Nach seinem überraschenden Erfolg "Nói albínói" ist Dagur Kári der nächste Wurf kürzer geraten. "Dark Horse", der mit den Werken des jungen Jim Jarmusch ("Down by Law") oder Aki Kaurismäki ("Der Mann ohne Vergangenheit") verglichen werden will, hat zwar zauberhafte Momente, wirkt aber zu oft planlos, um ein guter Film zu sein.
Daniel (Jacob Cedergren, "Stealing Rembrandt") verdient seinen Lebensunterhalt damit, für andere Leute Liebesbotschaften an Hauswände zu sprühen, und tankt Benzin tropfenweise. Sein Kumpel Opa (Nicolas Bro) träumt von einer Karriere als Schiedsrichter. Eines Tages sagt ihm die von Opa angebetete Bäckereiverkäuferin Franc (Tilly Scott Pedersen), dass sie ihn liebt, doch leider steht sie unter der Wirkung von Pilzen. Franc verliebt sich schnell in Daniel, der dadurch natürlich Probleme mit Opa bekommt. Und dann ist da auch noch ein Richter, der Daniel für sein Sprayen verurteilt, und sich gerade in einer existentiellen Sinnkrise befindet.
Nachdem Kári sich in "Nói albínói" auf seine Hauptfigur konzentrierte, hakt es in "Dark Horse" daran, dass er mehrere skurrile Charaktere entwarf, dann aber nicht ganz zu wissen schien, was er mit ihnen anfangen sollte. Die Geschichte des Richters, der verantwortungsloser wird, während Daniel sich zum verantwortungsbewussten Menschen entwickelt, ist vollkommen überflüssig. Kári sagte über die Handlung: "Unsere Aufgabe war es, einen originellen und energiegeladenen Film zu machen, der mehr das Potential jedes einzelnen Moments ausschöpft, als Sklave eines Plots oder einer vorgegebenen Struktur ist." Das hat er geschafft, aber ob dies wirklich so erstrebenswert war, sollte wohl der Zuschauer entscheiden. In diesem Film sieht man durchaus interessante Momente, wie die Kettensägen-Oma oder Elefanten vor dem Caféfenster, doch ob das einem reicht, ist Geschmackssache.
Hinzu kommt, dass zwar die vom Regisseur beabsichtigte Schwarz-Weiß-Sixties-Optik durchaus ihren Reiz hat, dafür aber nicht wirklich etwas mit den Figuren oder der Handlung zu tun. So ist hier anscheinend jeder Fetzen gemusterten, geblümten oder gestreiften Stoffes in ganz Dänemark irgendwann im Bild - am besten natürlich alle gleichzeitig. Das ist zwar in Schwarz-Weiß sehr hübsch anzusehen, doch auch dauerhaft etwas reizüberflutend, da man die Charaktere in lauter blumenbesetzter Streifigkeit erst einmal suchen muss. (Nur ein Tipp: Franc ist das sich bewegende, extrem gemusterte Ding im Vordergrund.)
Die Charakterentwicklung des erst sorglos durch seine Welt spazierenden Daniel ist leider recht fragwürdig. Nach einem Ausflug in spanische Landschaften ist plötzlich alles anders. Dem Zuschauer wird seine Entwicklung nicht erfahrbar gemacht, sondern vorausgesetzt, dass das ja so klar ist (wir haben es ja in anderen Filmen oft genug gesehen). Dies ist aber trotzdem entweder Faulheit oder Schlampigkeit auf der Seite des Regisseurs und Autors.
So ist "Dark Horse" ein Film, der an seiner eigenen abgehobenen Coolness kränkelt und nur für Fans skandinavischen Kinos zu empfehlen ist, da er Neulinge abschrecken dürfte. Denn nur weil ein Film visuell schick und mit skurrilen Figuren besetzt ist, muss er noch lange nicht der Kunstfertigkeit anderer skandinavischer Filme entsprechen.
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