Das Subgenre der Videospiel-Verfilmungen ringt auch 23 Jahre nach seiner Begründung durch die Kinoversion der "Super Mario Bros." noch immer um eine überzeugende Existenzberechtigung, denn einen wirklichen Hit hat es bis jetzt nicht hervorgebracht. Weder qualitativ, weil alle seine historischen Vertreter von "Mortal Kombat" über "Doom" bis "DOA - Dead or Alive" und "Need for Speed" mehr oder weniger miserabel waren, noch finanziell, weil die Rechnung "Massenhafte Spieler = massenhafte Kinozuschauer" bis jetzt noch nicht einmal richtig aufging. Zuletzt erwies sich auch die eigentlich ziemlich ordentliche Adaption "Warcraft: The Beginning" an den Kinokassen als mittelschwerer Flop. Leidlich funktional ist bislang nur die "Resident Evil"-Franchise, die sich als ziemlich preiswert produzierte Zombie-Trash-Reihe ihre eigene kleine Nische eararbeitet hat und darum auch mit sehr mittelmäßigen Kinoeinspielergebnissen zufrieden ist.
Nun versucht sich die französische Software-Schmiede Ubisoft daran, diesen Dauer-Negativ-Trend endlich einmal umzukehren, mit einer Kino-Adaption seiner extrem erfolgreichen Reihe "Assassin's Creed". An mangelnder Einsatzbereitschaft fehlt es hier nicht: Die Hauptdarsteller sind namhafte und sehr ernst zu nehmende Schauspieler, der Regisseur gilt seit seinem internationalen Durchbruch mit "Macbeth" als neues visionäres Wunderkind, und mit der Projektentwicklung hat man sich eine Menge Zeit gelassen, um zum richtigen Ergebnis zu kommen. Immerhin sind Pläne für eine Kinoadaption fast schon so alt wie das Ursprungsspiel von 2007. Der nun endlich vorliegende Film kann sich immerhin rühmen, die mit Abstand intelligenteste und anspruchsvollste Videospiel-Verfilmung zu sein, die es bislang gab. Ob das indes reicht, um auch einen echten Hit zu landen?
Die Gedanken an eine Verfilmung waren gut nachvollziehbar, denn "Assassin's Creed" basierte auf zwei ziemlich brillanten Ideen, die sich auch als Grundlage für einen packenden Film anbieten: Zum einen ist da das Konzept einer Science-Fiction-Technologie namens "Animus", die es einem Individuum erlaubt, in die Erinnerungen seiner Vorfahren einzutauchen, die in seinen eigenen Genen verborgen sind. Wie in einer virtuellen Realität durchlebt man also etwas, das vor hunderten von Jahren geschehen ist. Zum anderen die Rahmenhandlung der Spiele, in der es darum geht, dass der Templer-Orden (hier eine Illuminati-mäßige Weltverschwörungs-Truppe, die seit dem Mittelalter im Verborgenen aktiv ist) die Nachfahren seiner ewigen Widersacher, dem Geheimbund der "Assassinen", dazu missbraucht um verschollenen Artefakten auf die Spur zu kommen, welche die Assassine ihnen einst abgejagt haben. Als Spieler kämpfte man sich via "Animus" also in der Rolle eines Assassinen durch eine historische Epoche, um damit in der Gegenwart den Feinden der Assassinen zu helfen. Das ist für ein Videospiel eine ungewöhnlich doppelbödige Dramaturgie, und die macht dann auch den erzählerischen Reiz der Filmversion aus.
Diese bleibt den Grundideen der Spielreihe treu, ohne jedoch eine der bestehenden "Assassin's Creed"-Geschichten 1:1 zu adaptieren. Stattdessen gibt es eine neue Hauptfigur und eine neue historische Epoche. Callum Lynch (Michael Fassbender) heißt hier der Protagonist, und der ist ein etwas zwiespältiger Zeitgenosse mit deutlichem Aggressionsproblem. Zu Beginn des Films wird er wegen Mordes hingerichtet, dann jedoch von den Templern zurück ins Leben geholt, um per "Animus" in die Erlebnisse seines Vorfahren Aguilar im Spanien des 15. Jahrhunderts einzutauchen. Die brillante Wissenschaftlerin Sofia (Marion Cotillard) und ihr Vater, der bedeutende Templer Rikkin (Jeremy Irons) hoffen so herauszubekommen, wo die Assassinen, zu denen Aguilar gehörte, damals den Apfel von Eden verborgen haben. Grob angelehnt an die biblische Legende (Adam, Eva, das Paradies, die Schlange, der erste Sündenfall und so weiter) soll dieses historische Artefakt in der Lage sein, der gesamten Menschheit den freien Willen zu nehmen. Kurz: Wer den Apfel hat, kann die Welt regieren.
