"The Crow" - ein Film wie eine düstere Fieberphantasie. Sowohl kongeniale Adaptation des Comics von James O' Barr als auch eine der besten existierenden Comicverfilmungen - und einer der lyrischsten Actionfilme überhaupt. "The Crow" ist deswegen ein so großer künstlerischer Erfolg, weil er alles richtig macht, was Comicverfilmungen generell falsch machen. Zum Beispiel nimmt er sich selbst und seine Protagonisten ernst. Etwas anderes wäre bei dieser Vorlage zwar auch desaströs gewesen, aber in anderen Comicadaptionen - man denke da nur an "Batman & Robin" - wurde auf jegliche Ernsthaftigkeit vollkommen verzichtet, mit fatalen Folgen. Zum anderen stimmte austattungs- und produktionstechnisch alles: Der hier dargestellte Moloch Großstadt, in dem es nie aufhört zu regnen, ist denn auch fast das bessere Gotham City. Drittens ging es beim Casting nicht nur um ein paar große Namen auf dem Plakat, sondern man wählte vorsichtig ein Ensemble, welches den Film weit über vergleichbare Genreproduktionen erhebt. Und viertens ging der Film konsequent zur Sache - von der Auswahl der Musik bis zur Härte der Gewaltszenen. Dass der Film sich somit einer totalen Jugendfreigabe (höheren Zuschauerzahlen zum Trotz) widersetzte, und zu seinen blutigen, knallharten Ursprüngen stand, gefiel. Bedenkt man dann, wie lächerlich und kindisch die für Jugendliche entschärfte und jeglichen Reiz verlierende Welt von "Spawn" im Film dargestellt wurde - dann merkt man, dass hier richtige Entscheidungen gefällt wurden.
Die zwei wichtigsten, richtigsten und glücklichsten Entscheidungen gelangen allerdings mit der Wahl von Regisseur und Hauptdarsteller. Die Selektion eines aus der Videoclipbranche stammenden Regisseurs erwies sich hier als goldrichtig. Denn Debütant Alex Proyas war fähig "in Bildern zu denken", eine kinetische, actionreiche Bildsprache umzusetzen, die sich das Medium Comic und seine Mittel zu Nutze macht. Auch daran scheitern Comicverfilmungen: Comics wie ‚normale' Geschichten umsetzen zu wollen. Die besten Einstellungen in "The Crow" - und es gibt viele äußerst erinnerungswürdige Momente - erinnern dann an die Möglichkeiten des Ursprungsmediums Comic, meisterhaft adaptiert für das Medium Film. Die hauptsächlich in den Primärfarben Rot und Schwarz gehaltene Umgebung und die schattenträchtige, "Film Noir"-ähnliche Fotographie sorgen für Stimmung und Atmosphäre, die in den packendsten Momenten so dicht sind, wie es im Actionfilm (und nichts anderes ist dieses Rächerdrama) nur sehr selten zu finden ist. Und dies nicht nur in den Actionszenen, sondern gerade in den ruhigeren, lyrischen Momenten. Gleichzeitig kennzeichnet die extrem stilisierte filmische Umsetzung "The Crow" als ästhetisches Vorbild für Filme diverser Genres: Von "Sieben" bis hin zur "Matrix" ließ man sich vom expressiven Düsterlook der Stadt oder den Actionsequenzen inspirieren. Proyas zeigt sich hier als wagemutiger visueller Visionär und feilte in seinem Zweitwerk "Dark City" weiter an seinem Noir-Stil und seiner Idee von Alptraumstädten herum, wiederum mit äußerst beeindruckendem Ergebnis.
