
Der Beruf des Lehrers
hat etwas Mythisches an sich. Auch wenn die wenigsten von uns tatsächlich
eine entsprechende Erfahrung während ihrer eigenen Schulzeit
gemacht haben, so scheint der Glaube an diesen einen begnadeten Erzieher,
der den Leben seiner Schützlinge eine entscheidende Wendung gibt,
doch nach wie vor anzuhalten. Kein Wunder also, dass auch Leinwand-Pädagogen
immer diese ganz besondere Gabe haben, aus ihren Schülern bessere
Menschen zu machen: Ob nun Robin Williams in "Der Club der toten
Dichter", Michelle Pfeiffer in "Dangerous Minds" oder
Richard Dreyfuss in "Mr. Holland's Opus" - Lehrer auf Zelluloid
sind immer in der Lage, ihren Schülern die wahren, wichtigen
Werte zu vermitteln.
Dies
ist auch das Bestreben von William Hundert (Kevin Kline), der an einem
weiteren der anscheinend zahllosen Elite-Internate in Neu-England
Mitte der 70er Jahre die Klassiker unterrichtet: In seinem Klassenraum
geht es ausschließlich um die alten Griechen und Römer,
ihre Geschichte, ihre Literatur, ihre Werte. Als ein devoter Verehrer
der hohen moralischen und ethischen Grundsätze dieser Herren
ist Hundert bestrebt, diese Grundsätze an seine Schüler
zu vermitteln, auf das aus den zukünftigen Führungsfiguren
integre und anständige Männer werden. Leicht ins Wanken
kommt die strikte Ordnung in Hunderts Klasse wie auch im gesamten
Internat durch - wie könnte es anders sein - einen aufmüpfigen
Burschen: Sedgewick Bell kommt als Sohn eines einflussreichen Politikers
an die Schule, mag sich jedoch gar nicht ans strikte Reglement halten,
verführt auch seine Kameraden mit einem Koffer voller Verbotenem
(von Porno-Magazinen bis zu kommunistischer Literatur) zu allerlei
Schabernack und scheint für Hunderts Werteorientierten Unterricht
gänzlich unempfänglich.
Auch
diesem jungen Rebellen seine traditionellen Ethikvorstellungen näher
zu bringen wird zur großen Herausforderung für Hundert.
Entscheidende dramatische Rolle spielt dabei ein alljährlich
an der Schule stattfindender Wettbewerb um den Titel des "Mr.
Julius Caesar", den der Schüler bekommt, der das umfassendste
Wissen über die römische Kultur beweist. Aus Gründen,
die hier nicht verraten werden sollen, wird dieser Wettkampf von Sedgewicks
Klasse 25 Jahre später unter der Leitung des inzwischen pensionierten
Mr. Hundert nochmals wiederholt, und um das Wie und Warum dieser Wiederholung
drehen sich alle entscheidenden Punkte von "The Emperor's Club".
Es wäre unfair, diese jetzt darzulegen, weil dann unweigerlich
alle zentralen Plotwendungen des Films offen gelegt werden müssten,
nur soviel: Durch wenige, komplexe Momente der Entscheidung gelingt
es "The Emperor's Club", alle wichtigen Dilemmata des Lehrerseins
aufzugreifen und nachdrücklich zu reflektieren. Was einen guten
Lehrer wirklich ausmacht, das ist hier die Kernfrage, und es zählt
zu den großen Leistungen des Films, keine allzu einfache Antwort
parat zu haben. Bedeutet das Scheitern in einem Einzelfall bereits
ein Scheitern insgesamt? Ist Hunderts Kampf für alte Werte nicht
ohnehin ein sinnloser, weil in der heutigen Welt einfach nicht mehr
zeitgemäß? Der mitdenkende Zuschauer wird hier viel dankbares
Diskussionsmaterial finden.
"The
Emperor's Club" bietet Drama auf hochmoralischer Ebene, voller
klassischer Konflikte und Motive, und ist in dieser Hinsicht fundamentaler
und tiefsinniger als das meiste, was man dieser Tage so im Kino zu
sehen bekommt. Gleichzeitig ist es aber auch gerade diese Verpflichtung
an traditionelle Werte, wie sie Hundert zu vermitteln versucht, die
es dem Film schwer machen wird, ein größeres Publikum zu
finden. Woran das liegt, weiß "The Emperor's Club"
indes auch: Hunderts Ethik wirkt in der heutigen Zeit wie ein Anachronismus
in einer Welt, die vom Egoismus und Machtstreben rückgratloser
Schaumschläger regiert wird, während die wahrlich großen
Männer im Hintergrund eine kleine Existenz fristen, und genau
dies muss der Lehrer selber erkennen. Doch die Botschaft ist klar:
Es ist nicht der Lehrer, der hier falsch tickt, sondern die Welt,
in der er lebt.
Trotz der bewundernswerten Komplexität seiner Hauptgeschichte
und eines wieder einmal schlichtweg fabelhaften Kevin Kline als Protagonist
muss sich "The Emperor's Club" dennoch ein paar Kritikpunkte
gefallen lassen, die zumeist an den Nebenplots hängen: die Rolle
von Hunderts love interest Elizabeth z.B. hätte man sich in dieser
Form komplett sparen können, da sie ohne größere Bedeutung
bleibt und lediglich ein unglückliches Abrutschen ins Konventionelle
darstellt. Und die enorme Wartezeit bis zu Hunderts erster bedeutungsvoller
Gewissensentscheidung stellt das Publikum auf eine bisweilen arge
Geduldsprobe, bis der Film dann endlich richtig ins Rollen kommt.
Nichtsdestotrotz: "The Emperor's Club" ist in seiner nachdenklichen Ruhe eine willkommene Abwechslung im schnellen und lauten Kinoalltag, und sichert seiner Hauptfigur den angestrebten Platz im Olymp der mythischen Leinwand-Pädagogen, bei denen man sich gedankenverloren sagt: Ja, so einen Lehrer hätte ich auch gerne gehabt.
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