Sie gelten als zwei der herausragenden künstlerischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: Die französische Modeschöpferin Coco Chanel und der russische Komponist Igor Stravinsky. Dass die beiden sich kannten und sogar eine leidenschaftliche Affäre miteinander hatten, wissen nur wenige. 2002 veröffentlichte der britische Autor Chris Greenhalgh seinen Roman "Coco & Igor", in dem er die Liebesgeschichte der beiden erzählte und sich dabei auf einige historische Fakten stützte, diese aber natürlich mit vielen erfundenen Details anreicherte. Auf der Grundlage seines Romans schrieb Greenhalgh auch das Drehbuch, das von Jan Kounen ("39,90") verfilmt wurde. Bereits im letzten Jahr war "Coco & Igor" als Abschlussfilm der Filmfestspiele in Cannes zu sehen. Der Film beginnt am Abend des 28. Mai 1913. Im Théâtre des Champs-Élysées in Paris findet die Uraufführung von Stravinskys (Mads Mikkelsen) Ballett "Die Frühlingsweihe" statt, bei der auch Gabrielle "Coco" Chanel (Anna Mouglalis) im Publikum sitzt. Die Aufführung des von den meisten Anwesenden als zu modern und radikal empfundenen Stücks gerät zum Skandal; die Zuschauer sind empört und machen ihrem Ärger in lauten Ausrufen Luft, tumultartige Szenen spielen sich im Saal ab. Coco Chanel jedoch ist von dem Stück und dessen Komponisten fasziniert. Doch erst sieben Jahre später lernen sich Chanel und Stravinsky näher kennen. Coco Chanel, inzwischen erfolgreich und wohlhabend, bietet dem Komponisten, der zu dieser Zeit in ärmlichen Verhältnissen in Paris lebt, an, zusammen mit seiner Familie für einige Zeit in ihrer Villa zu wohnen, um dort ungestört an seinen Kompositionen arbeiten zu können. Stravinsky nimmt das Angebot an und zieht mit seinen vier Kindern und seiner an Tuberkulose erkrankten Ehefrau (Elena Morozowa) in Chanels Villa. Dort kommen sich die Modeschöpferin und der Komponist allmählich immer näher und es entwickelt sich eine zunächst geheime Affäre zwischen ihnen. Jan Kounens Film ist inhaltlich quasi das Sequel zum letztes Jahr in den Kinos gelaufenen "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft". Beiden Filmen gemeinsam ist, dass sie jeweils eine ganz bestimmte Phase aus Chanels Leben herausgreifen, um diese detailliert zu erzählen. Während der erste Film sich ganz auf die frühen Jahre der Modeschöpferin vor ihrem großen Durchbruch konzentrierte und zeigte, wie aus ihr eben die Coco Chanel wurde, handelt "Coco & Igor" also ganz von der Beziehung Chanel-Stravinsky. Und auch in diesem Fall erweist sich die Konzentration auf einen begrenzten Zeitraum und ein klar abgestecktes Thema als eine gute Entscheidung. Da hier gar nicht erst versucht wird, die gesamte Biographie der Coco Chanel mit all ihren Höhen, Tiefen und Widersprüchlichkeiten in zwei Stunden auf der Leinwand zusammenzufassen, kann der Film schon mal nicht an der Überladenheit und Überambitioniertheit scheitern, die vielen Biopics eigen ist. Wobei es hier andererseits ja auch nicht nur um Coco Chanel geht, sondern - wie es der Titel eben schon sagt - mindestens genauso sehr um Igor Stravinsky. Anna Mouglalis spielt Coco Chanel wenig überraschend noch ein ganzes Stück kühler und verschlossener, damit aber auch noch geheimnisvoller als die rehäugige Audrey Tautou. Mouglalis' Coco ist eine zielstrebige Karrierefrau, die hart für ihre Träume gekämpft hat und längst weiß, wie sie ihre Vorstellungen in die Wirklichkeit umsetzen kann. Bereits in ihrer ersten Szene ist sie mit der charakteristischen Zigarette in der Hand zu sehen und der immer etwas streng wirkende Blick täuscht anfangs darüber hinweg, dass diese Frau mehr ist als "nur" die Gründerin und treibende Kraft hinter einem aufstrebenden Modeimperium, sondern eben auch Privatperson mit menschlichen Sehnsüchten und Leiden. Mads Mikkelsen ("Nach der Hochzeit", "Casino Royale") spielt Igor Stravinsky hier als zurückhaltenden, fast scheuen Zeitgenossen, lässt aber in seiner Mimik und Körpersprache immer wieder durchblicken, dass auch unter seiner Oberfläche die unterschiedlichsten Gefühle darauf warten, herausgelassen zu werden, wofür ihm meist nur die Musik als Ventil dient. Die Bilder, die Jan Kounen dafür findet, sind keine bunten und machen aus "Coco & Igor" einen überwiegend dunklen Film, der in seiner strengen Nüchternheit ein wenig an das typische Schwarz der Chanelschen Modekreationen erinnert. Lediglich im Mittelteil der Geschichte führt dies dazu, dass sich der Film zeitweise doch ein wenig in die Länge zieht; ansonsten bewahren ihn die sehr guten schauspielerischen Leistungen davor, in düstere Langsamkeit zu verfallen. Mit Kounens Vorgängerfilm "39,90" hat dieser hier trotzdem so gut wie nichts gemeinsam; der grelle, laute und bisweilen hektische Inszenierungsstil der Satire auf die Pariser Werbewelt weicht in "Coco & Igor" einer meist kühlen Atmosphäre der unterdrückten Leidenschaften. |
Neuen Kommentar hinzufügen