In der Antarktis entdeckt ein norwegisches Forscherteam im Jahre 1982 Unglaubliches: Ein im Eis eingefrorenes Raumschiff und ein anscheinend vollständig konservierter Körper eines unbekannten Wesens. Zu den wenigen Menschen, die zunächst von dem Fund erfahren, gehört auch die junge Wissenschaftlerin Kate Lloyd (Mary Elisabeth Winstead), die sich zusammen mit einem knappen Dutzend eher bärbeißiger Männer in der Station an die Arbeit macht. Doch das Auftauen der Kreatur erweist sich als fataler Fehler, denn diese ist nicht nur am Leben, sondern stürzt sich auch sofort aggressiv auf die Menschen. Da sie zudem in der Lage zu sein scheint, andere Körper zu übernehmen, ohne dass man dies von außen erkennen kann, greift schnell gegenseitiges Misstrauen um sich - denn wem kann man überhaupt noch vertrauen?
Zur Einsortierung: Der oft als Remake angekündigte Film „The Thing“ des Niederländers Matthijs van Heijnigen ist formell ein Prequel, welches die Vorgeschichte von John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ erzählt. Dessen Film wiederum beruhte auf dem allgemein als frühen SF-Klassiker anerkannten, gleichnamigen Schwarzweiß-Film von 1951, welcher sich seinerseits an der Kurzgeschichte „Who goes There?“ von John W. Campbell aus dem Jahr 1938 orientierte. Alle paar Jahrzehnte sucht es uns also wieder heim, dieses „Ding“. Wobei sich vor allem der Carpenter-Film nach einer eher durchwachsenen Rezeption im Erstaufführungsjahr im Laufe der Zeit den Status „Kult“ erarbeitete, von vielen mittlerweile sogar als bestes Werk dieses Filmemachers überhaupt angesehen wird und sich auch einen Eintrag in unserer eigenen „Gold“-Rubrik verdiente. Dieser Status unter Genrefreunden war aber auch der Hauptgrund dafür, dass der angekündigten Neufassung mit einiger Skepsis oder zumindest mit Indifferenz begegnet wurde. „Wozu?“ lautet die nicht ganz unberechtigte Frage, war Carpenters Film doch seiner Zeit im Grunde voraus, setzte bis dahin ungesehene Splatter-Effekte ein und wirkt auch heute noch sehr frisch.
Nicht ungeschickt also, den Vorwurf eines unnötigen Remakes dadurch zuentkräften, dass man eben eine neue Geschichte erzählt, und uns das zeigt „was davor geschah“. Was zwar faktisch richtig, letztendlich aber eigentlich doch nur eine Behauptung ist, denn im Grunde ist es hier eben doch noch einmal ganz genau die gleiche Story und Handlung die auf den Tisch kommt: Eine von der Außenwelt abgeschnittene Gruppe von Wissenschaftlern wird nach dem „Zehn kleine Negerlein“–Prinzip und auf visuell stets spektakuläre Weise dezimiert, wobei der besondere Dreh darin besteht, dass der „Feind“ zunächst immer nicht zu erkennen ist und jedes potentielle Opfer genauso gut von einem Moment auf den anderen auch Täter sein kann. „Neu“ ist eigentlich nur die attraktive, junge weibliche Hauptfigur inmitten der Ansammlung aus knorrigen Wissenschaftlern und Waldschraten, was das Ganze trotz einer soliden Leistung von Mary Elisabeth Winstead (zuletzt als Objekt der Begierde von „Scott Pilgrim“ zu sehen) nicht unbedingt realistischer macht.
Ganz auf der Höhe der Zeit präsentieren sich natürlich auch die Effekte, diesmal vorwiegend mit dem Computer statt in mühseliger Kleinarbeit vom Maskenbildner entworfen, aber im Ergebnis von grotesk verformten Wesen durchaus kompatibel und sicher wieder nicht jedermanns Geschmack. Als es dann mit dem Kopieren allzu dreist zu werden droht und sich sogar die Neuauflage der berühmten „Bluttest“-Szene andeutet, beweist man aber immerhin eine gewisse Cleverness und serviert dem Zuschauer stattdessen einen kleinen Bluff.
Worin der neue Film dann aber doch überzeugend scheitert sind Spanungsaufbau und Atmosphäre, jedenfalls im Vergleich zum Vorbild. Ja, man kann die meisten Figuren zumindest recht gut auseinanderhalten und weiß sicher auch nicht immer wer wohl als Nächstes dran glauben muss. Aber insgesamt ist die Entwicklung nicht nur deshalb vorhersehbar, weil man das Endergebnis ja in der Tat bereits kennt, sondern weil sich das Geschehen doch eine gute Stunde lang in relativ gleichmäßigen Bahnen bewegt, stets im Fünf Minuten-Rhythmus zwischen Action und Ruhepausen wechselt.
Das Ergebnis ist ein ganzes Stück glatter und unaufregender als Carpenters Film, bietet zudem klischeehaftere Figuren wie den nur an verwertbaren Ergebnissen interessierten, rücksichtslosen Wissenschaftler und eben die ganz eindeutig „gute“ Identifikationsfigur in Person der edlen Kate, bei der wirklich nie der Verdacht aufkommt, auch sie könnte eventuell nicht absolut vertrauenswürdig sein. Auch das Ende des Handlungsbogens für diese Figur ist dann noch ein ziemlich billiger Trick um einerseits nicht direkt dem schon existierenden Film zu widersprechen, gleichzeitig aber doch die Konventionen zu bedienen, auf die ein John Carpenter drei Jahrzehnte zuvor so genüsslich gepfiffen hat.
Was für sich genommen also als ganz hübsch anzuschauender und solide inszenierter Genrebeitrag durchgehen könnte, fällt im Vergleich zum von den Verantwortlichen ja immer wieder selbst beschworenen Vorbild doch so stark ab, dass die Frage nach der Existenzberechtigung weiter im Raum stehen bleiben muss. Dieses neue „Thing“ fügt dem Thema keine interessanten neuen Aspekte und keine neue Ebene hinzu. Zwar ist die zu den Endcredits laufende Schlussszene dann wirklich ein (auch musikalisch) sehr schöner Übergang zum Carpenter-Film und lässt einem mit einem etwas besseren Gefühl aus dem Kino gehen. Doch das alleine ist natürlich viel zu wenig.
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