Was wir hier vorliegen haben ist nicht weniger als die Verfilmung des "besten Jugendbuchs der letzten 50 Jahre". Einer Geschichte, die jedes Kind kennt und deren Buchvorlage auch fast jedes mindestens einmal gelesen hat. Wenn das den meisten nun trotzdem eher wenig sagt, dann liegt das daran, dass die eben gemachten Aussagen sich in erster Linie auf unser Nachbarland Niederlande beziehen. Dort gehört der "Brief für den König" tatsächlich zum Allgemeingut. Aber auch bei uns hat der Ritterroman der Autorin Tonke Dragt im Laufe der letzten Jahrzehnte einige Freunde gefunden. Um das gleich von vornherein klarzustellen: Zur aktuellen Schwemme der Fantasy- Literaturverfilmungen gehört "Der Brief für den König" nicht, denn er besitzt keinerlei phantastische Elemente. Keine Drachen oder Dämonen, keine Feen oder Zauberer. Das wäre an sich sicher auch eher nichts Negatives sondern könnte im Gegenteil sogar recht erfrischend sein, doch leider fehlt es diesem Film neben der phantastischen Komponente auch sonst noch an so Einigem. An ein paar dramatischen Storywendungen und Überraschungen zum Beispiel, denn im Grunde passiert tatsächlich nicht viel, außer dass der brave Tiuri halt so lange weiter reist bis er endlich seinen Brief übergeben und der Empfänger dann schließlich dessen eher wenig spektakulären Inhalt verkündet hat. Ansonsten gibt es nicht mehr viel zu sagen über eine Buchverfilmung, die von ihrem jungen Hauptdarsteller Yannick van de Velde auch nicht mehr als einigermaßen souverän getragen wird und die für die Freunde der Vorlage sicher nicht uninteressant ist und auch kein allzu großes Sakrileg darstellt, die aber für einen wirklich gelungenen und lohnenden Kinobesuch einfach deutlich zu wenig bietet.
Und worum geht's? Um die Erlebnisse des Schildknappen Tiuri, der in der Nacht seiner letzten Ritterprüfung gegen alle Regeln verstößt, um stattdessen einem tödlich verletzten Ritter zu Hilfe zu eilen. Dieser hat lediglich noch die Kraft, dem Jungen einen Brief zu überreichen, welcher eine gewaltige Bedeutung für die Zukunft gleich mehrerer zerstrittener Königreiche besitzt. Erreichen muss dieser Brief den König des Nachbarlandes Unauwen. Verfolgt von den feindlichen "Roten Reitern" macht sich Tiuri auf den gefahrvollen Weg.
Apropos "Spektakel" - es sollte dem potentiell Interessierten hier wirklich von vornherein bewusst sein, dass er da nicht viel erwarten darf. Da es den Holländern - verständlicherweise - eine Herzensangelegenheit war "ihren" Klassiker doch bitte selbst auf die Leinwand zu bringen, gilt es dann halt in Sachen Ausstattung und Produktionswert einige Abstriche gegenüber den gewohnten Hollywoodproduktionen zu machen. So bleiben die Menschenmassen auch bei großem Aufruhr stets überschaubar und das Ganze vermittelt eher den Look des rauen und ärmlichen Mittelalters, was ja aber sicher historisch gar nicht ganz so verkehrt sein dürfte. Es gelingt der Inszenierung aber leider nicht, die Defizite des schmalen Budgets durch besonderen Einfallsreichtum an anderen Stellen auszugleichen, wie man es doch in solchen Fällen dann gern mal erwartet.
Ganz nett und sympathisch, aber einfach ein ganzes Stück zu trocken und fast sachlich kommt dieses Abenteuer daher. Selbst geradezu dafür prädestinierte Momente werden dramaturgisch verschenkt oder laufen ins Leere. Das gilt z.B. für den vielleicht jämmerlichsten Abgang eines Hauptbösewichts in der jüngeren Filmgeschichte, der das Kunststück fertig bringt, sich einfach mal aus einer Höhe von gefühlten drei Metern völlig unnötigerweise zu Tode zu stürzen. Oder auf die Sequenz, in der unser Reisender irgendwann auf einen in einer unzugänglichen Berghütte lebenden Einsiedler trifft, der schließlich verkündet er sei der Zwillingsbruder des Königs von Unauwen, dessen Schloss ja das eigentliche Ziel seines Gastes darstellt. Aber wo man dann eine spannende Enthüllung der Familiengeschichte erwartet, eine geheimnisvolle Verbindung zwischendiesen beiden Charakteren, da bekommt man - nix. Abgesehen davon, dass beide Figuren vom gleichen Schauspieler dargestellt werden, kommt erstaunlicherweise überhaupt nichts mehr und man darf sich schon fragen, was das also dann überhaupt sollte. Für diese Doppelrolle verpflichtete man übrigens Rüdiger Vogler und für die eines weiteren Burgherren Uwe Ochsenknecht, ein offensichtlicher Tribut ans avisierte deutsche Publikum und sicher eine Gegenleistung für die deutschen Koproduzenten, denn so ganz alleine wollten oder konnten unsere niederländischen Nachbarn das Ganze dann letztendlich doch nicht stemmen.
Originaltitel
De Brief voor de Koning
Land
Jahr
2008
Laufzeit
107 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Zorro Film
Neuen Kommentar hinzufügen