Hach, die gute Audrey Tautou hat es ja nicht einfach.
Acht Jahre ist es nun her, dass sie als "Amelie"
die Herzen von Kinogängern auf der ganzen Welt verzauberte,
und immer noch hat man sie nur als die Tagträumerin aus Paris
in Erinnerung, und jedesmal, wenn man sie in einer anderen Rolle
sieht, vergleicht man sie doch wieder mit der Paraderolle. Dabei
hat Tautou
in Filmen wie "Wahnsinnig verliebt", "Liebe um jeden
Preis" und "Zusammen ist man weniger allein" ja durchaus
bewiesen, dass sie auch anders als nur niedlich kann.
Vielleicht wird es ja mit diesem Film was mit dem Imagewechsel,
denn als burschikose und immer ernste Gabrielle "Coco"
Chanel hat sie nicht viel mit Amelie Poulain gemeinsam. Wie der
Originaltitel schon sagt, handelt es sich bei dieser Biographie
allerdings nur um einen Teilabschnitt des Lebens der legendären
Designerin, nämlich dem vor ihrer Berühmtheit als erste
Frau im Modebusiness und als eine der stilistisch einflussreichsten
Designer. Coco Chanels von Männermode inspirierte und spartanische,
oft monochrome Kostüme revolutionierten die Idee, wie frau
sich zu kleiden hatte. Aber vor all dem steht ja noch ihre schwere
Kinder- und Jugendzeit und die oft unglücklichen Jahre bis
zum Durchbruch.
All
das bringt uns nun "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft",
der damit beginnt, dass die junge Gabrielle und ihre Schwester von
ihrem Vater in einem Waisenhaus abgeliefert werden und ihn nie wieder
sehen. Von dort springt der Film dann fünfzehn Jahre vorwärts,
zu Coco und ihrer Schwester Adrienne (Marie Gillain), die sich ihren
Lebensunterhalt mehr schlecht als recht als Näherinnen verdienen
und sich abends mit frivolen Chansons in Spelunken ein Zubrot verdienen.
Dort lernen sie auch Abend für Abend amüsierfreudige Offiziere
kennen. Während sich Adrienne von einem aristokratischen Offizier
Liebe und Ehe versprechen lässt, hat es der Lebemann Etienne
Balsan (Benoît Poelvoorde) mit Gabrielle schon schwieriger.
Die lässt sich nicht auf eine billig zu haltende Mätresse
reduzieren, ist aber bald doch gezwungen, auf Balsans Anwesen unterzukommen.
Dort lernt sie allerdings auch bald Balsans Freund Arthur "Boy"
Capel (Allessandro Nicola) kennen...und lieben.
Der Trend 2009 geht zu Coco Chanel. Und damit meinen wir nicht
die Haute Couture oder das zu tragende Parfüm dieser Saison,
sondern durchaus cineastisch. Denn neben dieser Coco Chanel-Biographie
wurde im Heimatland Frankreich nur wenige Wochen später in
Cannes
die nächste Chanel-Biographie, Jan Kounens "Coco Chanel
& Igor Stravinski" präsentiert, die bei uns wohl irgendwann
2010 (vielleicht) auf den Leinwänden zu sehen sein wird und
quasi direkt an diesen Film anschließt. Dieser erste Streich
macht es dem inhaltlichen Nachfolger gar nicht so einfach, denn
Anne Fontaines Film stellt einen gelungenen Einblick in den Werdegang
der Coco Chanel dar, bevor diese die Coco Chanel wurde.
Der bei weitem interessanteste und auch überzeugend umgesetzte
Aspekt ist dabei tatsächlich, wie aus Gabrielle Chanel "Coco"
Chanel wurde und wo sie sich die Inspiration zu ihren damals völlig
neuartigen Kreationen holte. Klar, die Männergeschichten mit
dem von Benoit Poelvoorde genial gespielten Balsan - der sich als
heimliches emotionales Zentrum des Films erweist - und dem von Allessandro
Nivola charmant dargestellten Boy Capel stehen im Vordergrund. Aber
genau so wichtig sind die Szenen in der Normandie, wo Coco sich
von den zum ersten Mal gesehenen Fischern dort den Maritimlook ihrer
späteren Kreationen abschaut; wie sie in einem schlichten schwarzen
Kleid ohne Korsett - damals natürlich ein Ding der Unmöglichkeit
- auf einer Party allen wie Weihnachtsbäume behängten
feinen Damen die Schau stiehlt oder aber sich von den an Capel geliebten
Hemden zu ihrer distinktiv maskulinen Damenmode inspirieren lässt.
Geschickt auch, dass der Film immer die Balance bewahrt und Chanel
nicht populistisch als Wonder Woman ihrer Zeit präsentiert.
Sie mag Generationen von nachfolgenden Frauen vom Korsettzwang befreit
haben, aus dem Korsett der Konventionen aber hat sich auch Coco
Chanel nicht immer befreien können.
Die
emotionalen Liebes- und Leidensgeschichten rund um Coco Chanel sind
etwas weniger neuartig als ihre Mode, hier geht es doch zu, wie
man es in Filmen zu der Epoche schon öfters gesehen hat. Fast
fühlt man sich gar in die jovialen Gesellschaftsdramen eines
Theodor Fontane - oder dem Lande entsprechend eher Victor Hugo -
zurückversetzt, so sehr wimmelt es hier von Grisetten und Kokotten,
von Liebeleien und Vernunftehen, von Landpartien und Kostümfesten.
Das ist immer wunderbar ansehbar, wenn auch nicht immer innovativ,
aber was soll man auch machen: unglückliche Liebe über
die Stände hinweg ist eben ein so klassisches und mittlerweile
abgegrastes Thema, dass ein leichtes Deja Vu wohl unvermeidlich
ist.
Die Schauwerte sind hier zumindest wie zu erwarten hoch, die Handlung
durchaus mit kleineren Storyhäkchen (aber auch nur Häkchen)
versehen und die Schauspieler mit Tautou an der Spitze überzeugend
bei der Sache. Genug Gründe also, diesen interessanten Film
über eine interessante Frau nicht nur Chanelfanatikern oder
angehenden Modedesignern zu empfehlen, sondern jedem, dem der Sinn
nach intelligent gemachter, klassischer Kinounterhaltung steht.
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