Black Mass

Originaltitel
Black Mass
Land
Jahr
2015
Laufzeit
122 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 10. Oktober 2015

James "Whitey" Bulger gehört zu den bekanntesten amerikanischen Gangstern aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zum einen weil er das wohl berühmteste Beispiel für die korrupte Vetternwirtschaft zwischen organisiertem Verbrechen und Bundespolizei war, zum anderen weil er 16 Jahre auf der Flucht verbrachte und dadurch zu einer Art lebendem Mythos wurde, bevor er im Jahr 2011 (mit 82 Jahren) dann doch gefasst und vor Gericht gestellt wurde.

Black MassUnd wenn Sie, lieber Leser, das jetzt per se noch nicht interessant finden, dann können Sie sich diesen Film getrost schenken. Denn "Black Mass" tut nicht viel mehr, als in braver Chronologie die zentralen Meilensteine und wichtigsten Protagonisten im Leben und Wirken von "Whitey" Bulger abzuhaken, ohne dabei jedoch auch nur ansatzweise in die filmischen Sphären vorzudringen, in denen der Film sich zumindest Genre-technisch bewegt. Die Portraitierung des organisierten Verbrechens, dieser dunklen, brutalen Variante des amerikanischen Traums, wo man es mit genug Willen (sprich: Skrupellosigkeit, Morallosigkeit und Gewaltbereitschaft) von ganz unten bis ganz nach oben schaffen kann, hat einige der größten Meisterwerke des US-Kinos hervorgebracht, von Coppolas "Der Pate" bis Scorseses "Goodfellas". Und in ähnlichen Schattierungen begegnen einem diese filmischen Darstellungen der schillernden amerikanischen Unterwelt immer mal wieder auf der Leinwand, wie z.B. in Form von Ridley Scotts "American Gangster". "Black Mass" ist nicht mehr als ein weiterer Vertreter dieser Reihe, ohne dabei in irgendeiner Form bemerkenswert zu sein. Dafür erzählt er seine Geschichte zu nüchtern, zu flach und beinahe komplett ohne Spannungsspitzen. So unspektakulär, dass man als Zuschauer am Ende nicht mal das Gefühl hat, dass Bulger irgendwas Besonderes gewesen wäre (so als durchschnittlicher amerikanischer Gangsterboss betrachtet), mal abgesehen von seinen krass blauen Augen.

Die Hauptrolle bekleidet hier Johnny Depp, und man kann - so wie es einige amerikanische Kritiker taten - hier von einer Comeback-Performance des ernstzunehmenden Schauspielers Depp sprechen. Der verbrachte das letzte Jahrzehnt ja hauptsächlich mit Fortsetzungen oder Variationen seiner erfolgreichsten Rolle, dem Piraten Jack Sparrow, was auf die Dauer echt langweilig und eintönig wurde. In der Tat sieht man hier einen sehr anderen Johnny Depp, so richtig als mega-beeindruckend geht seine Vorstellung als Bulger trotzdem nicht durch - vielleicht liegt es auch an den erwähnten, krass blauen Augen. Die eingefärbten Kontaktlinsen, die Depp für die Rolle trug, ziehen jedenfalls so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass sie fast schon vom eigentlichen Geschehen ablenken. Es ist indes auch nicht so, dass man Gefahr läuft, darüber tiefe Einblicke in die wahre Seele dieses berühmt-berüchtigten Gangsters zu versäumen, denn obschon "Black Mass" brav die zentralen Schicksalsschläge in Bulgers Leben abarbeitet - sein einziges Kind starb unter tragischen Umständen im Alter von kaum sechs Jahren - hat man nie das Gefühl, ihm als Figur wirklich nahe zu kommen.

Black MassDas trifft schon eher für die andere, heimliche wahre Hauptfigur dieses Films zu: John Connolly, Ermittler beim FBI und gleichzeitig Jugendfreund von Bulger aus ihrer gemeinsamen Kindheit in der verschworenen Gemeinschaft der irisch-stämmigen Bewohner von South Boston. Die Seilschaften, die solch eine gemeinsame Herkunft mit sich bringen, sind das eigentliche zentrale Motiv dieser Geschichte, und in dieser Hinsicht ist Connolly auch die viel interessantere Figur. Dass der skrupellose Gangster einen wertvollen Kontakt zum FBI zu seinem eigenen Vorteil nutzt - geschenkt. Dass und wie ein FBI-Ermittler jedoch über Jahrzehnte seine Position nutzt, um einem befreundeten Gangster Informationen zuzuspielen und vor Ermittlungen gegen ihn zu schützen, indem er Bulger als angeblich wertvollen Informanten führt, das ist schon deutlich interessanter. So ist es denn auch Connolly-Darsteller Joel Edgerton, der hier faktisch am meisten zu tun und manch brenzlige Situation durchzustehen hat. Doch auch bei ihm gilt: So richtig tief hinein in die Figur und das moralische Dilemma, in dem Connolly sich die ganze Zeit befindet, wagt sich der Film nicht vor und bleibt durchweg seltsam oberflächlich.

