
Wenn wir an Belgrad denken, fallen uns Bilder von zerbombten Häusern
ein, doch wie mag es für die Anwohner der Stadt selbst gewesen
sein, als 1999 während der NATO-Intervention die Bomben fielen?
Wahrscheinlich nicht so, wie in Milos Radovics Komödie "Falling
into Paradise". Trotzdem ist dieser Film eine Möglichkeit,
sich mit dem Thema des Krieges auseinanderzusetzen, da dieser Film
auch für zartbesaitete Zuschauer geeignet ist, die sich nicht
in Kriegstäter/-Opfer-Dokumentationen wie "Weiße
Raben" oder "Lost Children" trauen und Antikriegsfilme
wie "Full Metal Jacket" zu blutrünstig finden. Der
Film
ist jedoch keine europäische Version von "Three
Kings" geworden, sondern bewegt sich eher in den filmischen
Gefilden des serbischen (früher bosnischen) Regisseurs Emir
Kusturica ("Underground", "Das Leben ist ein Wunder"),
auch wenn er dessen Niveau skurriler Kunst nicht erreicht.
Im Frühjahr des Jahres 1999 versucht die Familie Kundacina
in Belgrad, das Beste aus ihrer derzeitigen Situation zu machen.
Der Schwarzmarktkönig Ljubisa (Lazar Ristovski) bezahlt in
Mercedes und braust in seiner roten Corvette durch die Stadt, seine
Schwester Dusica (Branka Katic) träumt davon, dass ein amerikanischer
Pilot sie ins Land ihrer Träume bringt, und die Großmutter
will vor ihrem Tod noch Englisch lernen. Dusica räkelt sich
auf der Dachterrasse auf einem großen Laken, auf das sie ein
Herz gemalt hat, da die amerikanischen Aufklärungscrews angeblich
Fotos aus der Luft schießen. Ihr Bruder Ljubisa setzt sich
nun in den Kopf, diese Amis abzuschießen, die da auf die Brüste
seiner Schwester herab blicken. Ljubisa hat sowieso ein gewisses
Aggressionsproblem und schießt Fernseher und Radios immer
aus, statt sie abzuschalten. So schießt er nun eine russische
Rakete vom Schwarzmarkt auf ein Aufklärungsflugzeug, woraufhin
tatsächlich ein Ami (Simon Lyndon) mit dem Fallschirm auf der
hübschen Dusica landet. Diese glaubt, er sei Robert Redford
und will nun ihren "Bobby", der eigentlich Johnatan (wirklich
so geschrieben) heißt, behalten und mit ihm nach Amerika gehen.
Doch so einfach liegen die Dinge leider nicht: Denn Johnatan kann
man auf dem Schwarzmarkt verkaufen, weil sich die Offiziellen gern
mit ihm schmücken würden, und auch die BMW-Prolls aus
dem Nachbarviertel
wollen ihn sich gerne unter den Nagel reißen. Doch noch mehr
Geld als mit der Auslieferung kann die Familie verdienen, wenn man
Slobodan Milosevic umbringt. So entsteht ein wilder Plan zur Beendigung
des Krieges…
Die skurrilen Charaktere und der schwarze Humor zählen zu
den Stärken dieser Komödie. Es ergeben sich bizarre Verfolgungsjagden
mit teuren Schlitten und irre Situationen, die den Zuschauer auflachen
lachen. Die Musik heizt dem Ganzen noch ein, so dass der Film an
Fahrt gewinnt. Doch der Humor wird immer dann schal, wenn er mit
Plattitüden über den Krieg und naiven Nettigkeiten zwischen
den verschiedenen Kulturen versetzt wird. Da wünscht man sich
schleunigst die nächste Katastrophe, damit das politisch korrekte
Geschwafel aufhört. Denn der Film zieht gerade aus dem Gegensatz,
nicht aus den Gemeinsamkeiten der Parteien seine Dynamik.
Lazar Ristovski spielt den durchgeknallten Bruder hervorragend,
aber Branka Katic und Simon Lyndon bleiben erstaunlich blass. Wer
Branka in Fatih Akins "Im Juli"
sah, der weiß, zu welchen Leistungen sie in der Lage ist,
doch hier überzeichnet sie ihre Rolle als dummes Blondchen
stellenweise unnötig. Das Ende des Films ist nett, aber wohl
nicht die sinnigste Lösung, so wie auch an anderen Stellen
der Komödie schon mal die Logik auf der Strecke blieb.
Auch die Synchronisation muss hier als Kritikpunkt genannt werden: Der Film ist wirklich grottenschlecht synchronisiert. Das dafür zuständige Studio hätte ihn schon aus Imagegründen noch einmal überarbeiten sollen. Die Lippenbewegungen passen nicht und die Serben sprechen hervorragendes Englisch (was zwar bei der Amerika-vernarrten Dusica angehen mag, aber bei ihrem Bruder sehr aufgesetzt wirkt), während sie in der Originalversion radebrechen. In der synchronisierten Fassung sprechen die Serben nun also Deutsch, der Amerikaner Englisch und alles ist deutsch untertitelt. Da hätte man es doch gleich im Original belassen und nur untertiteln können.
Schön an diesem Projekt ist, dass hier europäische Zusammenarbeit
statt fand, denn Europa ist für die Menschen in Serbien mehr
als nur ein Wort. Darum halfen auch alle Beteiligten in Belgrad
(auch die Behörden und die Armee) mit, der Filmcrew alles Benötigte
zur Verfügung zu stellen. So wurden zum Beispiel an einer großen
Kreuzung alle Glühbirnen einzeln herausgedreht, damit der Platz
den filmischen Vorgaben entsprach und nachts dunkel war.
So ist "Falling into Paradise" zwar kein großer
Film geworden, beweist aber zum Beispiel durch die Beteiligung von
Serben und Deutschen an einem Film, in dem beide als historische
Dauerfeinde dargestellt werden, dass es ein Verzeihen geben kann.
Und das ist hoffentlich nicht nur politisches Geschwafel.
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