Es ist schon wieder Zeit für die nächste Marvel Comic-Verfilmung. Denn während alles gespannt auf das nächste Abenteuer der „Avengers“ wartet, nutzt der Disney-Konzern seine neu erworbenen Markenrechte und versucht sich zum ersten Mal an einer animierten Adaption aus dem umfangreichen Fundus der Superheldenschmiede. Das dem so ist dürfte allerdings an einem Großteil des Publikums vorbeilaufen, denn um sich möglichst viele Freiheiten nehmen zu dürfen (und vermutlich auch um sich nicht gleich einer entsetzt aufschreienden Fangemeinde gegenüber zu sehen) entschied man sich bei Disney für eine eher obskure und kaum bekannte Comic-Reihe. Von „Big Hero 6“, der Serie um eine japanische Superheldentruppe, erschienen seit den 90er Jahren gerade mal acht Hefte und abgesehen von den meisten Figuren hat man aus der Vorlage storytechnisch nicht viel übernommen. Von Marvel-Mastermind Stan Lee bekommt man hier jedoch nicht nur seinen üblichen Cameo-Auftritt zu sehen, sondern sogar noch etwas mehr, so man denn auch brav bis zum Ende des Abspanns sitzen bleibt.
In der Stadt San Fransokyo leben die Brüder Hiro und Tadashi Hamada gemeinsam bei ihrer Tante, doch während Tadashi ein stets vorbildlicher und verantwortungsvoller Student ist, zieht der jüngere Hiro eher ziellos durch die Gegend und verbringt seine Zeit bei illegalen Roboterwettkämpfen in üblen Gegenden. Er besitzt allerdings dasselbe technische Talent und Verständnis wie sein Bruder, und als der ihm eines Tages demonstriert, was für aufregende Erfindungen an dessen „Nerd-Uni“ erforscht werden, steht Hiros Entschluss fest: Auch er möchte jetzt an dieser Universität aufgenommen werden. Bei einer Testvorführung schlägt schließlich seine große Stunde und Hiro begeistert die Menge mit den von ihm entwickelten „Microbots“. Doch schlägt die Freude in blankes Entsetzen um, als ein Feuer kurz darauf die Ausstellungshalle zerstört und Tadashi darin ums Leben kommt. Erst die Entdeckung des von Tadashi hinterlassenen medizinischen Hilfsroboters „Baymax“ weckt in Hiro schließlich neue Motivation und er beschließt, diesen zu einer echten Kampfmaschine umzubauen, um gemeinsam mit seinen neuen Uni-Freunden den Verantwortlichen für den Tod seines Bruders und auch Dieb seiner Erfindung zur Strecke zu bringen.
In der deutschen Fassung wird die Herkunft der Geschichte noch ein wenig mehr verschleiert, denn deren Titel konzentriert sich ganz auf den liebenswerten Roboter. Während man sich aber die alberne Ergänzung „Riesiges Robowabohu“ sicher hätte sparen können, macht die Fixierung auf Baymax schon etwas mehr Sinn, denn der ist zweifellos die Hauptattraktion des Films. Das Design als knuffiger Marshmellow wirkt von vornherein sehr einnehmend und ist zudem gut für zahlreiche Gags, in denen die klobige Art und relative Langsamkeit der Figur thematisiert und zum Hindernis werden, wenn es darum geht sich im Einsatz gegen Superschurken zu bewähren. Man bemerkt wie viel Mühe sich die Macher da im Detail gegeben haben, um etwa den Gang von Baymax so hinzubekommen, dass er einfach jedes Mal wieder unglaublich putzig wirkt und allein damit schon zum Schmunzeln animiert.
Auch die Persönlichkeit wurde dabei nicht vernachlässigt, denn Baymax entpuppt sich als genauso tapsig wie warmherzig und meldet gelegentlich seine moralischen Bedenken an. Ganz ausgezeichnet passt dazu dann auch die deutsche Synchronisation durch Bastian Pastewka, der die richtige Stimmfärbung besitzt und den passenden Ton findet. Weit weniger vielschichtig als Baymax und sein „Herrchen“ Hiro kommen jedoch die weiteren Figuren daher, die übrigen Mitstreiter der Heldentruppe besitzen im Prinzip mal wieder lediglich eine herausstechende Charaktereigenschaft der Kategorie lässig, aufgedreht oder tollpatschig und vor allem bei der Synchronisation des pedantischen Wasabi, der hier nun fröhlich vor sich hin berlinert, darf man schon mal fragen ob das denn so unbedingt nötig und passend ist.
Die Story selbst funktioniert aber soweit und wartet bemerkenswerterweise schon früh in der Geschichte mit einem recht harten Einschnitt auf. Zu erraten, wer denn wohl hinter der Kabuki-Maske des Bösewichts steckt, ist jedoch nicht besonders schwierig, wenn man sich an die übliche Film-Logik hält (der Schurke darf nicht völlig unbekannt sein, aber der allzu offensichtlich Verdächtige ist es natürlich nicht). Insgesamt ist die Handlung nicht mehr als solide, die Stärken der Produktion liegen jedoch eindeutig in den Bereichen Witz und Ausstattung. Vor allem dank der extrem ergiebigen Hauptfigur bekommt man eine große Menge hervorragend platzierter Gags serviert und auch da fällt dann wieder die Liebe zum Detail ins Auge, denn gerne reichert man den eigentlichen Hauptwitz noch zusätzlich mit einer kleinen schrägen Besonderheit an, die dann in erster Linie den etwas älteren Zuschauern auffallen wird. Die Idee, als Schauplatz mit dem hübsch benannten „San Fransokyo“ eine Mischung aus japanischer und amerikanischer Kultur zu schaffen, ist dabei fast schon als genial zu bezeichnen, bekommt man so doch immer wieder interessante Orte zu sehen, die einem zwar irgendwie vertraut erscheinen, dabei aber mit der einen oder anderen abweichenden Besonderheit versehen worden sind.
„Baymax“ ist ein ziemlich witziger, liebevoll gestalteter Animationsspaß, bei dem lediglich die Story und vor allem der etwas zu bombastische, superheldentypische Showdown nicht ganz zu überzeugen wissen. Den einst so überlegenen Konzern-Kollegen von Pixar, die zuletzt leider nur noch mit eher uninspirierten Filmen und schwachen Fortsetzungen auf die Bühne traten, hat das Disney-Team - welches zuletzt auch schon für „Ralph reicht's“ und die immens erfolgreiche „Eiskönigin“ verantwortlich zeichnete - in diesem Feld aber vorläufig erst mal den Rang abgelaufen. Keiner hätte jedoch etwas dagegen wenn Pixar nun bald mal wieder überzeugend kontert.
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