Das ist natürlich eigentlich grandios-absurder Unsinn, den man für eine Videospiel-Rahmenhandlung noch so durchwinkt, bei einem Kinofilm aber schon ziemlich lächerlich findet. Man muss "Assassin's Creed" indes zu Gute halten, dass er sein Szenario wirklich mit heiligem Ernst betreibt. Das heißt zum einen, dass es hier in der durchweg grimmigen Atmosphäre keine Auflockerung mit launiger Komik gibt. Und zum anderen, dass der Film sich sehr ernsthaft als Geschichte eines Aufstands versteht, in dem sich Menschen, die in Gefangenschaft zu willfährigen Werkzeugen reduziert werden, sich eben ihres freien Willens bemächtigen, um sich gegen ihre Ausbeutung zur Wehr zu setzen.
Das bedeutet übrigens auch, dass der Film vornehmlich in der Gegenwart spielt und eben nicht zum allergrößten Teil in der historischen Vergangenheit, so wie es bei den Videospielen stets der Fall ist. Denn als Film nimmt "Assassin's Creed" das Prinzip der "Animus"-Technologie viel genauer, als es die Spiele tun: Man kann damit nämlich eben wirklich nur eine Erinnerung durchleben, aber nichts darin verändern - schließlich ist das alles schon geschehen. Wenn sich Callum Lynch im Animus befindet, wird er quasi zu einem willenlosen Akteur in einer Art Film im Film. Dieser "Film im Film" besteht im Prinzip nur aus Action-Sequenzen, die sich große Mühe geben, dem "Look & Feel" der Videospiele nahe zu kommen - wie Aguilar hier kämpft, springt, flieht, verfolgt und inszeniert wird, ist visuell ganz nah dran an der Vorlage, und als Fan der Spiele wird man sich in diesen Sequenzen sehr wohl fühlen.
Dass diese sehr beeindruckend ausfallen, ist auch dem Handwerk von Regisseur Justin Kurzel zu verdanken, der ohnehin den ganzen Film extrem atmosphärisch gestaltet und dabei wie schon bei "Macbeth" beweist, dass er ein Fan von sehr viel Rauch und Nebel ist, um damit intensive Bild- und Lichteffekte zu erzielen. Apropos Nebel und "Macbeth": Bei seiner bildgewaltigen Neu-Inszenierung von Shakespeares blutigstem Drama färbte Kurzel den Nebel in immer tieferem Rot, je mehr die Gewalt in der Handlung zunahm, und fand eine bildstarke Ästhetik für den brutalen Aspekt seiner Geschichte. In dieser Hinsicht muss er hier nun deutlich auf die Bremse treten: Obwohl in allen "Assassin's Creed"-Spielen am laufenden Band blutig gemeuchelt und gemordet wird (und diese darum allesamt hier in Deutschland erst ab 16 Jahren freigegeben sind, wie der Film nun übrigens auch), zielte das Filmstudio mit der Kinovariante auf die US-Altersfreigabe PG-13. Eine Tatsache, die "Assassin's Creed" nicht guttut. Sie raubt dem Regisseur viele Möglichkeiten, um wirklich intensive Actionszenen zu schaffen, gerade da hier alles in permanentem Nahkampf mit Stichwaffen abläuft. Und gerade in einer Geschichte, in der es auch darum geht, die gewalttätige Disposition eines Menschen kontrollieren und unterbinden zu wollen, ist diese Selbstbeschränkung bei der bildlichen Darstellung von Gewalt und Brutalität eher kontraproduktiv.
Ein paar arge Logiklöcher, selbst wenn man den ganzen "Animus"-Mumpitz vorbehaltlos schluckt, und der ziemlich enttäuschende Showdown, der diesen Namen kaum verdient, tun dann ihr Übriges, dass man am Ende nicht wirklich überzeugt ist von "Assassin's Creed". Der Film verdient sich Lob für seinen Mut, eine Videospiel-Verfilmung, deren Geschichte im Kern eigentlich totaler Science-Fiction-Quatsch ist, mit so tiefem Ernst und fast schon philosophischen Untertönen anzugehen. Aber irgendwie wirkt das in diesem Kontext alles ein bisschen zu gewollt, gerade mit dem Casting schwergewichtiger Charakterdarsteller. Michael Fassbender agiert wirklich so, als könne man mit solch einer Rolle um ernsthafte Filmpreise konkurrieren, aber schon Marion Cotillard ist in einer letztlich anspruchslosen Rolle völlig unterfordert und verschwendet. Mangelnde Ambitionen kann man diesem Film nicht vorwerfen. Er hat viel gewollt, schafft aber leider nicht genug. Wie sagt man so: Da wäre mehr drin gewesen.
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