Es gibt schon merkwürdige Orte auf unserer Welt. Denn wer möchte freiwillig in einer Stadt leben, in der einen ganzen Monat lang die Sonne nicht aufgeht? Den Einwohnern von Barrow in Alaska steht dieses Erlebnis jedes Jahr einmal bevor und die meisten machen sich deshalb auch für diese Zeit auf und davon in Gegenden mit etwas humaneren Lebensbedingungen. Die Zahl derjenigen, die bleiben, ist jedoch groß genug um sie für einen ganz besondere Art von Besuchern interessant zu machen: Eine Gruppe von Vampiren sucht sich das beschauliche Örtchen nämlich für die nächsten 30 Tage als Urlaubsort mit Vollpension aus. Nachdem man mittels eines menschlichen Helfers dafür gesorgt hat, dass Barrow kommunikativ von der Außenwelt abgeschnitten wird, bedeutet dies dann zunächst mal zwei Mahlzeiten pro Tag, wenig Gegenwehr und keine Angst vor dem nahenden Sonnenaufgang. Aber nicht alle Einwohner akzeptieren ihr Schicksal als Menü auf der Speisekarte, und angeführt vom jungen Sheriff Eben Oleson (Josh Hartnett) entwickelt sich schließlich ein dramatisches Katz und Maus-Spiel zwischen Jägern und Beute.
Tolle Idee, warum ist da noch keiner früher drauf gekommen? Das fragen sich nicht nur die Blutsauger im Film irgendwann, sondern sicher auch der eine oder andere Drehbuchautor mit Wohnsitz Hollywood, Kalifornien. Da musste also erst der Comicautor Steve Niles kommen, um vor ein paar Jahren diesen originellen Ansatz zu präsentieren. Der geniale Einfall mit den 30 dunklen Tagen als idealem Schauplatz für eine neue Vampirgeschichte verschaffte Niles prompt einen Millionenscheck für die Filmrechte plus der Zusicherung, als Drehbuchautor selbst bei der Adaption seines Stoffes mitwirken zu dürfen.
Für Zeichner Ben Templesmith galt das natürlich nicht, der bleibt hier außen vor. Was aber problematisch ist, hatte der Künstler doch mit seinem eigenwilligen, leicht nervösen und fast abstraktem Stil einen mindestens ebenso großen Anteil am überzeugenden Gesamteindruck der Graphic Novel. Und obwohl sich Regisseur Slade vor allem bei der Darstellung seiner Vampire mit ihren maskenhaften, stets etwas blutverschmierten Gesichtern sehr stark an der Vorlage orientiert, hakt es bei der Umsetzung fürs Kino doch an der ein oder anderen Stelle.
Denn nach einem stimmungsvollen Auftakt mit verschwundenen Handys, einem Fremden der nebulös das kommende Unheil ankündigt und dem anschließenden ersten großen Schlachtfest, kühlt die Geschichte merklich ab - was sicher nicht nur mit entsprechenden Arbeitsbedingungen der Filmcrew erklärt werden kann. Stattdessen gibt es mehrere Zeitsprünge von einigen Tagen, bei denen man sich doch fragt, was denn sowohl Jäger als auch Gejagte in der Zwischenzeit so getrieben haben oder warum sich die Fieslinge eigentlich nicht von vornherein ihre Mahlzeiten ein wenig besser eingeteilt und aufbewahrt haben. Und obwohl also gar nicht mal alle 30 Tage einzeln gezeigt werden, macht sich im Mittelteil ab und zu etwas Langeweile breit, wenn allzu offensichtlich die Zeit zwischen furiosem Auftakt und dramatischem Finale irgendwie überbrückt werden soll. Ein paar Minuten nimmt dabei die Ehekrise des Sheriff-Pärchens in Anspruch, ein Element welches in der Vorlage nicht auftaucht, hier nun aber für wenigstens ein wenig Charakterisierung der ansonsten nicht besonders fein gezeichneten Hauptfiguren sorgt.
Verzichtet haben Slade und Niles dafür aber auf den Handlungsstrang, bei dem es in der Vorlage zum Streit unter den Vampiren und zum Auftauchen des eigentlichen Anführers kommt. Da dieser auch eher der in den Folgebänden näher beleuchteten Hintergrundgeschichte geschuldet ist eine verständliche Entscheidung, die allerdings die Blutsauger noch etwas eindimensionaler erscheinen lässt als sie es ohnehin schon sind. Wobei "Blutsauger" auch fast schon eine viel zu harmlose und zurückhaltende Bezeichnung ist, denn mit den Romantikern der guten alten Dracula-Schule haben diese Damen und Herren eher wenig zu tun. Es handelt sich vielmehr um regelrechte Fressmaschinen mit äußerst diskussionswürdigen Tischmanieren, die sich zudem in einer merkwürdigen Phantasie-Sprache unterhalten, welche sie aber freundlicherweise für uns untertiteln lassen.
Irgendwie merkwürdig auch, dass sich Regisseur David Slade nach seinem zwar umstrittenen, aber doch sehr subtilen Psychodrama "Hard Candy" nun für diese von ihm kompetent inszenierte, phasenweise aber schon recht abgedrehte Schlachtplatte als Nachfolger entschieden hat.
Eine Frage, auf die zumindest jene Kollegin in der Pressevorführung keine befriedigende Antwort gefunden hat, die die Vorstellung ungefähr in der Mitte mit den Worten "was für ein kranker Scheiß" verließ. Wir wissen nun nicht, für welches sensible Magazin diese Dame tätig ist, können ihr andererseits aber auch nicht grundsätzlich widersprechen. Wobei ein derartiger Kommentar ja für entsprechende Genrefans schon fast ein Kompliment darstellen dürfte, und für diese ist "30 Days of Night" deshalb auch durchaus empfehlenswert. Aber eben auch nur für diese.
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