"Catwoman" ist ein Film aus einem parallelen Universum. Einem Universum, in dem "Batman & Robin" nicht den Tief-, sondern den Höhepunkt im Genre der Comicverfilmungen darstellt. Ein Universum, in dem es "X-Men", "Spiderman" und alle anderen dem Original mit Respekt begegnenden Comic-Adaptionen nie gegeben hat, und ergo nie jemand begriffen hat, dass Comic-Vorlagen mehr bieten als schrille Figuren in lustigen Kostümen, sondern auch komplexe Charaktere in ebensolchen Geschichten. Und ein Universum, in dem man Halle Berrys erniedrigenden Auftritt als fleischgewordene Lack-und-Leder-Männerphantasie als emanzipatorischen Meilenstein der Frauenbewegung verkaufen kann.
Die Figur Catwoman entstammt der Welt von Batman, und wurde als seine Gegenspielerin in "Batman Returns" bereits von Michelle Pfeiffer verkörpert. Wie viele populäre Nebenfiguren erfolgreicher Superhelden-Serien bekam auch Catwoman ihre eigene Comic-Reihe - die durchaus Substanz und Material für eine Verfilmung geboten hätte. Das war den Machern von "Catwoman" allerdings ziemlich egal, denn die saugten sich lieber eine neue Geschichte aus den Fingern ihrer scheinbar hirnlosen Körper, die so weit weg von der Vorlage ist, dass nicht mal die Hauptfigur denselben Namen trägt. Statt Selina Kyle heißt sie nun Patience Philips und ist eigentlich ja Künstlerin, hat aber stattdessen einen Sklavenjob als Werbedesignerin im Kosmetikkonzern des schleimigen Widerlings George Hedare (Lambert Wilson, der Merowinger aus den "Matrix"-Sequels) und seiner Frau Laurel (Sharon Stone, auf ihrem langen Abstieg auf der Karriereleiter inzwischen vollständig im Trash-Bereich angekommen). Die wollen in Kürze ihre neue Wunderhautcreme auf den Markt bringen, welche Hautalterung nicht nur aufhält, sondern rückgängig macht - und nebenbei noch Kopfschmerzen und Übelkeit verursacht, süchtig macht und bei ausbleibender Anwendung das Gesicht zerfrisst. In diesem Paralleluniversum scheint es weder die Stiftung Warentest noch sonstige Institutionen zum Verbraucherschutz zu geben, den außer den nicht vorhandenen Skrupeln von Hedare scheint es nichts zu geben, was die Markteinführung solch eines Produktes verhindern kann. Das kann auch Patience zunächst nicht, nachdem sie zufällig auf das Geheimnis des Wundermittels gestoßen ist, denn wenige Minuten später ist sie tot - als ungewollte Mitwisserin aus dem Weg geräumt. So ein Glück, dass sie vor kurzem ein streunendes Exemplar einer mythischen alt-ägyptischen Katzenrasse retten wollte - denn dieser Vierbeiner haucht ihr nicht nur neues Leben ein, sondern auch alle anderen Eigenschaften einer Katze.
Und so springt Halle Berry im Folgenden agil und auf allen Vieren durchs Bild, balanciert elegant auf Fenstersimsen, frisst dosenweise Thunfisch, und scheint das alles relativ unbekümmert hinzunehmen. In anderen, guten Superhelden-Filmen ist es integraler Bestandteil der Charakterentwicklung, dass Held bzw. Heldin ihre Fähigkeiten erst akzeptieren und verstehen lernen müssen. Nicht in diesem Parallel-Universum: Patience Philips kommt mit der neuen Schizophrenie ihrer Persönlichkeit so hervorragend klar, dass sie sich einfach gar keine Gedanken darüber macht, und stattdessen gleich die bösen Buben und ihre fiese Hautcreme jagt, wenn sie nicht gerade mit dem Polizisten Tom Lone (Benjamin Bratt) flirtet. Dafür hat sie auch reichlich Gelegenheit, denn der ist zeitgleich auf der Jagd nach der vermeintlichen Verbrecherin Catwoman, und überall wo sie auftaucht, ist auch Lone nicht weit. In diesem Parallel-Universum vergehen nämlich nicht mehr als zehn Sekunden zwischen einem Notruf und der Ankunft eines halben Dutzends Polizeiwagen am Tatort, und Tom ist immer, aber auch wirklich immer dabei. Man könnte glatt vermuten, dass die Polizei im Universum von "Catwoman" über eine geheime Beam-Maschine verfügt - vielleicht eine Storyidee für die Fortsetzung?
