David Ayer hat ein klar definiertes Spezialgebiet. Vor über einem Jahrzehnt landete Ayer als Drehbuchautor einen erstaunlichen Doppelschlag, als er nicht nur das Skript für den ersten (und immer noch besten) Teil der "The Fast and the Furious"-Franchise schrieb, sondern auch mit dem fulminanten Drehbuch zu "Training Day" Denzel Washington die Worte in den Mund legte, die ihm den Oscar als bester Hauptdarsteller einbrachten. Nach diesem ersten, bemerkenswerten Cop-Thriller legte Ayer in den Folgejahren noch zwei weitere, sehr solide Drehbücher aus dem Polizei-Milieu nach ("S.W.A.T." und "Dark Blue") und etablierte sich damit als ein genauer Kenner der Lebens- und Erlebniswelt der Gesetzeshüter von Los Angeles. Nun kehrt Ayer als Regisseur und Autor in Personalunion in diese Welt zurück, und liefert mit "End of Watch" seine bisher beste und nachhaltigste Arbeit ab, denn diesen Film wird man sicher nicht so schnell vergessen, wenn man ihn gesehen hat.
Das liegt zuvorderst an seiner ungewöhnlichen Inszenierung und Erzählstruktur. Denn "End of Watch" gebärdet sich wie eine vermeintliche (Selbst-)Dokumentation. Der komplette Film ist mit dynamischer Handkamera aufgenommen, viele Einstellungen dabei scheinbar von den Protagonisten selbst aufgezeichnet - gleich zu Beginn wird etabliert, dass die beiden Polizisten, die hier im Zentrum stehen, sich permanent selbst filmen (wie es auch diverse der weiteren Akteure tun, die im Laufe des Films auftreten), so dass sie immer wieder direkt selbst mit der Kamera interagieren. Und auch die Bilder, die von einer "unsichtbaren", omnipräsenten Kamera eingefangen werden, fügen sich nahtlos in den dokumentarischen Stil ein. Das wirkt zunächst wie ein etwas mühsam aufgesetztes Inszenierungs-Konstrukt und ist erst einmal sehr gewöhnungsbedürftig, da Ayer und seine Cutterin Dody Dorn (die hier wirklich Schwerstarbeit geleistet hat) in einem sehr rasanten Rhythmus zwischen ihren diversen Kamera-Perspektiven umher schneiden und der Film ständig in schneller Bewegung ist - allzu dicht vor die Leinwand sollte man sich da nicht setzen. Mit zunehmender Laufzeit entfaltet dieser originelle Inszenierungs-Ansatz aber immer mehr seine Wirkung, und wie stets bei einem solchen Kamerastil erhöht dieser Ansatz auch ganz enorm die gefühlte Authentizität des Gesehenen, und das ist absolut essentiell bei diesem Film, der sich auch erzählerisch den Anstrich einer vermeintlichen Alltags-Dokumentation gibt. Auch wenn es eine Dokumentation über zwei Cops ist, deren "Alltag" ganz schön aufregend ausfällt.
Diese Erzählweise führt dann dazu, dass "End of Watch" sich von gängigen dramaturgischen Strukturen völlig befreit und man hier nie das Gefühl hat, einem gewöhnlichen Hollywood-Film mit typischem Erzählbogen zu folgen (was auch zu dem eindeutigen Pluspunkt führt, dass man sich als Zuschauer niemals sicher ist, was hier wohl als nächstes passieren wird). Über weite Strecken verfolgt man hier nur lose zusammenhängende Episoden aus dem Arbeitsleben der beiden Streifenpolizisten Brian Taylor (Jake Gyllenhaal) und Mike Zavala (Michael Pena), und kann sich während dieser Zeit durchauf öfter mal bei der Frage erwischen: Hat dieser Film eigentlich auch sowas wie eine zentrale Geschichte? Die hat er sehr wohl, doch das erschließt sich dem Zuschauer erst gegen Ende, wenn sich die losen und bis hierhin scheinbar unverwobenen Elemente der Erzählung zusammenfügen und ein Gesamtbild enthüllen, von dem Taylor und Zavala sich nicht einmal bewusst waren, dass sie sich in dessen Zentrum befinden.
Gerade in dieser Hinsicht reflektiert "End of Watch" sehr konsequent die (beschränkte) Wahrnehmung seiner beiden Protagonisten, denn Taylor und Zavala sind eben Streifenpolizisten, deren Arbeitsalltag aus einer Reihe verschiedenster Einsätze und Notrufe besteht und nie einem größeren Zusammenhang folgt. Dies sind keine Polizisten, die über Tage und Wochen einen konkreten Fall bearbeiten, die einen Mord aufklären oder ein Verbrechersyndikat jagen. Taylor und Zavala machen die einfache Fußsoldaten-Arbeit, den Job in Uniform, der gemacht wird, bevor die ermittelnden Detectives in ihren Anzügen überhaupt die Szenerie betreten. Dementsprechend realisieren die beiden es gar nicht, dass sie im Laufe des Films immer wieder in dasselbe Wespennest stechen, bis die Wespen sich das nicht mehr gefallen lassen wollen.
"End of Watch" wird - gerade weil er seinen Zuschauer ganz bewusst nicht durch eine erkennbare Dramaturgie bei der Stange hält - ganz entscheidend von seinen Darstellern getragen. Das gesamte Ensemble leistet hier erstklassige Arbeit beim Bemühen, jede Situation so alltäglich und realistisch wie möglich erscheinen zu lassen. Absolut herausragend sind indes die beiden Hauptakteure Jake Gyllenhaal und Michael Pena, deren Leistung hier gar nicht hoch genug gelobt werden kann. Nicht nur, dass sie hier eine enorme Bodenständigkeit transportieren (vor allem bei Gyllenhaal ein krasser Gegensatz zu den in sich gekehrten, oft ein wenig in ihrer eigenen Welt schwebenden Figuren, die er sonst spielt), gerade in ihrem Zusammenspiel beweisen die beiden eine Chemie und leichtfüßige Harmonie, die aus "End of Watch" einen der überzeugendsten "Buddy movies" seit langem macht. Dieser famosen Interaktion der beiden ist es zu verdanken, dass die besten Szenen des Films seine wenigen statischen Momente sind, in denen die Kamera quasi auf dem Armaturenbrett des Streifenwagens ruht und die beiden Cops bei ihren alltäglich-banalen Konversationen während der Fahrt durch die Stadt beobachtet. In diesen Momenten schwingt sich "End of Watch" von einem ungewöhnlich inszenierten und aufgebauten Polizei-Thriller endgültig auf zu grandios umgesetztem und superb gespieltem Charakterkino.
Und so kann man am Ende von "End of Watch" eigentlich nur ein Urteil sprechen, mit dem man am Anfang des Films nicht gerechnet hätte. Wo man zunächst noch etwas irritiert denkt "Was soll das denn?" und "Wo soll das hin gehen?", ist man am Schluss nur noch enorm beeindruckt von den überraschenden, eigenwilligen und konsequenten Wegen, die David Ayer und seine Crew hier gegangen sind. Hart, schnell, authentisch. Großartig.
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