Black Dahlia

Originaltitel
The Black Dahlia
Jahr
2006
Laufzeit
114 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 17. Juni 2010

Bei der Kombination von Regisseur Brian de Palma und Romanautor James Ellroy horcht man als begeisterter Filmfreund erst einmal neugierig auf, denn schließlich erwies sich Curtis Hansons Ellroy-Verfilmung "L.A. Confidential" (1997) als einer der besten Filme des letzten Jahrzehnts; und de Palma, dieser zitierfreudige Großmeister der stilistischen Zweitverwertung, hat sich in Filmen wie "Dressed to kill", Mein Bruder Kain" und zuletzt "Femme Fatale" bereits mehrfach mit Themen und Figuren des Film Noir auseinander gesetzt und kann hier nun erstmals die von Obsession, Korruption und falschem Schein geprägte Schattenwelt der Schwarzen Serie an ihrem Ursprung erkunden: Mit einer Detektivgeschichte im Los Angeles der 1940er Jahre.
"The Black Dahlia" basiert auf einem unter gleichem Namen berühmt gewordenen Mordfall aus dem Jahre 1946. Elizabeth Short war wie so viele junge Mädchen aus der Provinz nach Hollywood gekommen, um dort Ruhm und Reichtum als Filmstar zu finden, doch stattdessen endete sie als grausam entstellte Leiche: In der Körpermitte durchtrennt, ausgeweidet und das Gesicht zu einer grässlichen Fratze zerschnitten, schockierte das Schicksal Shorts die breite Öffentlichkeit und stand bald als Mahnmal für all jene leichtfertigen Mädchen, die sich naiv in den Sündenpfuhl Los Angeles aufmachen wollten.
Der tatsächliche "Black Dahlia"-Mord wurde niemals aufgeklärt, in seiner fiktionalisierten Form diente er Ellroy und jetzt auch de Palma allerdings als ein hervorragendes Sprungbrett, das sie geradewegs in ihr angepeiltes, thematisches Zentrum katapultiert: Die Alpträume, die hinter der Traumfabrik Hollywood lauern. Ganz im Sinne der literarischen Urgesteine des hartgesottenen Detektivromans (wie Dashiell Hammett oder Raymond Chandler) skizziert auch Ellroy stets eine tief amoralische Welt, in der selbst die Guten nicht wirklich sauber sind. Das gilt auch für die beiden Cops Dwight "Bucky" Bleichert (Josh Hartnett) und Lee Blanchard (Aaron Eckhart), die sich als ehemalige Boxer nur allzu gern als Zugpferde vor eine Polizei-PR-Kampagne spannen lassen, die allen bessere Gehälter und ihnen beiden auch noch eine Beförderung bringt. Doch als sie in die "Black Dahlia"-Untersuchungen hineinrutschen, ist bald Schluss mit lustig, denn der Fall frisst die beiden Männer nach und nach von innen auf. Für Blanchard wird die Aufklärung zur fixen Idee, die er wie besessen verfolgt und die seine Beziehung zu Kay (Scarlett Johansson) heftig belastet. Bleichert wiederum, unglücklich in Kay verliebt, erliegt der Faszination der bisexuellen Millionärstochter Madeleine Linscott (Hilary Swank), die Elizabeth Short kannte und ihr sehr ähnlich sieht. Wesentlich beunruhigender ist für Bleichert jedoch zunächst die Erkenntnis, dass ihm sein Partner offenbar Dinge aus seiner und Kays Vergangenheit verheimlicht.

Inwiefern und ob überhaupt das alles etwas miteinander zu tun hat, diese Frage stellt sich nicht nur Bleichert die meiste Zeit, sondern auch der Zuschauer, der schon von den ersten Minuten an Mühe hat, dem rastlos voran eilenden Plot und den zahlreichen Verstrickungen zu folgen, die bis zum Ende immer weiter zunehmen: Wer besticht/erpresst/ermordet hier wen, wieso und wie? An dieser Stelle müssen wir sogar ausnahmsweise mal eine Empfehlung für den Besuch der deutschen Synchronfassung aussprechen, denn um der Handlung von "The Black Dahlia" vernünftig folgen zu können, sollte man wirklich jedes Wort und jeden Zusammenhang verstehen, was angesichts der immensen Informationsmenge und der schnellen, im 40er-Slang gehaltenen Dialoge in der Originalfassung kaum zu leisten ist.
De Palma und sein Drehbuchautor Josh Friedman machen es ihren Zuschauern aber auch nicht gerade leicht, dem vielschichtigen Verwirrspiel aus Morden, Motiven und Personen zu folgen, zumal es schlussendlich um eine ganze Reihe unterschiedlicher Verbrechen geht, die sich zwar gegenseitig auslösen, aber nicht in direktem Zusammenhang stehen. Folge: Wenn Bleichert in den Schlussminuten erst dieses, dann jenes Komplott durchschaut und sich das Puzzle endlich zusammensetzt, schwirrt dem Zuschauer ganz schön der Kopf. In bester Ellroy-Manier steckt so ziemlich jede Person, die man unterwegs getroffen hat, irgendwie mit drin, da man manche davon aber für kaum mehr als eine Szene erlebt hat, ist das abschließende Aufdeckspielchen eher frustrierend als erhellend; viel zu viel wird hier einfach nur schnell wegerklärt, ohne dass man es so recht hätte vorher durchschauen können.

