Es beginnt mit einem Abschied. Denn für den jungen Christopher Robin ist die Zeit gekommen langsam erwachsen zu werden und sich dem Ernst des Lebens zu stellen. Und so sitzt er hier zu Beginn der Geschichte zum letzten Mal mit seinen tierischen Freunden aus dem Hundert-Morgen-Wald zusammen und sagt schließlich Tigger, Piglet und vor allem dem Bären Winnie Puuh lebewohl. Und ernst wird es fortan in der Tat werden für den erwachsenen Christopher (Ewan McGregor), denn der findet zwar eine Frau (Haley Atwell) und gründet auch eine Familie, doch schon bald nehmen ihn der Beruf und diverse andere Verpflichtungen so sehr in Anspruch, dass er kaum noch Zeit für seine Frau und die Kinder findet. Als Christopher eines Wochenendes verbittert darüber grübelt, wie er bloß die Einsparungspläne seines Vorgesetzten umsetzen soll ohne dabei seine Kollegen entlassen zu müssen, taucht jedoch plötzlich Winnie Puuh wieder bei ihm auf. Denn im Hundert-Morgen-Wald scheint etwas Unheimliches vorzugehen und alle anderen Bewohner sind auf einmal verschwunden. Christopher muss sich schließlich entscheiden, ob er seinen Verpflichtungen in der realen Welt nachkommen oder doch lieber seinen alten Freunden helfen will.
Es wird gerade ziemlich düster in Sachen Kinofilmen zur Disney-Franchise „Winnie Puuh“. Wenn gleich zwei Filme zu einem Thema praktisch zeitgleich herauskommen ist das meist für mindestens einen davon das kommerzielle Todesurteil, dieses Mal ist gar keinem von Beiden ein allzu großer Publikumszuspruch vergönnt. Beide widmen sich dabei weniger dem putzigen Bären, sondern tragen die menschliche Hauptfigur im Titel, und beide gehen recht melancholisch-traurig an ihre Geschichte heran. Während der (nicht vom Disney-Konzern produzierte) „Goodbye Christopher Robin“, der die Auswirkungen des Ruhms einer literarischen Figur auf deren reale Inkarnation zum Thema hatte, fast komplett vom Publikum ignoriert wurde, wirft Disney für die hauseigene Variante natürlich ein bisschen mehr Marketing-Macht ins Feld, blieb auch damit aber - zumindest in den USA – weit hinter den Einspielergebnissen sonstiger Live Action-Adaptionen seiner Cartoon-Figuren zurück. Und das kann auch nicht überraschen, wenn man sieht wie deprimierend sich dieser „Christopher Robin“ über weite Strecken anfühlt.
Ist die Traurigkeit zu Beginn noch eine melancholische, die irgendwo für alle Beteiligten auch einen Aufbruch symbolisiert, so legt sich danach für mindestens eine weitere Dreiviertelstunde eine allgegenwärtige Frustration über das Geschehen, die es dem Betrachter wahrlich nicht leicht macht. Frust beim erwachsen gewordenen Christopher, der die Eskapaden und Rücksichtslosigkeit seines Chefs ausbaden muss, Frust bei Frau und Kindern, die vergeblich um seine Zeit und Aufmerksamkeit ringen. Und Frust auch bei Winnie Puuh, der seinem früheren Freund nachtrauert. Die visuelle Umsetzung passt sich dieser emotionalen Tristesse ebenfalls an und legt über das in der Nachkriegszeit angesiedelte Geschehen eine Art Grauschleier. Die Büros sind muffig, die Straßen neblig und die Farben allgemein sehr blässlich. Einfach eine sehr graue Welt, und man fragt sich dabei schon, wie diese Inszenierung und vor allem die Alltagsprobleme eines erwachsenen Büromenschen bei dem doch sicher als Zielgruppe angepeilten jungen Publikum ankommen sollen. Denn das muss sich bis zum Finale begnügen, bevor es dort endlich mit etwas Action und auch Slapstick beglückt wird, wenn es schließlich zu einen großen Verfolgungsjagd durch die Straßen Londons kommt.
Bis dahin kann man sich fast nur an den immerhin liebevoll animierten Charakteren aus dem berühmten Wald erfreuen, an den mit einer naiven Weisheit versehenen Sätzen des Bären Puuh und vor allem an den oft wirklich witzigen Kommentaren des ewig schlecht gelaunten und herrlich sarkastischen Esels I-Aah. Die menschlichen Darsteller haben dagegen so gut wie keine Chance aus ihren nur wenig ausgearbeiteten Rollen viel herauszuholen, auch ein Ewan McGregor und eine Haley Atwell nicht. Zudem ähnelt die Geschichte vom erwachsenen gewordenen Jungen, der sich weit von den Freunden der fantasievollen Welt seiner Kindheit entfernt hat, natürlich stark dem Spielberg-Film „Hook“, in dem Robin Williams einst eine ältere Version von Peter Pan gab. Das war zwar ebenfalls beileibe kein perfekter, aber doch ein deutlich unterhaltsamerer Film, in dem auch zumindest einiges an Spektakel geboten wurde. Auch im Vergleich dazu ist dieser „Christopher Robin“ in seiner gesamten Erscheinung einfach eine ziemlich traurige Angelegenheit
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