Zum Glücksgriff Proyas gesellte sich dann noch ein wesentlich größerer - allerdings mit tragischem Nachspiel. Hauptdarsteller Brandon Lees Unfalltod während der Dreharbeiten ist vielpubliziert und ebenso sehr zur Werbung missbraucht worden. Man benutzte die traurige Parallele zum frühen Tod seines Vaters Bruce oder strickte gar an Verschwörungstheorien, obgleich die so banale wie traurige Wahrheit war, dass jemand schlichtweg mit den Requisiten geschlampt hatte. Mythos der Familie Lee hin, fragwürdige Werbung her - die mit der Familie und Lees Verlobten getroffene Entscheidung, den fast abgedrehten Film zu vollenden, erweist sich als Glücksgriff. Das Klischee "Er hätte gewollt, dass wir weitermachen" traf hier wohl zu, wusste Brandon Lee doch am Besten, dass er mit dieser Rolle etwas ganz besonderes in der Hand hatte. Er mag vorher nur Unsinn gedreht haben und vielleicht ist seine Darstellung des Eric Draven sein einzig nennenswerter Beitrag zur Filmgeschichte - aber seine Leistung ist schlichtweg großartig. Den vielen Facetten der Figur wird Lee mehr als erstaunlich absolut gerecht und verleiht dem untoten Rächer eine tragische Aura, die durch die Begleitumstände im wirklichen Leben nur noch größer wurde. Eine Riesenperformance, ungeachtet aller Beigeschmäcker.
Auch die Nebenrollen stimmen bis ins Detail. Zugegebenermaßen, der aufrechte schwarze Cop und der dämonische Obergangster, dies sind im Grunde genommen wenig interessante Stereotypen, wandelnde Klischees. Aber Ernie Hudson und der wie immer vorzügliche Michael Wincott verleihen ihnen trotzdem Interesse und Glaubwürdigkeit. Gerade Wincott mit seinen langen Haaren und seiner Raspelstimme ist halt einfach der perfekte Bösewicht.
Die Geschichte selbst verläuft auch eher überraschungsarm den Konventionen entsprechend. Soll heißen: Der Rockstar Eric Draven kehrt ein Jahr, nachdem er und seine Verlobte auf brutalste Weise ermordet wurden, von den Toten zurück und macht den Mördern einem nach dem anderen den Garaus, bis diese seine Schwäche entdecken und Draven sich im finalen Kampf ebenbürtig stellen muss. Alles wie gehabt, aber derart mitreißend in Szene gesetzt, dass man "The Crow" auch das schematische und formelhafte verzeiht. Allerdings kommt man nicht umhin, das Ende als ein wenig problematisch anzusehen, aus zweierlei Gründen: Zum einen wirkt das (auch noch Schwert-) Duell Mann gegen Mann gegen den vorhergehenden Riesen-Shootout sowohl zu klassizistisch als auch ein wenig antiklimatisch. Andererseits darf man diese Sequenz nicht zu hart verurteilen, da hier deutlich wird, dass diese Szenen nach Brandon Lees Tod entstanden. Mittels Computeranimation und Body Doubles wurden sie vollendet, aber die vielen Totalen (in denen Eric Draven nur von weitem zu sehen ist) verraten die Wahrheit und sind gleichzeitig für den etwas statischen Eindruck dieses Duells verantwortlich. Kleinere Schwächen muss man also ob der Entstehungsgeschichte diesem Film auch verzeihen.
Von den Schwächen zurück zu den Stärken. Dazu gehört eindeutig auch der Soundtrack, der ebenfalls in gewissem Sinne stilbildend war. Während Rocksoundtracks vorher vornehmlich aus dem eher lieblosen Zusammenstellen von bereits veröffentlichter B-Ware bestanden, lieferten hier eine Auswahl der größten Alternative und Heavy Rock Bands entweder unveröffentlichte Tracks oder nahmen diese extra für den Film auf. Der dunkle, teils sehr harte Sound vereinte so unterschiedliche Bands wie The Cure, Violent Femmes und Rage Against The Machine und sorgte im Zusammenspiel mit Graham Revells wunderbarem, orchestralem Score für perfekte Untermalung. Dass das Soundtrackalbum ganz beiläufig zum Hit wurde, war da nur noch die Kür zum Pflichtprogramm.
Gleichzeitig der erste Geniestreich von Alex Proyas (von dem hoffentlich demnächst noch etwas kommt, "Dark City" ist jetzt schließlich auch schon fünf Jahre her) und das Vermächtnis von Brandon Lee, ist "The Crow" ein packendes Actiondrama, dessen stilistische Brillanz und gute Schauspielerleistungen ihn zum Kultfilm gemacht haben. Daher kann man "The Crow" ohne falsche Lobhudelei als modernen Klassiker bezeichnen.
Die "Special Edition" DVD:
Endlich ist "The Crow" nun auch auf DVD erhältlich, in einer um diverses Bonusmaterial ergänzten Special Edition, die mit einem recht schönen Hologramm auf der Hülle daherkommt.