Black MassFast überhaupt keine Rolle spielt in "Black Mass" Bulgers andere signifikante Verbindung zu einem höheren offiziellen Amt - nämlich die zu seinem jüngeren Bruder William, der eine amerikanische Bilderbuch-Karriere machte und einflussreicher Politiker wurde. Während sein Bruder nach und nach zur zentralen Unterwelt-Figur von Boston wurde, verbrachte William Bulger fast 20 Jahre als Parlamentspräsident im Senat des US-Bundesstaats Massachusetts. Dass dieser William hier nun von keinem anderen als dem unfassbar angesagten Benedict Cumberbatch gespielt wird, wäre vielleicht höhere Aufmerksamkeit wert - wenn Cumberbatch hier irgendwas Signifikantes zu tun oder beizutragen hätte. Tatsächlich hat er jedoch gefühlt nicht mehr als fünf Szenen im ganzen Film, und keine davon ist in irgendeiner Form erinnerungs- oder bemerkenswert. Diese namhafte Besetzung verpufft entsprechend effektlos und muss fast schon als Verschwendung von Talent verbucht werden. 

Die Stärken von "Black Mass" liegen auf handwerklicher Seite. Was die Herstellung des passenden Zeitkolorit betrifft, den authentischen "Look & Feel" von South Boston in den 70er und 80er Jahren, wird hier makellose Arbeit geleistet, aber das sind Aspekte, die man auch so und nicht anders von einer großen amerikanischen Film-Produktion erwartet. Das sind schließlich Profis mit einem anständigen Budget. Was man sich hier viel mehr wünscht, ist ein Spannungsbogen, dramatische Spitzen, die einem aus der Lethargie des eintönigen Erzählflusses herausreißen. Doch in diese Richtung gibt es (fast) nichts. Obschon Bulger - wiederum ganz typisch Gangsterboss - wenig zimperlich war und hier das Standard-Unterwelt-Credo herrscht, dass wer potentiell zu einem Problem werden könnte, am besten gleich aus dem Weg geräumt wird, bevor er etwas verraten kann, kann der Film daraus fast nichts machen. Black MassEs dauert 90 Minuten, bis der Film in einer einzigen Szene erfolgreich mit der Angst spielt, die selbst Bulgers treueste und engste Gefährten davor haben mussten, mit einem unbedachten Wort die nervöse Paranoia des Obergangsters zu wecken und sich damit in ernste Gefahr zu begeben. Es ist ein Moment, der ein wenig an jene legendäre Szene erinnert, als Joe Pesci in "Goodfellas" Ray Liotta fragte, ob er ihn komisch finde. Dieser mentale Vergleich erinnert dann wiederum sofort daran, wieviel großartiger Material wie dieses in thematisch verwandten Filmen schon aufbereitet wurde. Und wie wenig bemerkenswert "Black Mass" in dieser Hinsicht ist. 

Kurz und gut: Nein, es gibt keinen guten Grund, sich diesen Film anzusehen. Gewisse Grundelemente wie das Setting in der irisch-stämmigen Unterwelt Bostons und der mit dem FBI verquickte Gangsterboss dürften manch einen an Martin Scorseses Oscar-gekrönten "Departed - Unter Feinden" erinnern, und das nicht ohne Grund: Drehbuchautor William Monahan ließ sich damals bei der Adaption des Stoffes ("Departed" war ja wiederum ein amerikanisches Remake des asiatischen Crime-Thrillers "Infernal Affairs") von der Person Bulgers inspirieren, was wiederum die Produktion von "Black Mass" auf Jahre hinauszögerte - das Sachbuch, auf dem dieser Film hier basiert, war schon 2001 erschienen, und sollte eigentlich schon viel früher verfilmt werden. Der Scorsese-Film schob dem damals erstmal einen Riegel vor. Man hätte es eigentlich auch ganz bleiben lassen können. 

Bilder: Copyright

7
7/10

Ich habe den Film in der Sneak gesehen und somit im englischen Original. Dadurch kommt der Film vielleicht ein bisschen besser in meiner Bewertung weg, als wenn ich Geld dafür ausgegeben hätte. Ich stimme der Kritik zu, dass der Film insgesamt recht gleichförmig aufgemacht ist. Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass ich den Ton, in den Szenen in denen Bulger mit seinem Sohn spricht, unpassend flapsig finde. Positiv bewerte ich Johnny Depps Darstellung, denn er spielt ihn wirklich gut. Auch Benedict Cumberbatch finde ich sehr gut in seiner Rolle, ich hätte mir mehr Szenen mit ihm gewünscht. Letztendlich bietet der Film durch seine fehlenden dramatischen Höhepunkte allerdings auch keine wirklich negativen Ausreisser nach unten. Ich habe mich unterhalten gefühlt.

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