Vielleicht hat de Palma das aber auch billigend in Kauf genommen, denn ehrlich gesagt wäre es auch ziemlich überraschend, wenn ein Regisseur seines Kalibers sich auf das brave Nacherzählen einer komplexen Krimigeschichte beschränkt. "The Black Dahlia" ist eher Stil als Story, ein mal mehr, mal weniger gelungener Versuch des Regisseurs, mit dem alten Noir-Stilmittelkatalog die psychologischen Untiefen auszuleuchten, die in Ellroys Roman zuhauf zu finden sind. Manche Sequenzen sind tief beeindruckend, so zum Beispiel das absurde Abendessen mit Madeleines komplett bizarrer Familie, das Bleichert über sich ergehen lassen muss. Besonders hervor stechen die Szenen mit Mia Kirshner, die das Mordopfer Elizabeth Short spielt: Die Cops finden eine Reihe von Kameratests der aufstrebenden Schauspielerin vor ihrem Tod, und obwohl sie für die eigentliche Krimigeschichte größtenteils unbedeutend sind, wirken diese Szenen in ihrem kontrastreichen Schwarz/Weiß und vor allem aufgrund von Kirshners beängstigend intensivem Spiel gleichermaßen faszinierend wie beunruhigend. Trotzdem bleibt Bleicherts erotische Faszination für die Tote, die ihn schließlich in die Arme der ihr so ähnlichen Madeleine treibt, eine nur schwer nachzuvollziehende Behauptung.
Anderenorts vergreift sich de Palma allerdings in seinen Regieentscheidungen und übertreibt. Eine zentrale Sequenz in einem Treppenhaus ist mit stilistischen Referenzen und Kameramätzchen derart überladen, dass sie sich nur noch um sich selbst und nicht um die (immens wichtige) Handlung zu drehen scheint. Die Beharrlichkeit, mit der sich die Protagonisten in fast jeder einzelnen Szene eine Zigarette anstecken, hat auch nichts mehr mit historischer Authentizität zu tun, sondern ist der visuellen Ästhetik des Rauchens geschuldet, von der de Palma (ganz klassisch Noir) allzu gern und sehr viel Gebrauch macht, ohne damit wirklich Wirkung zu erzeugen.
Nicht ganz gelungen ist leider auch die Besetzung: Während Aaron Eckhart als ebenso tougher wie undurchschaubarer Blanchard brilliert, muss sich Posterboy Josh Hartnett mächtig strecken, um als alleiniger Protagonist und Ich-Erzähler den Film angemessen tragen zu können. Obwohl Hartnett ein guter Schauspieler ist, wirkt er mit seinen weichen Zügen in der kantigen Welt der 40er irgendwie deplatziert. Richtiggehend verkehrt herum besetzt wurden die beiden tragenden weiblichen Rollen. Wie so viele Noir-Helden vor ihm steht auch Bleichert zwischen einer Frau, mit der er zusammen sein sollte, aber es nicht kann (in diesem Falle, weil sie die Freundin seines Partners ist), und einer, mit der er zusammen sein kann, aber es nicht sollte. Scarlett Johansson spielt hier die erste Sorte, evoziert aber so wirkungsvoll Erinnerungen an legendäre Noir-Blondinen wie Barbara Stanwyck, dass man sich im Nachhinein wünscht, sie hätte den Part der Femme Fatale bekommen. Der wiederum bleibt aber Hilary Swank überlassen, die trotz zwei hochverdienter Oscars (für "Boys don't cry" und "Million Dollar Baby") in dieser Rolle ganz oberflächlich an ihrem Aussehen und ihrer Ausstrahlung scheitert. Gegen Johanssons rauchige Präsenz ohnehin chancenlos, wird Swank selbst durch die kurzen Schwarz/Weiß-Auftritte Mia Kirshners ausgestochen und kann nie die unterschwellige Gefährlichkeit lebendig machen, die ihre Figur eigentlich auszeichnen sollte. Als Femme Fatale eine glatte Fehlbesetzung.

So bleibt "The Black Dahlia" durch die Bank ein sehr zweischneidiges Schwert, mit bemerkenswerten Stärken ebenso wie offensichtlichen Schwächen. Vorausgesetzt, man kann der hochkomplizierten Handlung noch folgen, wartet hier eine spannungs- und facettenreiche Krimigeschichte, deren psychologischer Unterbau dem Publikum nach Filmende noch viel zu kauen gibt. Um sicherzustellen, dass die Zuschauer auch mithalten können, wäre es allerdings ratsam gewesen, die Erzählung stellenweise etwas auszubremsen und mehr Orientierungshilfen einzubauen, um zu gewährleisten, dass man als Zuschauer der Geschichte gut genug folgen kann, um die vielfältigen psychologischen Zwischentöne auch noch auffangen zu können. Denn so verbleibt "The Black Dahlia" als ein überambitionierter Film, der Gefahr läuft, sein Publikum auf halber Strecke zu verlieren.


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