Evelyn (Judi Dench) hat lange ziemlich unselbstständig an der Seite ihres Mannes gelebt und muss nach dessen Tod nun allein zurechtkommen. Die ehemalige Haushälterin Muriel (Maggie Smith) ist eine grantelnde und offen rassistische alte Dame, der das Geld für die notwendige Hüftoperation fehlt. Der alternde Galan Norman (Ronald Pickup) kann bei der Damenwelt nicht mehr so recht landen und auch die mannstolle Madge (Celia Imrie) macht sich mit ihrem jugendlichen Gehabe in den Augen ihrer Familie langsam lächerlich. Douglas (Bill Nighy) und seine stets schlecht gelaunte Ehefrau Jean (Penelope Wilton) müssen erkennen, dass sie sich die gewünschte Altersresidenz leider nicht leisten können. Und dann ist da noch Richter Graham (Tom Wilkinson) der sich endlich seiner Vergangenheit stellen will. Nein, die Perspektiven für dieses halbe Dutzend Menschen im grauen England sind nicht sehr viel versprechend, also greifen sie nach dem Strohhalm in Form einer hübsch aufgemachten Broschüre, die ein sorgenfreies und verwöhntes Leben im fernen Indien verspricht - und das zu einem sagenhaft günstigen Preis. Doch leider entpuppt sich das „Best Exotic Marigold Hotel (for the Elderly & Beautiful)“ nicht als Traumpalast, sondern als ziemlich heruntergekommene Bruchbude. Der hochmotivierte, aber leider ebenfalls ziemlich mittellose Hotelbetreiber Sonny (Dev Patel) versucht trotzdem alles um seine allerersten Gäste zum Bleiben zu bewegen.
Denn sein nicht ganz der Realität entsprechender Hochglanzprospekt war schließlich keine Lüge, sondern lediglich eine „Version der Zukunft“, und diese Einstellung gibt im Grunde sehr schön die des gesamten neuen Films von Oscar-Preisträger John Madden („Shakespeare in Love“, „Eine offene Rechnung“) wieder: Genieße das Leben jetzt, mach Dir nicht so viele Gedanken und nutze die Gelegenheiten, die sich ergeben. Das klingt zwar erstmal ziemlich banal nach fernöstlicher Glückskeks-Philosophie, funktioniert auch vielleicht im richtigen Leben meist nicht so richtig, dafür aber ganz hervorragend in dieser herzerwärmenden Fabel. Es ist kaum möglich sich der Schönheit der Bilder zu entziehen, der Sonne und der Farben mit denen sowohl die Ruhe als auch das bunte Treiben der Stadt eingefangen werden. Wobei trotzdem der Gegensatz von modernen Bürogebäuden mit Call-Centern und den immer noch vorhandenen Hütten der Slums sowie auch das bittere Schicksal der indischen Kaste der „Unberührbaren“ sehr deutlich werden.
Getragen von einer erlesenen Schar britischer Charakterdarsteller und -gesichter und ergänzt von der erfrischenden Begeisterung ihres einheimischen Gastgebers entfaltet sich vor dieser prächtigen Kulisse ein Kaleidoskop kleinerer bis mittelgroßer Dramen, welches Klischees nicht gänzlich vermeidet, die Grenze zum Kitsch dabei aber doch stets recht elegant umschifft. Herausragend agieren dabei zwei ältere Damen und ein Herr und das ist bei den Namen, die sich hinter diesen Figuren verbergen auch nicht sehr überraschend. Dame Judi Dench führt als Evelyn ein Internet-Blog, wird so quasi zur Erzählerin der Reise und muss ganz langsam lernen eigene Entscheidungen zu treffen. Maggie Smiths grummelnde Gouvernante macht jedoch trotz ihrer Fesselung an den Rollstuhl die größte Wandlung durch, nicht weil sie plötzlich beschließt zum Menschenfreund zu werden, sondern weil ihr in dieser Umgebung gar nichts anderes übrig bleibt als ihr Verhalten Stück für Stück zu ändern. Als sich ihre Dienerin für die entgegengebrachte Freundlichkeit bedankt, widerspricht sie irritiert „ich war doch gar nicht freundlich“, sich der Bedeutung kleinster Gesten in dieser Umgebung nicht bewusst.
Der oft exzentrische Typen verkörpernde Bill Nighy glänzt diesmal als überaus sanfter, die Demütigungen seiner Gattin klaglos hinnehmender Douglas, der zwar mehr als ausreichend Grund hätte diese Furie einfach zu verlassen, sich aber der Solidarität des einmal gegebenen Eheversprechens bis zur Selbstaufgabe verpflichtet fühlt.
Dabei werden die einzelnen Handlungsstränge bemerkenswert gleichwertig behandelt, so dass auch alle Figuren zu ihrem Recht kommen und ihre Geschichten zufriedenstellend abgehandelt werden. Mit kleinen Einschränkungen vielleicht bei den beiden Schürzenjägern Norman und Madge, die etwas mehr an der Oberfläche bleiben und hauptsächlich für die komischen Momente der Handlung zu sorgen haben.
Sollten die Mitwirkenden hier nicht mit allerlei Herzblut bei der Sache gewesen sein, sondern lediglich einen halbwegs ordentlich bezahlten Job haben abliefern wollen, so wären sie sogar noch bessere Schauspieler als eben beschrieben. Denn der Eindruck beim Betrachter ist ein ganz anderer, nämlich einer von sehr viel Freude und Leidenschaft. Und daher ist der Besuch im „Best Exotic Marigold Hotel“ auch ganz klar ALLEN zu empfehlen und keinesfalls nur den Älteren und Schönen.
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