
Die
wahre Geschichte des Robert Kearns ist wie gemacht fürs Krisenjahr
2009, und das nicht wegen Kearns' zentraler Leistung - denn die
Erfindung des Interval-Scheibenwischers ist nicht gerade etwas,
was nach einer Verfilmung schreit - sondern wegen dem, was Kearns
in Folge seiner Erfindung widerfuhr. Der Professor für Ingenieurswesen
meldete Ende 1964 das Patent für den Interval-Scheibenwischer
an und versuchte im Anschluss, seine Kreation an die "Big Three"
der amerikanischen
Autoindustrie (General Motors, Ford und Chrysler) zu verkaufen.
Die lehnten alle ab, begannen 1969 aber dennoch, Kearns' Erfindung
in ihre Autos einzubauen. Der folgende Rechtsstreit wegen Patentverletzung
zog sich über zweieinhalb Jahrzehnte und hätte fast Kearns'
gesamte Existenz zerstört. Es ist eine klassische "David
gegen Goliath"-Geschichte, mit jenen großen, arroganten,
Gewinn-maximierenden Konzernen als Bösewichte, die heute aufgrund
ihrer Selbstherrlichkeit vor dem Bankrott stehen.
Hätten die Macher von "Flash of Genius" absehen
können, dass die "Big Three" zur Jahreswende 2008/09
fast vollständig in sich zusammenfallen würden, sie hätten
die Akzente ihres Films vielleicht etwas anders gesetzt. Und vielleicht
hätten sich dann auch mehr Leute für den Film interessiert
als bei seinem US-Kinolauf im Oktober 2008, als er fast unter Ausschluss
der Öffentlichkeit lief und schon nach drei Wochen wieder von
den Leinwänden verschwand. Auch wenn "Flash of Genius"
trotz seines Themas ein bisschen am aktuellen Krisen-Zeitgeist vorbeigeht,
weil er sich eben ganz auf seinen "David" Robert Kearns
konzentriert, hätte er dennoch einen größeren Erfolg
verdient gehabt. Denn er hebt sich positiv von vergleichbaren Filmen
ab, die es sich zu oft zu einfach machen und ihren gegen Windmühlen
kämpfenden Protagonisten als strahlenden, am Ende auf der ganzen
Linie siegreichen Helden zeigen.
"Flash
of Genius" macht es sich längst nicht so einfach. Robert
Kearns war ein anständiger, bescheidener und durchaus etwas
biederer Ingenieur, ein Familienmensch, der an sich nichts Heldenhaftes
an sich hatte. Das versucht der Film auch keineswegs zu beschönigen.
Ein bisschen schluffig erscheint der Mann, seine Rechtschaffenheit
wirkt beizeiten fast ein wenig spießig (es gibt hier viele
Dialogzeilen der Sorte: "Wie soll ich meinen Kindern beibringen,
was richtig ist, wenn…"). Was er definitiv nicht ausstrahlt,
ist Stärke und Selbstbewusstsein. Als Kearns klar wird, dass
die Autokonzerne ihn gelinkt haben, versetzt ihn das dementsprechend
auch nicht sofort in empörte Kämpferstimmung, sondern
in einen psychischen Schock, der in einer klinischen Depression
endet. Tatsächlich dauerte es neun Jahre, bis Kearns die erste
Klage gegen Ford einreichte.
Greg Kinnear erweist sich für diese Rolle als absolute Idealbesetzung.
Mit seinen großen, weichen Augen hat Kinnear etwas Verletzliches
an sich, das ihn für eine echte Helden-Rolle unmöglich
macht, ihn jedoch als bemitleidenswerten Blender (wie in "Little
Miss Sunshine") oder hilfsbedürftiges Opfer (wie in
seiner Paraderolle in "Besser geht's nicht") zu absoluter
Höchstform auflaufen lässt. Nicht anders hier: Robert
Kearns ist so ein Typ, der nur darauf wartet, ausgenutzt und ausgenommen
zu werden. Er ist schwach. Ein Opfer. Der Archetyp des "kleinen
Mannes". Und gerade weil Greg Kinnear ihn nicht zu mehr macht,
als er ist, ist dies keine x-beliebige "inspirierende"
David-gegen-Goliath-Geschichte, sondern eine sehr realistische,
exemplarische.
Eine,
wie sie sich wahrscheinlich x-mal zugetragen hat. Dank der Arroganz
großer Konzerne, die es sich einfach erlauben konnten, einen
einfachen Mann um seine Idee zu bescheißen, weil sie wussten,
dass er nicht die Mittel und den Mumm aufbringen würde, sie
dafür dranzukriegen. Es ist ein Geschäftsgebaren geprägt
vom Willen zur systematischen Ausbeutung, weil die verantwortlichen
Manager letztlich eher bereit waren, Unsummen für ihre Firmenanwälte
auszugeben als das Patent einfach ganz legal zu kaufen. Wo kämen
wir denn dahin, wenn so ein kleiner Wicht auf einmal den verdienten
Lohn für seine Arbeit bekommen würde.
Auch wenn Kearns am Ende siegreich war und über 30 Millionen
Dollar an Entschädigung zugesprochen bekam, versucht "Flash
of Genius" nicht, ein Feel-Good-Movie zu sein. Ganz im Gegenteil:
Hier wird ganz bewusst in Frage gestellt, ob diese enorme Geldsumme
überhaupt als Triumph betrachtet werden kann. Von Kearns' erster
Klage bis zum Urteil zu seinen Gunsten verging über ein Jahrzehnt
dank der juristischen Winkelzüge seiner Gegner, vom Diebstahl
seines Patents 1969 bis zum endgültigen Richterspruch 1992
bezahlte Kearns
mit 23 Jahren seines Lebens für einen schalen Sieg: Keiner
der Autokonzerne musste am Ende zugeben, das Patent absichtlich
verletzt zu haben. Können 30 Millionen so etwas aufwiegen für
einen integren Mann wie Kearns, dem es primär immer um die
Schuldfrage und ein entsprechendes Eingeständnis ging?
Dass all dies auch an Kearns' Ehe und dem Verhältnis zu seinen
sechs Kindern nicht spurlos vorbei ging, auch das beschönigt
der Film nicht. Und so fehlt hier irgendwie alles, was einen "klassischen"
David-gegen-Goliath-Film ausmacht. Selbst auf die großen Reden
und Gerichtsplädoyers im Namen der Gerechtigkeit wartet man
vergebens (nicht zuletzt, da sich Kearns vor allem selbst vertrat,
und eben alles andere als ein Showmann war), stattdessen spielt
"Flash of Genius" seine Geschichte sehr sachlich und zurückhaltend
ab. Was dann eben auch der Punkt des Ganzen ist: Das hier ist keine
Heldengeschichte, sondern eine Parabel über die Unmenschlichkeit
des Killerkapitalismus, der Menschen wie Robert Kearns ausnutzt,
aussaugt und ausspuckt. Angesichts dessen, was im Moment in der
Welt passiert, kommt wohl niemand (wenn er nicht gerade Josef Ackermann
heißt) drum herum, sich mit diesem Robert Kearns zu identifizieren.
Auch wenn er noch so ein spröder Held ist.
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