Was bei "Harry Potter" geht, geht bei "Twilight" schon lange. So sagte man sich auf Produzentenseite der Teenager-fokussierten Vampir-Franchise und sicherte sich einen weiteren Film mit garantiertem Multimillionen-Einspiel, indem man den letzten Teil der megaerfolgreichen Romanreihe für die Kino-Adaption kurzerhand in zwei Teile aufbrach. Wie schon bei der großen Saga um den Zauberknaben macht das filmdramaturgisch wenig bis gar keinen Sinn. Aber solche Argumente sind halt nicht wirklich gefragt, wenn es a) um jede Menge Schotter geht und b) das eigentliche Kernpublikum, nämlich die leidenschaftlichen Anhänger der Buchvorlage, der Filmadaption sowieso ziemlich kritikfrei gegenüber stehen - je mehr es zu gucken gibt, desto besser.
Und so gibt es im ersten Teil des letzten Teils der "Twilight"-Saga (für dessen deutschen Titel der Verleiher immerhin die etwas albernen Wortspiel-Klammern um das zweite Biss-s endlich hat fallen lassen) auch in der Tat erstmal viel zu gucken, wobei aber nur sehr wenig erzählt wird. Würde sich dieser Text an den eigentlich prinzipiellen Rezensions-Grundsatz halten, dass die Inhaltsangabe über alles, was jenseits des ersten Aktes eines Films geschieht, höchstens noch Andeutungen macht, wäre diese Inhaltsangabe in einem Satz abgehandelt: Edward und Bella heiraten und fahren in die Flitterwochen. Mehr als das gibt es in der ersten halben Stunde von "Breaking Dawn - Teil 1" in der Tat nicht zu sehen. Was die wahren Fans der Reihe sicher überhaupt nicht stören wird, schließlich hat man drei Romane bzw. Filme lang diesem Ereignis sehnlichst entgegen gefiebert, ebenso wie dem, was dann folgt: Der unendlich lang hinausgezögerten Vereinigung dieses Liebespaares im Geschlechtsakt, selbstverfreilich erst nach erfolgter Eheschließung.
In dieser Hinsicht bleibt auch dieser "Twilight"-Teil dem unterliegenden, erzkonservativen Moralkodex der Reihe bis aufs Mark treu: Erst wird geheiratet, dann darf man endlich Sex haben. Aber auch nur einmal, weil Sex ist nämlich ganz doll bähbäh. Findet jedenfalls Edward, der über das, was er in ihrer ersten, überaus leidenschaftlichen Liebesnacht mit Bella anstellt, ziemlich schockiert ist und das darum nicht wiederholen will. Im Gegensatz zu Bella, die sich an den diversen Schrammen und blauen Flecken nach ihrem ersten Mal mit dem Vampir nicht wirklich stört und den Rest ihrer Flitterwochen erst einmal mit mühseligen Verführungsversuchen verbringt, ihren Ehemann endlich ein zweites Mal in die Kiste zu kriegen.
Es ist auf gewisse Weise schon irgendwie amüsant, dem zuzusehen, wie offenkundig spitz Bella hier rumläuft und wie krampfhaft Edward sich seiner eigenen Erregung erwehrt - amüsant vor allem deshalb, weil es der Film schafft, trotz der sehr eindeutigen Thematik immer noch so keusch zu bleiben, dass die Altersfreigabe ab 12 keine Sekunde in Gefahr ist. Von der ominösen wilden Liebesnacht sieht man nur die Verwüstung, die sie am Ehebett hinterlassen hat (ein gut gelungener visueller Gag), und auch ansonsten beweisen Regie und Drehbuch hier ein erstaunliches Talent, das böse S-Wort nicht einmal in den Mund zu nehmen, obwohl es die ganze Zeit um nix anderes geht.
