American Fiction

Land
Jahr
2023
Laufzeit
117 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 2. März 2024

Thelonious "Monk" Ellison (Jeffrey Wright) ist frustriert: der Autor und Literaturprofessor hat seit Jahren kein Werk an einen Verlag bringen können, weil seine Bücher weder den Mainstream für Bahnhofsbuchhandlungen bedienen, noch typisch "schwarze" Themen behandeln. Er sieht allerdings nicht ein, warum er nur über Gangs, Drogen und Armut schreiben sollte, bloß weil er Afro-Amerikaner ist. Entsprechend kriegt er auch das kalte Kotzen, als er die Nachwuchs-Autorin Sintara Golden (Issa Rae) aus ihrem sehr prägnant benannten Roman "We's lives in da Ghetto" lesen hört - der von der weißen Literaturszene natürlich als roh und authentisch abgefeiert wird. Als seine Familie von einer unerwarteten Tragödie getroffen wird und Monk sich plötzlich um seine demente Mutter kümmern muss, entlädt er seinen Frust, indem er als Scherz und unter Pseudonym den klischiertesten "schwarzen" Roman schreibt, den er sich nur vorstellen kann. Und landet damit auf einmal einen Mega-Erfolg.

Man kann sich in etwa vorstellen, was für zusehends absurde Kapriolen dieser Plot schlägt, während Monk seinem Alter Ego eine "authentische" kriminelle Vergangenheit andichten, Interviews geben und über die Filmrechte verhandeln muss, während er sein Machwerk eigentlich als übelsten Schund betrachtet und sich bei allem vorkommt wie ein betrügerischer Clown. Das ist als Satire auch alles sehr gelungen und stellenweise hochgradig komisch, vor allem wenn "American Fiction" die ganzen durchweg weißen Vertreter des Kulturbetriebs durch den Kakao zieht, die sich in ihrem Drang überschlagen, einer so lange ungehörten Minderheit eine Stimme zu geben, dabei aber nur gängige Stereotypen und Vorurteile reproduzieren, was einen "schwarzen Roman" eigentlich auszeichnet. 

Das Bemerkenswerte an "American Fiction" ist jedoch, dass er sich für all das eigentlich nur am Rande interessiert. Tatsächlich befindet sich der Film schon weit in seinem zweiten Akt, bevor Monk sich überhaupt an die Tastatur setzt und sein Schund-Machwerk in die Tastatur haut (eine übrigens filmisch grandios aufgelöste Szene). Bis dahin hat man es viel mehr mit einer Familiengeschichte zu tun, bittersüß, leise tragisch, und in ihrer Universalität entschieden nicht-schwarz. Und je länger "American Fiction" läuft, desto offensichtlicher wird, dass Regisseur und Autor Cord Jefferson seinen Debüt-Spielfilm lediglich in das Gewand einer Satire über einen über-woken, dabei aber eigentlich immer noch rassistischen Kulturbetrieb verpackt, der es einem schwarzen Autoren nicht zugesteht, einfach nur ein Autor und nicht in erster Linie ein Schwarzer zu sein. Denn in Wirklichkeit erzählt Jefferson ein eher stilles, nachdenkliches Charakter- und Familiendrama. Und mit Monk eine Hauptfigur, die droht, mit ihrer angestauten Wut und Verachtung sich alles Gute kaputtzumachen, was sie in ihrem Leben hat. 

Die Art, wie sich "American Fiction" aktiv verweigert, die rein satirische, überdrehte Komödie zu sein, die er mit seiner Prämisse auch hätte werden können, spiegelt dabei die künstlerische Haltung seines Hauptcharakters, der komplexe Geschichten über komplexe Menschen erzählen will, aber zu einer grell-unterhaltenden Hülle greifen muss, um überhaupt gehört zu werden. Es ist in der Hinsicht ein bisschen "meta" und subversiv, wie der Film seinem Publikum unterschwellig den Spiegel vorhält - weil es eben die Hülle der Satire über den dezidiert schwarzen Autoren braucht, damit wir uns dieses Charakterdrama ansehen, in dem die Hautfarbe der Protagonisten vollkommen egal ist. 

Trotz seiner eigentlich universellen Geschichte ist "American Fiction" aufgrund des satirischen Mantels aber dennoch ein sehr spezifisch amerikanischer Film, der seine Probleme haben dürfte, ein deutsches Publikum zu finden. Nicht ohne Grund hat der fünffach Oscar-nominierte Film (u.a. für Film, Hauptdarsteller, Drehbuch und Sterling K. Brown als bester Nebendarsteller in der Rolle von Monks spät geoutetem Bruder Cliff) hierzulande keinen Kinostart erlebt, sondern wird direkt auf Amazons Streaming-Dienst veröffentlicht. Vieles geht hier auch einfach "lost in translation", beispielsweise die Szene, in der aus "We's lives in da Ghetto" vorgelesen wird und die deutsche Synchronisation schlicht die Segel streichen muss, weil sie unmöglich einfangen kann, warum das, was Monk sich da anhören muss, so lächerlich und überspitzt klischiert ist. 

Also: Garantiert kein Film fürs breite Publikum - obwohl man Cord Jefferson zugute halten muss, dass er in seinem stillen Höhepunkt, wenn Monk sich mit Sintara Golden über seinen und ihren Klischee-Roman auseinandersetzt, auch die arrogante Überheblichkeit von Monk bloßstellt, der Kulturerzeugnisse, die sich an ein breiteres Publikum richten und dem Markt geben, was der Markt will, automatisch als minderwertig betrachtet. Wie "American Fiction" im Anschluss daran dann nochmal alle Erwartungen unterläuft und ganz bewusst nicht das Ende liefert, das man die ganze Zeit erwartet hat, ist auf seine Art dann nochmal ganz großes Kino. Auch wenn ganz am Schluss die stille Resignation steht, dass Monks Kampf gegen das Klischee ein vergeblicher bleiben wird. Der Markt kriegt, was er will. Aber zum Glück bietet der Markt auch noch eine bescheidene Nische für kleine Perlen wie diesen Film.

Bilder: Copyright

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