
Die Flut an Remakes wird auch im kommenden Jahr nicht abreißen, das ist sicher. Ein beliebtes Opfer bleiben weiterhin Horrorfilme. Jüngere Jahrgänge werden hinter dem im April erscheinenden „Evil Dead“ vielleicht eine rasche Wiederverwertung von „The Cabin in the Woods“ vermuten, tatsächlich basiert die Neuauflage natürlich auf Sam Raimis Genreklassiker „Tanz der Teufel“ von 1981.
Noch ein Jahr älter ist William Lustigs Psychopathenportrait „Maniac“, dessen Remake nun, passend zum Abschluss der gefühlsduseligen Weihnachtszeit, einen blutig-brutalen Kontrapunkt setzt. Weil Regisseur Franck Khalfoun die Story des etwas in die Jahre gekommenen Originalfilms zwar neu erzählt, dabei aber einen komplett anderen Ansatz wählt, möchte man seinem Werk die Daseinsberechtigung kaum absprechen. Etwas wirklich Gutes ist aber leider nicht entstanden.
Frank (Elijah Wood) ist ein Getriebener, ein Sadist, ein Frauenmörder. Tagsüber restauriert und schmückt er Puppen in einem von seiner Mutter geerbten Geschäft, nachts beschafft er sich die Mittel dafür. Er irrt durch die Straßen, Häuser und U-Bahnen von Los Angeles, auf der Suche nach Nähe, die immer in einem Massaker endet. Er beobachtet Frauen, folgt ihnen und empfindet die Tötung als Akt der Befriedigung. Dann zückt er das Skalpell, um am nächsten Tag in seinem Geschäft seiner anderen Tätigkeit nachgehen zu können. Eines Tages steht Anna (Nora Arnezeder), eine junge Französin, bewundernd vor Franks Laden und fotografiert seine Puppen. Die beiden freunden sich an, gehen gemeinsam ins Kino; Frank macht sich Hoffnungen. Doch seine inneren Dämonen scheinen ihm erneut jedes Glück verwehren zu wollen.
Ist es roh, rau und blutig, dann ist höchstwahrscheinlich ein Franzose dafür verantwortlich. Seit gut einem Jahrzehnt mischen unsere Nachbarn das Horrorgenre mit Werken der härteren Gangart auf, denen tatsächlich nur Fans solcher Filme etwas abgewinnen können. Zu den Mitbegründern und bekanntesten Vertretern dieser Ära zählt Alexandre Aja („High Tension“), der sich 2006 mit „The Hills Have Eyes“ bereits erfolgreich an einem Remake versucht hat. Der deutsche Verleihtitel möchte zwar weismachen, dass es sich auch bei „Maniac“ um „seinen“ Film handelt, tatsächlich zählt er lediglich zu den Drehbuchautoren. Regie führte sein langjähriger Weggefährte Franck Khalfoun. Diese Konstellation gab es bereits bei dessen Debütwerk „P2 – Schreie im Parkhaus“. Genau wie dieser ist der „Maniac“ des Jahres 2012 ein ambitionierter Film mit Potential, der leider in der Mittelmäßigkeit versandet.
Ambitioniert ist der Film deshalb, weil sich Khalfoun mit seiner Neuauflage ziemlich deutlich vom Original von 1980 abhebt. Das zu Grunde liegende Storygerüst, die Mischung aus Psychosplatter-Horror und Drama-Anleihen sowie bestimmte Schauplätze sind zwar erhalten geblieben, ansonsten hat diese neue Version mit der alten aber kaum mehr etwas gemein. Durch die Stadt und in ihr neue Orte metzelt sich nun ein schmächtiger Elijah Wood, dessen Ähnlichkeit mit dem hünenhaften Joe Spinell gegen Null tendiert – und das Ganze fast durchweg aus subjektiver Ego-Perspektive.
Was eine beeindruckende technische Leistung darstellt, funktioniert aus dramaturgischer Sicht jedoch nicht wie gewünscht. Eine Identifikation mit dem Protagonisten, zu der diese Kameraperspektive förmlich zwingt, kann nicht gelingen, weil Frank vielmehr als dass er ein bedauernswerter Mensch ein verabscheuungswürdiges Monster ist. Zu erklären, wie er zu diesem geworden ist, kann natürlich ebenfalls nur misslingen. Den – ausgesprochen platten – Versuch gibt es trotzdem.
„Maniac“ lebt allein von seiner kranken, düsteren Atmosphäre und der furchteinflößenden Darbietung von Elijah Wood, obwohl dieser die meiste Zeit über ja gar nicht zu sehen ist. Wunderbar irre hat Wood schon in „Sin City“ einen Frauen verspeisenden Serienmörder gespielt. Noch etwas nuancierter und in abgewandelter Form frischt er diese Rolle nun wieder auf. Der innovative Inszenierungsstil hingegen fasziniert zwar durchweg als Gimmick, hinterlässt emotional aber kaum eine Wirkung.
Was außerhalb dessen übrig bleibt ist ein Psycho-Drama mit knallharten Gewaltspitzen (die die FSK erfreulicherweise nicht davon abgehalten haben, dem Film ungeschnitten die Freigabe zu erteilen). Weil sich leider zu oft Fragen der Sorte „Warum verhält sich das Opfer nicht klüger?“ oder „Warum hört sie ihn nicht, wenn er schwer atmend direkt hinter ihr steht?“ stellen und die Mordszenen manchmal allzu offensichtlich auf bloße Brutalität angelegt sind, wird aus „Maniac“ trotz guter Voraussetzungen kein packender Film. Sowas kann in einem reinrassigen Genrefilm funktionieren, doch möchte Khalfouns Neuinterpretation ja mehr sein als das. Gehobeneren Ansprüchen stehen jedoch Küchenpsychologie und allzu konstruierte Konstellationen im Wege.
Denn natürlich ist Anna eine Frau mit natürlicher Schönheit und nicht bloß ein aufgemotztes Püppchen wie vorherige Opfer – was ihr schon mal Bonuspunkte im Überlebenskampf sichert. Und selbstverständlich kriselt es in ihrer Beziehung mit einem Freund, der sich als Arschloch entpuppt. Und natürlich deutet Frank die Zeichen, die ihm Anna – leicht naiv und unbedarft wie sie ist – permanent sendet, kolossal falsch. Dem Handlungsbogen spielt das alles allzu offensichtlich in die Karten.
„Maniac“ hebt sich aus der Masse der aktuellen Horrorfilme heraus und erfüllt dabei in Sachen Härte alle Erwartungen. Doch weil Khalfoun die Ansprüche des Genrepublikums und die Erfordernisse eines plausiblen Psychogramms nicht unter einen Hut bekommt und sich deshalb andauernd in klischeehaften Auflösungen dieses Zwiespalts verrennt, bleibt nur der ungewöhnliche Inszenierungsstil positiv in Erinnerung.
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