Nachdem das riskante Spiel einer noch nie dagewesenen Zusammenführung einzelner Superhelden in einem großen gemeinsamen Kinofilm mit dem ersten "Avengers"-Abenteuer vor drei Jahren so triumphal aufgegangen ist, stellt sich heute niemand mehr die Frage, ob so ein Konzept denn funktionieren kann. Mit der konkreten Planung eines in sich geschlossenen Superheldenuniversums, dessen einzelne Figuren sowohl Solo- als auch Gruppenabenteuer erleben, haben die zum Disney-Konzern gehörenden Marvel Studios nicht nur das aktuelle Blockbuster-Kino revolutioniert, sondern auch dafür gesorgt, dass die Konkurrenz nun fieberhaft überlegt wie sie etwas annähernd Lukratives auf die Beine stellen kann. Doch während die „Justice League“ rund um die DC-Kollegen Batman & Superman nach wie vor nur mit dem Fernrohr zu erkennen ist, kommen die „Rächer“ aus dem Hause Marvel bereits mit ihrem zweiten Action-Feuerwerk aus den Startlöchern. Und die Frage ist – wie erwähnt – dabei längst nicht mehr, ob das grundsätzlich etwas Gutes werden kann, sondern lediglich ob denn wohl das bemerkenswert hohe Niveau des Vorgängers gehalten wird. Die Antwort auf diese Frage lautet: Ja, fast.
Bei einem großen Kampfeinsatz gegen die Terrororganisation H.Y.D.R.A. machen die wiedervereinten „Avengers“ die Bekanntschaft zweier neuer, sehr gefährlich wirkender Gegner in Form der Geschwister Wanda und Pietro alias „Scarlet Witch“ und „Quicksilver“. Sie erbeuten allerdings auch ein mächtiges Artefakt namens „Infinity Stone“, welches Tony Stark die Möglichkeit eröffnet, seine brachliegende Arbeit zur Erschaffung einer künstlichen Intelligenz wieder aufzunehmen. Gegen den sanften Widerstand seines Wissenschaftler-Kollegen Bruce Banner (Mark Ruffalo) aktiviert er daher das Friedensprogramm „Ultron“, doch das erweist sich als fataler Fehler. Denn „Ultron“ entwickelt schnell ein Eigenleben, besorgt sich bei Bedarf einen (Roboter)-Körper und ist mit seiner Fähigkeit sich über das gesamte Internet auszubreiten kaum aufzuhalten. Sein Plan die Welt zu verbessern ist allerdings äußerst radikal, denn Ultron möchte sie dafür zunächst einmal komplett von der Spezies Mensch säubern. Um diese neue Superintelligenz zu stoppen müssen die Avengers nicht nur ihre Kräfte sammeln und interne Streitigkeiten überwinden, sie benötigen dazu auch noch neue Verbündete, denen sie nur bedingt Vertrauen entgegen bringen können.
Ja, von einem Blockbuster-Film wie diesem - dem man eigentlich gleich noch mehrere Attribute der Kategorie „Mega“ voranstellen muss - erwartet man natürlich extrem aufwändige und technisch herausragende Actionszenen. Da in dieser Hinsicht aber im Grunde kaum mal eine der größeren aktuellen Hollywood-Produktionen enttäuscht, fällt das Augenmerk eher auf die zwei potentiell größten Herausforderungen für ein Projekt wie die „Avengers“: Schafft man es erneut sämtlichen Figuren ausreichend Raum zu geben um sie nicht als bloßes Anhängsel der Kategorie „war auch dabei“ erscheinen zu lassen? Und gelingt es dabei auch wieder einen interessanten und charismatischen Bösewicht zu entwerfen? Beiden Punkten ist sich das Team um Mastermind Joss Whedon natürlich bewusst und allein aufgrund von Whedons jahrelanger Erfahrung mit Serienfiguren schüttelt der dann auch hier wieder den einen oder anderen pointierten Charaktermoment scheinbar mühelos aus dem Ärmel.
