Die drei Teenager Alex (Dylan Mineete), Rocky (Jane Levy) und Money (Daniel Zovatto) verbringen ihre Tage in Detroit damit, kleinere Einbrüche zu begehen und anschließend ihre Beute zu verprassen. Das Risiko versuchen sie möglichst gering zu halten und daher scheint das nächste von Money ins Visier genommene „Projekt“ auch besonders verlockend: Denn der Kriegsveteran (Stephen Lang), der in seinem Haus angeblich mehrere hunderttausend Dollar Versicherungsprämie bunkert, die er einst nach dem Unfalltod seiner Tochter als Entschädigung erhielt, ist erblindet. Und was droht von einem alten Mann ohne Augenlicht schon für Gegenwehr? Deutlich mehr als erwartet, lautet die Antwort, und die drei Freunde werden sehr schnell bereuen, sich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben.
Der aus Uruguay stammende Filmemacher Fede Alvarez hat bereits mit seinem Spielfilm-Debut „The Evil Dead“ sein handwerkliches Können nachgewiesen, auch wenn das vor Blut triefende Remake der bei uns auch als „Tanz der Teufel“ bekannten Franchise nicht jedermanns Sache war. In seinem neuen Film hat Alvarez den Splattergehalt nun deutlich zurückgefahren und beweist, dass er den auch gar nicht benötigt um trotzdem ordentlich Terror zu verbreiten. Denn die anderthalb Stunden von „Don't Breathe“ sind ein einziger, clever inszenierter und klasse gespielter Adrenalinschub und der beachtliche Publikumserfolg dieses eigentlich sehr kleinen Films in den USA ist daher auch absolut gerechtfertigt.
Aber wie originell ist sie wirklich, die Idee vom blinden Gegenspieler, der nicht das leichte Opfer darstellt, das man erwartet? Denn dieses Motiv gab es schließlich schon öfter, sei es ein blinder Samurai, der seine Gegner gleich reihenweise niederstreckt, oder einst Audrey Hepburn, die sich in „Warte, bis es dunkel wird“ ebenfalls blind gegen Einbrecher zur Wehr setzen musste. Echte Horrorfilme waren dies aber nicht und noch in einem anderen Punkt geht „Don't Breathe“ neue Wege. Denn der Zuschauer verfolgt das Geschehen in diesem Fall nicht aus der Perspektive des Überfallenen, sondern aus der der Eindringlinge.
Was natürlich Fragen nach der Moral aufwirft und danach, ob man denn hier überhaupt mit den „bösen“ Kleinkriminellen mitfiebern kann und darf. Nun, man kann schon, denn wenige Minuten Vorarbeit genügen um uns zumindest den zögerlichen Alex (der sich von vornherein nur widerwillig an dieser Tat beteiligt) und die gutmütige Rocky (die davon träumt mit ihrer kleinen Schwester dem deprimierenden Alltag zu entfliehen) ein wenig näherzubringen. Beim impulsiven, rüpelhaften „Money“ sieht das schon anders aus, denn dessen moralischer Kompass ist doch ziemlich defekt, was sich unter anderem darin äußert, dass er in der Wohnung der von ihm Bestohlenen auch gerne noch zusätzlich auf den Teppich onaniert.
Da hält sich das Mitgefühl also in Grenzen, wenn es schließlich dieser Grobian ist, der als erstes schmerzhaft zu spüren bekommt, dass man sich eventuell doch das falsche Opfer ausgesucht hat. Womit wir zum Bewohner des heruntergekommenen Hauses kommen und damit auch zum eigentlichen „Star“ des Films. Stephen Lang wird schon seit Dekaden gerne in Neben- und Schurkenrollen besetzt, sein bekanntester Auftritt dürfte der als rücksichtsloser Militär in „Avatar“ sein. Bisher jedenfalls, denn ab sofort wird man bei seinem Namen wohl eher an den furchteinflößenden, unbarmherzigen und unkaputtbaren „Blind Man“ denken, den er hier zum Besten gibt. Lang verleiht seiner Figur eine Präsenz, die erstens beeindruckend und außerdem auch absolut notwendig ist um diese Geschichte funktionieren zu lassen. Denn obwohl das Drehbuch sich alle Mühe gibt, glaubwürdig zu vermitteln warum es denn für die Eindringlinge gar nicht so einfach ist wieder zu fliehen, so ist es doch auch die brachiale Wucht mit der Stephen Langs Figur dafür sorgt, dass man im Zweifelsfall gar nicht dazu kommt über eventuell doch vorhandene Logiklöcher nachzudenken.
Ein Twist ungefähr in der Mitte des Films sorgt schließlich dafür, dass die auf sehr engem Raum spielende Handlung noch um eine weitere Ebene erweitert wird und auch dafür, dass die Sache mit der Moral doch etwas deutlicher in eine Richtung neigt. Es bleibt dabei aber durchgehend spannend, auch weil die Möglichkeiten, die so eine Konfrontation mit einem blinden Gegenspieler bietet, raffiniert genutzt werden. So kommt es immer wieder zu Momenten des Erstarrens, wenn der wütende Blinde plötzlich im Raum steht, seine Gegenüber nicht sehen kann, sehr wohl aber jedes Geräusch und jede Bewegung registriert.
Es ist ein feiner kleiner Horror-Thriller den sämtliche Beteiligten hier abgeliefert haben und der einzige, der darüber möglicherweise nicht so begeistert ist, dürfte der Tourismus-Beauftragte von Detroit sein (so es den denn gibt). Denn die Trostlosigkeit, mit der die seit Jahren verfallende, einstige Auto-Metropole in Michigan hier ins Bild gesetzt wird, die runtergekommenen, tristen Straßen und Behausungen lassen einen sehr gut nachvollziehen, warum die Jugendlichen möglichst bald von dort weg wollen. Und sie bildet halt auch den perfekten Hintergrund für diesen erstklassigen kleinen Horror-Trip.
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