So wirklich spannend ist das trotzdem nicht, denn wenn man jetzt zufällig kein beinharter "Twilight"Fan ist und es überaus genießt, wie lang und breit hier Heirat und Hochzeitsreise von Bella und Edward zelebriert werden, dann zieht sich die erste Hälfte von "Breaking Dawn - Teil 1" doch wie ein ziemlich zäher Kaugummi. Denn halbwegs in Gang kommt die Handlung erst zum Mittelpunkt des Films, wenn die gute Bella erkennt, dass sie beim ersten Sex auch gleich schwanger geworden ist. Dem der Reihe zugrunde liegenden Moralkodex entsprechend verhält sich Bella, die sich bis hierhin so unanständig ihrem sexuellen Verlangen hingegeben hat, dann auch wieder korrekt und besteht auf Teufel komm raus darauf, dieses Baby behalten zu wollen - auch wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass der Balg in ihrem Bauch sie umbringen wird und Edward und seine Familie ihr eine Abtreibung sehr ans Herz legen. So ein Halbvampir in der menschlichen Gebärmutter ist nämlich ziemlich gefährlich.
An diesem Punkt dürfen dann auch Muskelprotz/Werwolf Jacob und seine Sippe relevant in die Handlung einsteigen, die ihren eigenen Standpunkt dazu haben, was wann mit dem Baby, Bella und der sie behütenden Vampir-Sippschaft Edwards passieren sollte. Auf echte Spannung wartet man selbst als Nicht-Twilight-Kenner hier dennoch vergeblich, zumal das groß im Titel pragende "Teil 1" einem überdeutlich verrät, dass dies alles nur eine Ouvertüre ist. Und so fühlt es sich bis zum Ende dieses Films dann auch an, welches wiederum erstaunlich - um nicht zu sagen irritierend - schnell abgehandelt wird. In Anbetracht dessen, wieviel Zeit sich "Breaking Dawn - Teil 1" mit seiner sehr dürftigen Handlung lässt, ist es mehr als verwunderlich, wie schnell dann der dramatische Höhepunkt abgefrühstückt wird. Auch das mag jedoch an der angestrebten Altersfreigabe liegen, denn hier gilt es, relativ drastisches Material möglichst undrastisch zu visualisieren. Der vermeintliche Höhepunkt verpufft entsprechend ziemlich wirkungsarm.
Das ist indes so ziemlich der einzige Vorwurf, den man Regisseur Bill Condon ("Kinsey", "Dreamgirls") machen kann, der zwar beim vierten Film auch schon der vierte Regisseur der Reihe ist, aber immerhin die bis hierhin beste Leistung in Sachen Inszenierung abliefert. Wirkungsvoll verabschiedet er sich von der kühlen Farbdramaturgie seiner Vorgänger und verwendet für seine gekonnt komponierten Bilder ein kräftiges und ausdrucksstarkes Farbenmeer, wobei vor allem die durchgängige Kontrastierung von Rot und Weiß sehr zu gefallen weiß. Trotz der teilweise unfassbar kitschigen Motive, die es hier zu bedienen gilt (wie Bellas und Edwards splitternackte Umarmung im vom Vollmond erhellten Ozean) - hübsch anzusehen ist dieser Film allemal.
Gegen die extrem dünne Handlung, die in ihren Fähigkeiten nach wie vor sehr eingeschränkten Hauptdarsteller (nur Kristen Stewart sticht positiv hervor) und die wie gehabt platten und völlig unoriginellen Dialoge kommt allerdings auch die beste Inszenierung nicht an. Zumal wenn man mehr als deutlich merkt, wie angestrengt hier alles ausgewalzt wird, um auch wirklich zwei Filme voll zu bekommen. Die Fans der Reihe werden es zwar trotzdem lieben. Das ändert aber nichts daran, dass - genauso wie bei "Harry Potter" - das Kinopublikum hier für einen ganzen Film zur Kasse gebeten wird, der genau genommen nicht mal ein halber ist.
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