Ganz wichtig bei diesem Film: Bild- und Tonqualität. Und Touchstone enttäuscht beim Transfer auf DVD nicht, liefert wie gewohnt exzellente Bilder. So werden auch die traditionell schwierigen und die hier konstant vorhandenen dunklen Passagen gemeistert; die bei Rückblenden eingesetzten grellen Farben sind kräftig und ausdrucksvoll und das Bild ist nahezu durchgehend scharf ohne erkennbare Verschmutzungen. Auch die Tonkulisse geht in Ordnung.
Schwierig wird es dagegen bei den Extras. Kurz gesagt: Der Fan der "Crow"-Welt wird hier fündig, zum Film selbst gibt es aber kaum gehaltvolle Beiträge. Was auch an einem Problem hinter den Kulissen liegt: Produzent Jeff Most überwarf sich mit Regisseur Alex Proyas und wollte nur noch als Leiter der "Crow"-Franchise fungieren, wenn Proyas beim Erstellen der DVD vollkommen ignoriert wird. Da "The Crow" damals noch als gewinnträchtige Franchise angesehen wurde (nach dem hundsmiserablen Sequel und dem nur noch auf Video erschienenen dritten Teil ist die Serie allerdings - und Gott sei dank - beendet), gab man Most nach, und dies sieht man der Special Edition an, leider im negativen Sinne.
So gibt es z.B. einen Audiokommentar von eben jenem Herrn Most (sowie einem der Drehbuchschreiber, der aber kaum wirklich zu Wort kommt), in dem dieser dann seine eigenen Verdienste anpreist und über die grandiose Regiearbeit von Alex Proyas etwa dreieinhalb Worte verliert. Insgesamt eine eitle Selbstbeweihräucherung und ein lahmer Track ohne großartigen Unterhaltungs- oder Erkenntniswert.
Auch der Gehalt des etwa 16-minütigen Making Of ist eher gering, da dieses zu hochglanzpoliert und auf Werbezwecke ausgerichtet erscheint. Zwar kommen im üblichen "talking heads"-Stil diverse Beteiligte zu Wort, man ergeht sich aber in Oberflächlichkeiten.
Tiefgehender da dann schon das halbstündige "Porträt" des Schöpfers von "The Crow", James O'Barr, realistischerweise ein sehr statisches Interview, bei dem man für über 30 Minuten einem redenden Kopf zusehen darf. O'Barrs Ausführungen zum Ursprung und dem Realbezug der "Crow"-Geschichte sind hochinteressant, andererseits kommt der Comiczeichner selbst eher arrogant und unfreundlich daher und dem Feature hätte etwas mehr optische Abwechslung gut getan.
Interessantester Fund für Fans sind die drei erweiterten Szenen. Hier sieht man z.B. in "Funboys letzter Kampf", woher Eric Draven die mit Klebeband verbundenen Wunden hat (etwas, das in der Endfassung des Films nicht erklärt wird). Die "Montage geschnittener Szenen" ist allerdings eine Mogelpackung, denn hier fügte man lediglich Outtakes und Material aus den erweiterten Szenen zusammen. Einzig ein paar kurze Szenen mit dem Charakter des "Skull Cowboy", der in frühen Produktionsphasen im Film enthalten war, sind hier von Interesse.
Dazu kommt dann noch eine recht schöne aber kurze Sektion mit Entwürfen des Filmsets (13 Bilder) sowie die Storyboards von fünf Szenen, die teilweise grandios krude gezeichnet sind.
Was also ist von der "Special Edition" von "The Crow" zu halten? Wer diesen modernen Klassiker noch nicht in der heimischen Sammlung hat, kann hier gefahrlos zugreifen, denn die Qualität des Films selbst ist unangefochten und Bild- und Tonqualität sind sehr gut. Nur bei den Extras gilt es, Abstriche zu machen. Zwar gibt es Masse, aber nicht überall Klasse. Für den gewöhnlichen Filmfreund geht das Extrapaket in Ordnung, wirkliche Fans könnten aber ob der angesprochenen Schwächen durchaus enttäuscht sein. Und bei dem doch recht hohen Preis von ca. 30 Euro können diese Extras dann auch nicht bedenkenlos als Verkaufsargument herangezogen werden.
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