Die Spielwütigen

Originaltitel
Die Spielwütigen
Jahr
2004
Laufzeit
108 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Nadja Raweh / 5. Februar 2011

 

Spielwütig, ja geradezu besessen von den Brettern, die die Welt bedeuten, muss man wohl schon sein, um den steinigen Weg vom Schauspiel-Talent zum potentiellen Star auf sich zu nehmen. Doch bis dorthin ist es sehr weit, und die kommende Darsteller-Garde muss gemeinhin erst durch die Mühlen der Schauspielschulen und über die hohen Hürden der harten Aufnahmeprüfungen. Vier junge Menschen hat Regisseur Andres Veiel im Zeitraum von 1996-2003 für diesen Dokumentarfilm begleitet. Von der Aufnahmeprüfung an der Elite-Schauspielerschmiede ‚Ernst Busch' in Berlin bis zu den ersten Engagements war seine Kamera ein Teil ihrer Ausbildung und ihres Alltags. Einfühlsam, unaufdringlich, unterhaltsam. Die angenehm authentische Antwort auf die mediale Super-Star-Hysterie.
Doch wirkt selbst die Auswahl von Veiels vier Helden ein wenig wie das berechnende Typen-Casting der Superstar-Shows. Da wäre die hübsche Karina Plachetka, der klassische Gewinnertyp und sichere Sympathieträger. Dann die ernste Constanze Becker als nachdenklicher Gemütsmensch voller Selbstzweifel. Wenn es um ihren Wunschberuf geht, kennt sie keine Kompromisse: "Es muss ehrlich, wahrhaftig ... muss von mir kommen. Wenn ich mich dafür engagiere, dann ist es eben auch nur das. Und daneben kann es nichts anderes geben!" Als dritte Figur erleben wir den schroffen, ‚ungeschliffener Diamant'-Typ Prodromus Antoniades, der weder Selbstzweifel noch Kompromisse zu kennen scheint. Für ihn steht fest: "Spielen ist eine existentielle Notwendigkeit." Und schließlich die etwas naive Stephanie Stremler als ebenso beklagenswertes Pechmariechen wie bewundernswerte Ausnahmekämpferin: Ihre Eltern halten die Schauspielerei für eine unseriöse und finanziell unsichere, ohnehin nur vorübergehende Träumerei. Obendrein attestiert man ihr, nach etlichen Ablehnungen, einen Sprachfehler und eine motorische Störung. Aber sie gibt nicht auf, denn: "Je größer die Angst, desto größer ist auch der Mut, die Angst zu überwinden." Und gerade die Niederlagen, die scheinbare Aussichtslosigkeit des Wunsches Schauspielerin zu werden, machen ihren leidenschaftlichen Kampf, und damit auch den der anderen Drei, noch deutlicher. Insbesondere Stephanies jahrelanges Durchsetzungsvermögen, ihre Standhaftigkeit, Eigeninitiative und Obsession für den Beruf stehen stellvertretend für den Ehrgeiz aller.