Hirnloser als diese könnte sie auch nicht ausfallen, was im Übrigen für den ganzen Film gilt. Im "Catwoman"-Paralleluniversum scheinen Filmcrews nach dem Prinzip zu arbeiten, dass ihre schlechteste Leistung gerade gut genug ist, denn hier ist wirklich alles ein Desaster: Das Drehbuch springt ebenso katzengleich wie zusammenhanglos von Schauplatz zu Schauplatz und produziert mehr Anschlussfehler als die deutsche Telekom. Regisseur Pitof wähnt sich in seinem maßlos übertriebenen Eifer nach einer flotten Inszenierung mehr in einem Computerspiel als in einem Kinofilm und wird dabei nach Kräften unterstützt von einem Filmschnitt, der anscheinend das Unmögliche zu leisten versucht, in dem er in manchen Actionszenen mehr Einstellungswechsel als Bilder pro Sekunde unterbringt. Die umfangreichen Computeranimationen vor allem von der umherspringenden Catwoman sind nicht nur noch zahlreicher, sondern auch noch schlechter als im ersten "Spiderman"-Film. Die Darsteller-Riege läuft ohnehin komplett auf Autopilot, zu sehr damit beschäftigt die nagenden Selbstvorwürfe zu unterdrücken, dass man sich nur des schnöden Geldes wegen für diese Beleidigung eines jeden Kinozuschauers bereitgestellt hat. Einzige rühmliche Ausnahme von der allgemeinen Talentverweigerung: Alex Borstein, die als Patiences beste Freundin Sally zumindest zeitweise ein bisschen Schwung und Esprit in diese Katastrophe bringt.
Die bodenloseste Frechheit an "Catwoman" ist jedoch genau das, was nach Meinung der Produzenten ausreichen sollte, um das 85 Millionen Dollar-Budget locker wieder einzuspielen: Die Arsch-und-Titten-Fetisch-Show, für die sich Halle Berry hier verkauft hat. Wie nicht anders zu erwarten, ist ihr lederner Catsuit dem feuchten Traum eines spätpubertierenden Kostümbildners entsprungen, dessen notgeile Begeisterung von Regisseur Pitof vollkommen geteilt wird: Der kann sich gar nicht satt sehen an Berrys tiefem Push-Up-Ausschnitt, und in jeder der zahllosen Szenen, in denen sie "sinnlich" vor der Kamera herstreift, meint man fast die Regieanweisung aus dem Off hören zu können: "Mehr, Halle! Du musst mehr mit dem Arsch wackeln! Jaaaaa!".
Hochgestochene Floskeln wie "Degradierung der Frau zum reinen Lustobjekt" braucht man da gar nicht schöngeistig in den Mund zu nehmen: "Catwoman" ist nichts mehr als eine verklemmte Wichsvorlage, die nicht mal das bisschen Anstand hat, dies auch zuzugeben. Mit einer unfassbaren Dreistigkeit (verpackt in ebenso unfassbar schlechte Dialoge) versucht der Film stattdessen, sich als Mär von der sich emanzipierenden und ihr wahres Ich findenden Frau zu verkaufen - eine bodenlose Heuchlerei, die ironischerweise auch noch von amerikanischen Frauenverbänden unterstützt wird: Die riefen diesen ersten Superheldinnen-Blockbuster zum großen Schritt für die Frauen in der Filmindustrie aus und forderten alle Aktivistinnen zum mehrfachen Kinobesuch auf. Die haben sich das, nach erfolgter Betrachtung des vermeintlichen Feminismus-Mahnmals, dann wohl sehr schnell anders überlegt: statt der erhoffen Bombe erwies sich "Catwoman" als Rohrkrepierer an den amerikanischen Kinokassen.
Hoffen wir nur, dass das auch hier in Deutschland so sein wird. Im Paralleluniversum von "Catwoman" erhält der Film wahrscheinlich einen Haufen Oscars und schlägt alle Einspielrekorde. In unserer Welt gibt's höchstens ein halbes Dutzend Goldene Zitronen und ein kollektives Abwatschen für die größte Unverschämtheit, die die vollends wild gewordene Marketing-Maschinerie Hollywoods in den letzten Jahren aufs Publikum losgelassen hat.
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