geprägt vom Willen zur systematischen Ausbeutung, weil die verantwortlichen Manager letztlich eher bereit waren, Unsummen für ihre Firmenanwälte auszugeben als das Patent einfach ganz legal zu kaufen. Wo kämen wir denn dahin, wenn so ein kleiner Wicht auf einmal den verdienten Lohn für seine Arbeit bekommen würde.

Auch wenn Kearns am Ende siegreich war und über 30 Millionen Dollar an Entschädigung zugesprochen bekam, versucht "Flash of Genius" nicht, ein Feel-Good-Movie zu sein. Ganz im Gegenteil: Hier wird ganz bewusst in Frage gestellt, ob diese enorme Geldsumme überhaupt als Triumph betrachtet werden kann. Von Kearns' erster Klage bis zum Urteil zu seinen Gunsten verging über ein Jahrzehnt dank der juristischen Winkelzüge seiner Gegner, vom Diebstahl seines Patents 1969 bis zum endgültigen Richterspruch 1992 bezahlte Kearns mit 23 Jahren seines Lebens für einen schalen Sieg: Keiner der Autokonzerne musste am Ende zugeben, das Patent absichtlich verletzt zu haben. Können 30 Millionen so etwas aufwiegen für einen integren Mann wie Kearns, dem es primär immer um die Schuldfrage und ein entsprechendes Eingeständnis ging?
Dass all dies auch an Kearns' Ehe und dem Verhältnis zu seinen sechs Kindern nicht spurlos vorbei ging, auch das beschönigt der Film nicht. Und so fehlt hier irgendwie alles, was einen "klassischen" David-gegen-Goliath-Film ausmacht. Selbst auf die großen Reden und Gerichtsplädoyers im Namen der Gerechtigkeit wartet man vergebens (nicht zuletzt, da sich Kearns vor allem selbst vertrat, und eben alles andere als ein Showmann war), stattdessen spielt "Flash of Genius" seine Geschichte sehr sachlich und zurückhaltend ab. Was dann eben auch der Punkt des Ganzen ist: Das hier ist keine Heldengeschichte, sondern eine Parabel über die Unmenschlichkeit des Killerkapitalismus, der Menschen wie Robert Kearns ausnutzt, aussaugt und ausspuckt. Angesichts dessen, was im Moment in der Welt passiert, kommt wohl niemand (wenn er nicht gerade Josef Ackermann heißt) drum herum, sich mit diesem Robert Kearns zu identifizieren. Auch wenn er noch so ein spröder Held ist.


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