Zuerst eine kurze Dankesminute: Danken wir Christian Petzold für diesen Film. Lasst uns aber auch der anderen kreativen Hoffnungsträger dieses Landes gedenken: Tom Tykwer („Der Krieger und die Kaiserin“), Hans-Christian Schmid („Crazy“), Esther Gronenberg („Alaska.de“) oder Fatih Akin („Im Juli“). Sie alle sorgten dafür, dass Deutschland im Jahr 2000 eine Art zweite Wende beschert wurde – eine Filmwende, sozusagen. Der Gott des Zelluloid scheint wieder heller auf die deutsche Kinowelt. Beten wir, dass es anhält ...
Die Herren Harun Farocki und Christian Petzold graben mit „Die innere Sicherheit“ in fast Vergessenem. Ganz leise und ohne pathetische Gefühlsduselei erzählen sie vom Abschied von Gestern und von ehemaligen Ikonen der bundesdeutschen Linken.
Regisseur Christian Petzold las “Nachrichten aus dem Untergrund, die davon erzählten, dass da irgendwelche Gespenster an ihrer Menschwerdung arbeiten. Wenn Gespenster Menschen werden möchten, dann sind sie immer Protagonisten einer Tragödie.“ Die Gespenster dieser Tragödie, Hans (Richy Müller) und Clara (Barbara Auer), sind gesuchte RAF- Terroristen, die als Urlauber getarnt an der portugiesischen Atlantikküste leben.
Vor 15 Jahren haben sie ein Tabu gebrochen: Sie haben eine Tochter gezeugt. Jeanne (Julia Hummer) hat nie eine Schule besucht, ist allein und völlig isoliert von Gleichaltrigen aufgewachsen. Als loyale Komplizin ihrer Eltern hat sie schon früh gelernt, auf der Flucht zu leben. Aber da gibt es soviel anderes, das Jeanne noch entdecken und wissen möchte über das normale Leben, über das Leben normaler Teenager.
In ihrer „Menschwerdung“ stehen die Eltern kurz vor der lang geplanten Weiterreise nach Brasilien, wo die Familie endlich die erhoffte Ruhe finden möchte. Neue Pässe und Geld sind besorgt. Doch ein Einbruch in die Ferienwohnung macht alle Pläne zunichte. Ohne finanzielle Mittel und Papiere flüchten die drei zurück nach Deutschland, um über alte Kontakte wieder an Geld zu kommen. Währenddessen verliebt sich Jeanne in den gleichaltrigen Heinrich (Bilge Bingül). Eine Liebe, gewachsen aus einer so starken Sehnsucht nach Normalität, die ihre Familie in die Katastrophe führen wird.
Die Helden von einst sind müde. Die „Gespenster“ dieser Geschichte vermissen Ruhe und Beständigkeit. Krampfhaft sind sie bemüht, Ordnung in ihren Alltag zu bringen. Mit dem Wunsch, Verantwortung für Jeanne zu tragen, nehmen sie immer neue Opfer auf sich, die sie doch immer weiter von ihren Zielen, Träumen und von einander entfernen. Wo auch immer sie hinflüchten, wird es kein normales Leben geben.
Die kalten Bilder von Hans Fromm geben der Geschichte die perfekte Stimmung- wo kein Leben ist, da gibt es auch keine Wärme. Nur Jeanne umgibt manchmal der warme Ton einer Nachttischlampe; als wäre sie noch nicht verloren. Überhaupt ist sie es, der die Kamera unentwegt folgt. Der Schnitt (heimlicher Star des Films!) konzentriert sich immer wieder auf die vielen Gesichter Julia Hummers - auf die unaufdringlich eindringliche Tochter voller Melancholie und Lebenshunger, ein zu früh zerbrochenes Kind ohne Zukunft mit dem weisen Blick einer Greisin. Zufällig vom Titelblatt eines deutschen Magazins für den Film „Absolute Giganten“ entdeckt, hat Julia Hummer mit diesem Streifen einen recht sicheren Vertrag für eine erfolgreiche Zukunft unterschrieben. Richy Müller (Hans) und Barbara Auer (Clara) zeigen sich als meist leises, düster nervöses Paar voller Misstrauen gegen die Welt und ihre eigene Tochter. Auch um die Eltern charakterlich wirkungsvoll in Szene zu setzen, leisten Kamera und Schnitt hervorragende Arbeit. Durch den ausgeklügelten, oft rasanten Schnitt erklären sich ganze Sequenzen von selbst und wird ein Humor geschaffen, der keiner Worte bedarf. Bilge Bingül (Heinrich) ist eine kleine Entdeckung. Auf den ersten Blick nur der freundliche und liebenswerte Junge zum Knuddeln, beim näheren Hinsehen dabei durchaus gebrochen und voller Geheimnisse.
Zu guter letzt kann man jedem nur empfehlen, sich diesen wirklich wundervollen Film anzusehen. Speziell all denen (und ich schließe mich da nicht aus), die dachten, dass wird ja eh nix mehr mit dem ‚Deutschen Film’, sei „Die innere Sicherheit“ ans Herz gelegt.
Land
Jahr
2000
Laufzeit
115 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Pegasos Film
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