Im Japan des 18. Jahrhunderts lebt das Halbblut Kai (Keanu Reeves) am Hofe des gutmütigen Lords Asano, ohne jedoch von dessen Samurai jemals als vollwertiges Mitglied akzeptiert zu werden. Dann jedoch fällt sein Herr einer Intrige des Widersachers Lord Kira (Tadanobu Asano) zum Opfer, der sich dafür der dunklen Künste der Hexe Mizuki (Rinko Kikuchi) bedient. Kai wird in einen Kerker gesperrt und sämtliche 47 Samurai des sich selbst durch Seppuku das Leben nehmenden Lord Asano werden verbannt um fortan als herrenlose Ronin durchs Land zu ziehen. Als Kai jedoch nach einem Jahr sein Gefängnis verlässt, beschließen er und die ehemaligen Samurai gemeinsam Rache zu nehmen. Kai soll für Waffen und Ausrüstung sorgen um dem übermächtigen Feind entgentreten zu können. Doch bevor es dazu kommt, gilt es sich erst noch einigen äußerst unheimlichen und fremdartigen Wesen zu stellen.
Die Legende vom Rachefeldzug der 47 Ronin, die ihrem Herrn auch über dessen Tod hinaus treu blieben und schließlich für Gerechtigkeit sorgten gehört in Japan zum Allgemeingut und ist auch (zumindest in ihren Grundzügen) historisch verbürgt. Dementsprechend hat man sich daher dort auch bereits mehrfach des Themas angenommen und diverse Film-, Fernseh- und Theaterversionen verfasst. Aber auch in Hollywood fand irgendjemand diese Geschichte einfach zu verlockend, um es noch einmal mit einer möglichst weltweit vermarktbaren Großproduktion zu probieren und deshalb schneit und nun also dieses 200 Millionen Dollar-Event ins Haus. Was aber darf man erwarten, wenn sich die amerikanische Traumfabrik eine asiatische Legende vornimmt? Eine historisch akkurate Adaption oder doch eher auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurecht gestutztes Popcornkino? Die Antwort lautet weder noch, denn dieser Film ist ein echter Zwitter, vereint dabei jedoch leider nicht das Beste zweier Welten sondern setzt sich auf bemerkenswerte Weise zwischen alle Stühle.
Da sich mit den diversen Einerseits/Andererseits- Elementen problemlos ein ganzer Absatz füllen lässt, machen wir doch einfach mal genau das. Einerseits bemüht man sich um Stil und Beachtung der japanischen Kultur, weshalb hier auch die Sympathieträger meist stoisch gelassen agieren und äußerlich praktisch keine Emotionen erkennen lassen. Konsequenz: Eine Reihe sehr ruhiger und getragener Passagen, die man auch als langweilig empfinden kann, aber nicht zwangsläufig muss. Um das wieder auszugleichen, präsentieren sich andererseits die Schlachtszenen dafür umso aufwändiger und wilder, doch um auch wirklich ganz sicher zu gehen und dem Zuschauer „mehr“ zu bieten hat man sich tatsächlich entschlossen in das eigentlich rein historische Abenteuer auch gleich noch einen Schuss Magie sowie diverse Fantasy-Wesen mit einzubauen. Doch fügen sich die erkennbar am PC animierten Drachen & Co. bedauerlicherweise so gar nicht zum Rest.
Dann zeichnet man einerseits die Ronin recht originalgetreu und lässt deren über allem stehenden Ehrenkodex dafür sorgen, dass ein klassisches Happy-End hier schlicht nicht möglich ist. Damit unterläuft man also recht mutig amerikanische Sehgewohnheiten, baut aber andererseits dann doch noch in der Nachproduktion die Rolle des einzigen bekannten Hollywood-Darstellers kräftig aus, um das Identifikationspotential irgendwie zu erhöhen. Und so schlafwandelt dann ein für diese Rolle eigentlich deutlich zu alter Keanu Reeves als heimlich und unglücklich verliebtes Adoptivkind durch eine höchst merkwürdige Rolle.
Da passt also nicht viel zusammen und diese zahlreichen Ungereimtheiten machen die Angelegenheit zu einer genauso unbefriedigenden wie mitunter anstrengenden. Was sich nicht leugnen lässt, ist das der Film sehr gut aussieht, aber das durfte man beim kolportierten Budget von gut 200 Millionen Dollar wohl auch mindestens erwarten. 200 Millionen, von denen ein Großteil bereits als in den japanischen Sand gesetzt gelten muss, wusste doch das amerikanische Publikum auch nicht so recht, was es von diesen Helden mit der Vorliebe zum rituellen Selbstmord halten sollte und sah sich den Film deshalb vorsichtshalber erst gar nicht an.
Das endgültige Urteil auf dem asiatischen Markt steht zwar noch aus, doch dürfte man sich dort angesichts der Verfremdung der hauseigenen Legende zu einem kruden Fantasy-Spektakel auch nur bedingt amüsiert zeigen. Aber wer weiß, vielleicht entwickelt sich „47 Ronin“ ja im unbeteiligten Europa zum unerwarteten Überraschungshit. Allzu viel spricht allerdings nicht dafür.
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