Es ist allerdings erkennbar, dass man angesichts des munter weiter anwachsenden Figurenensembles Kompromisse eingehen muss, das geschieht dabei aber auf eine äußerst sympathische und im Prinzip auch die einzig richtige Art: Denn zurücktreten müssen in Runde zwei des Gruppentreffens ausgerechnet die „Schwergewichte“ in Person von Iron Man, Thor und Captain America, von denen man ja aber eh schon deutlich mehr gesehen hat als vom Rest. Während der Kampfeinsätze haben die großen Drei selbstredend ihre imposanten Auftritte, aber ansonsten gibt es für deren Darsteller Downey jr., Hemsworth und Evans diesmal recht wenig zu tun. Zwar ist Tony „Iron Man“ Stark eigentlich hauptverantwortlich dafür, dass der bedrohliche Widersacher Ultron überhaupt existiert, doch wird diese Tatsache im Anschluss erstaunlich wenig thematisiert (und jawohl, das benennen wir jetzt gleich mal als kleinen Kritikpunkt). Umso erfreulicher aber, das auf der anderen Seite dem momentan nicht mehr als Soloheld aktiven Hulk und der noch wenig ausgeleuchteten Black Widow ein paar schöne Szenen gewidmet werden – bemerkenswerterweise handelt es sich dabei vorwiegend um gemeinsame Momente zwischen diesen beiden, erneut von Mark Ruffalo und Scarlet Johansson gespielten Charakteren, die daher auch etwas ruhiger ausfallen und vor allem den inneren Konflikt des sich selbst als latente Bedrohung betrachtenden Bruce Banner zum Thema haben.
Die größte Überraschung bietet in dieser Hinsicht aber ausgerechnet Bogenschütze Hawkeye. Ausgerechnet, weil gerade dessen Darsteller Jeremy Renner sich ja nach dem ersten Film doch ein wenig über sein Dasein als Randfigur beklagte und daher lange Zeit das Gerücht rumorte, man würde Herrn Renner wohl für die Fortsetzung freistellen und durch einen anderen Schauspieler ersetzen. Stattdessen hat sich dessen Gemurre sogar gelohnt, denn es ist seine Figur, die nun erstens eine spürbar größere Rolle spielt und zudem auch noch einen familiären Hintergrund verpasst bekommt, der einigen Raum einnimmt.
Bei den Neuzugängen fällt die Bewertung unterschiedlich aus, denn während Elizabeth Olsens „Scarlet Witch“ eine interessante Figur mit einigem Potential darstellt, kann sich ihr Filmbruder Aaron Taylor-Johnson kaum entfalten und mit dem Potential ist es aus unterschiedlichen Gründen auch nicht so weit her – da wusste die Version des gleichen Charakters im letzten „X-Men“-Film eindeutig mehr zu überzeugen. Bleibt noch Ultron, der aktuelle Vertreter aus der Schublade „Weltenvernichter“ und auch dort fällt das Fazit gemischt aus: Dessen Roboter-Körper sehen zwar cool aus und entsprechen optisch auch ziemlich genau der Comic-Vorlage, allerdings lebt diese Figur doch hauptsächlich (jedenfalls in der Originalfassung des Films) von der markanten Stimme James Spaders und verfügt ansonsten fast logischerweise weder über das Charisma noch den Witz von Vorgänger Loki.
Positiv zu vermerken ist weiterhin, dass man sich nicht darin versucht einen neuen ultimativen und endlos langen Showdown zu präsentieren, sondern die Actionsequenzen lieber schön auf die gesamte Laufzeit verteilt. Das führt auch dazu, dass der Film dieses Mal gleich mit einer solchen richtig loslegt, während man sich beim ersten Teil natürlich erst die Zeit nehmen musste die einzelnen Figuren zusammenzuführen. Man ist hier aktuell noch weit davon entfernt in Sachen Actionquotient in die für den Normalzuschauer kaum mehr genießbaren Overkill-Regionen etwa der „Transformers“-Reihe abzugleiten. Ein wenig aufpassen muss man da aber schon, denn die Gefahr sich in die auf Dauer stets ins Verderben führende Spirale der Marke „immer mehr Figuren und alles immer noch etwas größer“ zu begeben, ist zumindest in Ansätzen zu erkennen.
Dieses Mal ist es aber noch gut gegangen, denn „Age of Ultron“ bereitet - abgesehen von einem leichten Rückgang des Humoranteils - im Großen und Ganzen genauso viel Vergnügen wie sein Vorgänger. Das ist dann zwar auch ein wenig Stillstand auf hohem Niveau und weiß daher nicht mehr ganz so sehr zu beeindrucken wie noch beim ersten Mal, aber die Messlatte lag in diesem Fall halt auch ausgesprochen hoch.
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