Das Hitler-Ding verkauft sich immer. Das wussten Guido Knopp und sein Team von der ZDF-Redaktion für Zeitgeschichte, die jahrelang eigentlich nichts anderes machten als den Führer, seine Helfer, Frauen und Hunde von allen Seiten zu beleuchten. Das wissen die Leute vom Spiegel, die in schöner Regelmäßigkeit irgendwas mit dem Dritten Reich zur Titelgeschichte erheben, weil das nachweislich die verkaufte Auflage erhöht. Und das wusste auch Timur Vermes, als ihm die Idee kam, seinen ersten Roman unter eigenem Namen (zuvor war er als Ghostwriter tätig gewesen) eben über Hitler zu verfassen - wie dieser im heutigen Berlin erwacht, wie er die Welt von heute durch seine Augen sieht und wie unsere Welt auf jemanden reagiert, der so aussieht und so redet wie das wohl größte Ungetüm des 20. Jahrhunderts.
Vermes' Roman ist das, was die Amerikaner gemeinhin ein "one-trick pony" nennen, ein Zirkuspferd, das nur einen einzigen Trick beherrscht. Aber wenn dieser eine Trick genug Aufmerksamkeit generiert, reicht er halt für einen Megahit. Timur Vermes walzte seine satirisch angehauchte Erzählung aus der Ich-Perspektive des Führers auf 400 Seiten aus, ohne dass dabei wirklich eine einfallsreiche Geschichte rumgekommen wäre, aber er spielte halt klug genug mit seiner provokanten Idee, um mittlerweile zwei Millionen Bücher abzusetzen und monatelang die Bestseller-Listen der Republik anzuführen. Und natürlich wollten das Buch auch sofort diverse Leute verfilmen. Denn: Das Hitler-Ding verkauft sich immer.
Hier ist er nun also, der Film zum Buch, der das Kernproblem des Stoffs genauso wenig zu lösen weiß wie seine Vorlage. "Er ist wieder da" ist auch als Film vor allem eines: Eine Idee auf der Suche nach einer Geschichte. Im Groben hält sich die Verfilmung an das dürre Story-Gerüst des Romans: Adolf Hitler (überzeugend, aber letztlich eintönig gespielt vom gestandenen Theater-Akteur Oliver Masucci) erwacht 70 Jahre nach Kriegsende in einem Berliner Hinterhof, versucht sich in einer für ihn fremden Welt zu orientieren, findet ersten Unterschlupf in einem Zeitungskiosk, bringt sich dort auf den Stand der Weltgeschichte und begegnet ein paar Medienmenschen, die ihn für einen brillanten Komiker mit perfekt einstudierter Hitler-Nummer halten. Diese verhelfen dem Führer zu neuer, zeitgemäßer Berühmtheit als Star in Comedy-Shows und auf YouTube.
Regisseur David Wnendt, der zuvor bereits Charlotte Roches ähnlich schwer zu verfilmenden Skandalroman "Feuchtgebiete" in ein gelungenes filmisches Ergebnis übersetzte, versucht hier einen ähnlichen Coup zu erzielen, und hat sich zumindest ein paar lobenswerte Gedanken gemacht. Seine Idee, die fiktiven Filmszenen mit echten Doku-Aufnahmen zu vermischen, die er quer durch Deutschland gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller aufzeichnete und dabei einfing, wie ganz normale Bürger auf eine Begegnung mit Adolf Hitler (bzw. einem ernsthaft agierenden Imitator) reagierten, war im Ansatz sicherlich vielversprechend und versprüht einen Hauch von "Borat"-Atmosphäre. Das Ergebnis ist aber leider weder so witzig noch so entlarvend geworden, wie man sich das vielleicht erhofft hat. Klar, hier kommen einige ignorante, rassistische und demokratiefeindliche Ressentiments zum Vorschein, aber man hört auch nichts Krasseres als bei einer aktuellen TV-Reportage über Pegida-Demonstranten, und der Gipfel des Provokanten besteht hier darin, dass gröhlende Jungdeutsche auf der WM-Fanmeile mit dem Führer für ein paar Selfies posieren und dazu den Hitlergruß machen. Vorhersehbar.
So läuft sich der eine, zentrale "Trick" dieser Komödie sehr schnell tot, und es ist kaum mehr als eine halbe Stunde um, da fängt das Grundprinzip des Films - Absurdität allein dadurch zu erzeugen, dass man eine heutige Alltagsszene nimmt und halt Adolf Hitler mit rein stellt - bereits an sehr starke Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Im weiteren Verlauf begeben sich Wnendt und seine Co-Autorin Mizzi Meyer (aus deren Feder die brillante TV-Serie "Der Tatortreiniger" stammt) zunehmend verzweifelt auf die Suche nach etwas mehr an Plot als die handlungstechnisch dürre Romanvorlage hergibt. Das beinhaltet dann die Hinzufügung eines neuen, fast schon Haupt-Handlungsstrangs über die Intrigen und Machtkämpfe innerhalb des TV-Senders, der mit dem vermeintlichen Hitler-Imitator seine Einschaltquoten aufpolieren will. Die zentralen Rollen dort sind mit Fabian Busch, Christoph Maria Herbst und Katja Riemann zwar prominent besetzt, was aber nichts daran ändert, dass die Geschehnisse der zweiten Filmstunde planlos und unausgegoren zusammengeschustert und letztlich vollkommen egal erscheinen. Man hat bei "Er ist wieder da" nie das Gefühl, dass dieser Film ein wirkliches Ziel oder auch nur so etwas wie eine klare Aussage hätte, auf die er zusteuern will. Irgendwann flüchtet er sich noch kurz in eine Prise bemühte, postmoderne Selbstreferentialität, und dann hört er halt einfach auf.
Was diese Verfilmung hätte interessant machen können, ist das, was schon der Romanvorlage fehlte - der Mut, die Grundidee wirklich provokant auszureizen. Entweder das satirische Element gnadenlos zu überzeichnen und keine Angst vor der humoristischen Grenzüberschreitung zu haben. Oder wirklich ernst zu nehmen, dass Adolf Hitler auch im Hier und Heute mit seiner Ausstrahlung und seiner perfiden Demagogie zu einer neuerlichen Gefahr werden könnte und im Nu eine frische, hörige Gefolgschaft um sich scharen würde. Beides wagt der Film jedoch nicht, und ist so in seiner Darstellung Hitlers als eigentlich ganz lustige Witzfigur fast schon gefährlich verharmlosend.
Die wirklich gelungenen Spitzen mit bösem unterliegendem Witz - wie eine Brainstorming-Session von Gag-Autoren, die von ihrem Produzenten aufgefordert werden, Oneliner für Hitler zu schreiben, oder Hitlers Besuch in der NPD-Parteizentrale mit seinem Unmut über die Unfähigkeit seiner politischen Nachfahren - sind zu selten und bleiben ohne Nachhall, weil dieser Film letztlich nichts wagt und nur auf Nummer Sicher geht. Er muss ja auch nicht mehr tun. Das Hitler-Ding verkauft sich schließlich immer.
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