
Die späte zweite Karriere des Liam Neeson als Action-Star dauert nun bereits knapp zehn Jahre an und die Ermüdungserscheinungen beim Bemühen, das Erfolgsrezept von „96 Hours“ immer wieder zu variieren, sind nicht zu übersehen. Auch mit Regisseur Jaume Collet-Sera arbeitet Neeson nun bereits zum vierten Mal innerhalb weniger Jahre zusammen, wobei gerade diese Kooperationen bisher durchgehend zu überzeugen wussten. Neben der bittersüßen Schilderung einer tödlichen Männerfreundschaft in „Run all Night“ ist Collet-Sera ansonsten der Spezialist für verschachtelte Thriller, bei denen seine Hauptfigur (also stets Neeson) in eine genauso undurchschaubare wie vermeintlich aussichtslose Situation gerät. Das ergab mit „Unknown Identity“ und „Non-Stop“ zwei äußerst spannend und clever inszenierte Filme, doch für „The Commuter“, dem neuesten Beitrag dieser inoffiziellen Reihe, gilt das nun leider nicht mehr. Denn der läuft doch in diversen Bereichen ziemlich aus dem Ruder.
Aus Liebe und Rücksicht für die Familie hat Michael MacCauley vor ein paar Jahren seinen Job bei der New Yorker Polizei aufgegeben und geht seitdem einem weitaus monotoneren Job bei einem Versicherungsmakler nach. Doch dort setzt man ihn eines Tages völlig unerwartet vor die Tür, was Michael bei einem gemeinsamen Bier mit seinem Ex-Polizeipartner Murphy (Patrick Wilson) verdaut, bevor er sich auf den Heimweg mit dem Vorortzug macht, den er so lange täglich genutzt hat. Dort trifft er neben vielen altbekannten Dauergästen aber diesmal auch auf eine fremde Frau (Vera Farmiga), die ihm ein unmoralisches Angebot macht: Er soll im Zug eine Person namens „Prynne“ finden und markieren. Für diese Kleinigkeit erhält er 100.000 Dollar und muss sich um nichts weiter kümmern. Michael nimmt den Vorschlag zwar nicht wirklich ernst, den Umschlag mit dem Geld aber trotzdem erst mal an. Nicht ahnend, dass er damit einen Pakt eingegangen ist, aus dem er und auch seine Familie nicht mehr so leicht herauskommen werden.
Inmitten einer zu Beginn wieder sehr stimmigen Atmosphäre, bei der sich die Hauptfigur in einer ihr äußerst vertrauten Umgebung immer wieder von unheilschwangeren Anzeichen einer Bedrohung umgeben sieht, entfaltet sich eine Story, die einen zunächst durchaus packt. Obwohl man als erfahrener Zuschauer natürlich schnell ahnt, dass die geheimnisvolle Fremde keinesfalls scherzt, sondern das ganze bitterer Ernst ist, macht es Spaß dabei zuzusehen wie auch die Figur von Liam Neeson dies langsam erkennt, wenn ihr klar wird, dass die mysteriösen Hintermänner offenbar jede seiner Aktionen beobachten und auch sekundenschnell eingreifen können, wenn er versucht sich bei anderen Passagieren bemerkbar zu machen oder Hilfe von außen zu holen. Man begreift wie vertraut dem „Pendler“ diese Umgebung ist, wie gut er die Gegebenheiten, aber eben auch viele der täglich immer gleichen Passagiere und Bediensteten kennt – was ja auch der Grund ist, warum man gerade ihn und seine immer noch vorhandene Spürnase ausgewählt hat um eine bestimmte Person zu identifizieren, die eben sonst nicht mit ihm im Zug sitzt.
Es dauert aber gar nicht so lange bis sich beim Betrachter ein anderes Gefühl einstellt. Nämlich das, hier ein bisschen veralbert zu werden. So allwissend und übermächtig scheinen irgendwann die Gegner, so vorausschauend wird von diesen jede von Michaels Aktionen gekontert, dass man sich fragt wozu diese Puppenspieler ihn überhaupt benötigen. Wenn der Grund für den ganzen Aufwand und die groß angelegte Verschwörung dann zur Mitte des Films enthüllt wird, wirkt der Anlass für die blutige Schnitzeljagd dann fast schon banal. Die gestaltet sich zunehmend absurder, die Handlungen der einzelnen Akteure werden immer unglaubwürdiger, und einige Zeit nachdem Liam Neesons Charakter gelernt hat die Situation ernst zu nehmen kann man das als Zuschauer leider nicht mehr. Auch für die unvermeidliche Enthüllung eines „unerwarteten“ Bösewichts kommt sehr schnell eigentlich nur noch eine Figur in Frage, und wer errät um wen es sich dabei handelt darf sich darauf wirklich nicht allzu viel einbilden. Dessen Masterplan ergibt dann jedoch auch rückblickend nur wenig Sinn und ist gespickt von Logiklöchern und Unwahrscheinlichkeiten.
Es wirkt dann auch fast wie ein verzweifelter Versuch, die sich haarsträubend entwickelnde Handlung mit optischen Schauwerten zu übertünchen, wenn sich dann zum Finale eine Actionszene an die nächste reiht und der Zug dank einiger bombastischer, aber nur mittelprächtig umgesetzter CGI-Effekte schließlich genauso entgleist wie der Film an sich. Nein, das war diesmal einfach nichts, wobei es nicht so ist, dass man dem „Rätselthriller-Experten" Jaume Collet-Sera dafür die alleinige Schuld in die Schuhe schieben kann, zeichnet der doch hier nicht für das missglückte Drehbuch verantwortlich. Für das Gesamtergebnis und auch die überzogene Inszenierung im letzten Drittel aber natürlich schon und es wirkt halt, als sei die Luft nun wirklich langsam raus aus der Masche mit den zunehmend formelhafter werdenden Action-Thrillern des Liam Neeson.
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