Mit seiner Terrorismus-Dokumentation "Black Box BRD" präsentierte Andres Veiel im Jahr 2001 den richtigen Film zum richtigen Zeitpunkt und traf genau den Nerv der Zeit. Die Langzeitstudie über Schauspielschüler wird es etwas schwerer haben. Wer hätte damals, zu Projektbeginn, schon ahnen können, dass Dokumentationen wie Pilze aus allen TV-Kanälen schießen würden. Von den inflationären Star-Suchen ganz zu schweigen. Doch "Die Spielwütigen" konnten bereits die diesjährigen Berlinale-Zuschauer von ihrem tränen-, traumata- und triumphreichen Weg ins (Berufs-)Leben überzeugen: Veiel gewann für seine Dokumentation den Publikumspreis. Die Mundpropaganda wird seinem einfühlsamen wie beindruckenden Psychogramm über vier Menschen, die nichts sehnlicher wollen als Schauspieler zu werden, sicherlich wieder ihren gebührenden Raum zwischen den Multiplex-Kinos erobern.
Zurecht, denn der einstige Psychologie-Student Veiel beweist mit seinem Doku-Psychogramm einmal mehr ein sensibles Händchen. Zum einen, weil er der renommierten ‚Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch' einen Spiegel vor ihr verstaubtes Gesicht hält: Antiquierte Begrifflichkeiten (siehe "Elite") und selbstgefällige Dozenten, die nach ihnen leben, scheinen Veiel ein Dorn im Auge. Zum anderen gibt er, angenehm anders als in so manchen TV-Dokus, seine Objekte der dokumentarischen Begierde nie der Lächerlichkeit preis. Auf naheliegende Effekthascherei kann er getrost verzichten - von ein paar unnötig stimmungsheischenden Klavierklängen einmal abgesehen. Veiel bleibt teilnehmender Beobachter der behutsam zurückhaltenden Art. Statt klatschsüchtigem Seelen-Strip enthüllen sich die Probleme und Emotionen der vier Figuren unaufdringlich, mit kleinen Gesten, mit großen Augen oder unterdrückten Frust-Anzeichen. Zwischendurch haben sich alle vier Hauptdarsteller mit Regisseur Veiel gefetzt und wollten sogar die Mitarbeit am Projekt aufkündigen: Die Kritik und die Entwicklung im Studienalltag und dann noch die sporadische Beobachtung durch die Dokumentation war oftmals sicher zuviel. Wer lässt sich schon gerne in so intimen und verwundbaren Momenten in die Seele schauen, wie sie diese Menschen fast täglich erlebt haben. Doch das spricht nur für die Intensität des Films.
Der Skizzenhaftigkeit ihrer Biografien, ihrer Motivation und ihrer Höhen und Tiefen mag zunächst Struktur fehlen. Doch die bruchstückhafte Puzzle-Methode macht durchaus Sinn. Sozusagen nebenbei entwickelt man zunehmend Mitgefühl für das ungleiche Quartett. Man lacht über die größenwahnsinnige Schnaps-Idee von Prodromus, in New York sofort Karriere zu machen - aber nur, weil er gleichzeitig selbst über sein verrücktes Vorgehen lacht. Man versteht Karinas angeknacksten Idealismus, wenn sie sich bei der Begutachtung der frischgebackenen Schauspielabsolventen zwischen der Schar bundesdeutscher Theater-Intendanten so vorkommt wie auf einer Frischfleisch-Versteigerung.
Der Nachspann erklärt uns, dass alle auf einem vielversprechenden Weg zu einer beachtlichen Karriere sind. Einzig ‚durchgefallen' bei diesen "Spielwütigen", ist die Hochschule ‚Ernst Busch'. Deren arrogante, hämische bis verletzende Methoden erinnern in ihrem Motivationstalent bisweilen eher an die Bundeswehr denn an eine kreative Kaderschmiede. Für manch potentiellen Bewerber mag diese "Schauspielen-ist-kein-Zuckerschlecken"-Darstellung ein heilsamer Schock sein. Umgekehrt gilt aber auch: Wer sich davon abschrecken lässt, gehört eben nicht zur verrückten Liga der "Spielwütigen". Ein Schauspieler ist ein Schauspieler ist ein Schauspieler ....

Bilder: Copyright

10
10/10

Der Film ist einzigartig spitze!Hab ihn vorgestern gesehen und bekomme ihn einfach nicht mehr aus meinem Kopf->So sollte ein Film sein!

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9
9/10

Ich finde es beeindruckend, wie die 4 das auf ganz unterschiedliche Weise absolviert haben. Ich habe diesen Film gestern auf 3sat geschaut- beim 1. Hingucken dachte ich: ich geh ins Bett doch dann habe ich gesehen, dass es wirklich interessant ist und am Ende hat es sich doch sehr gelohnt und man sieht auch, wie es wirklich sein kann und mit wieviel Arbeit das ganze verbunden ist. Sehr schöner Film; sehr sehenswert!

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9
9/10

Ein absolut mitreißender Film mit tollen und weniger tollen Protagonisten. Schade fand ich, wie unbarmherzig die Ernst-Busch-Akademie mit ihren Schauspielschülern umging...das war ja fast abschreckend. Vielleicht habt ihrs auch mitbekommen: in einer Szene mit Prodromos Antoniades war Julia Jentsch ebenfalls als Schauspielschülerin zu sehen...ein Zeichen, dass sich harte Arbeit lohnt.

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10
10/10

Ich fand diesen Film ein tolle Erfahrung. Wann hat man den schon mal die Möglichkeit, so hinter die "Kulissen" zu sehen. Wie hart es ist seinen Weg und seine Ziele zu verwirklichen. Aber meistens lohnt es sich dann auch. Ein tolles Projekt, das ich mir sicher nicht das letzte mal angesehen habe.

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hab erst vor kurzem von dieser anscheinend super tollen doku gehört und würd ihn mir sehr gern anschaun, da schauspile auch ein traum von mir ist....wo könnt ich diesen film bekommen?bücherei?

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10
10/10

hab ihn gestern (27.3.08) nacht auf arte gesehen...
eine geniale doku vorallem weil ich auch mit dem gedanken gespielt hab nach meinem abi auf eine schauspiel schule zu gehen, aber genau die rückschläge, die die vier mit machen mussten sind die punkte die mich zweifeln lassen...
es ist halt doch ein langer weg bis zum ziel...

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10
10/10

vor paar tagen auf 3sat um 4-6uhr gesehen. toll. da juckts mich vielleicht doch schauspiel zu lernen, bei ernst busch! kein bisschen abschreckend, gute ausbildung ist eben hart.

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