Secretariat - Ein Pferd wird zur Legende

Originaltitel
Secretariat
Land
Jahr
2010
Laufzeit
123 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 14. November 2010

 

Sportfilme, basierend auf wahren Ereignissen, sind immer ein ziemlich effektives Filmthema. Der Sport sorgt für die authentische hohe Dramatik, welche das entscheidende Spiel/Rennen/Wettkampf von ganz allein mit sich bringt, vor allem bei Beteiligung eines krassen Außenseiters. Das wahre Ereignis nutzt die Erinnerung der Zuschauer und/oder die bereits erfolgte Legendenbildung und lockt sein Publikum mit dem Versprechen, das denkwürdige Geschehen quasi noch einmal hautnah erleben zu können. "Miracle - Das Wunder von Lake Placid" war zum Beispiel so ein Film, oder "Seabiscuit". Und wie in diesem geht es auch in "Secretariat" um die wahre Geschichte eines - zumindest in den USA - sehr bekannten Rennpferds.

Was "Secretariat" allerdings im direkten Vergleich zu "Seabiscuit" fast komplett abgeht, ist echtes Drama in den Grundelementen seiner Geschichte. Seabiscuit war ein klassischer Außenseiter, ein kleinwüchsiger Fast-Krüppel von einem Pferd; er feierte seine Triumphe während der Großen Depression der 1930er Jahre und wurde damit zu einer mutmachenden Metapher für die Möglichkeit von Aufstieg und Erfolg, wenn die Chancen auch noch so schlecht stehen. Und die von Schicksalsschlägen geprägten Geschichten der zentralen Menschen um das Pferd herum sorgten für die menschliche Dramatik. "Secretariat" hat nichts davon: Diese Geschichte spielt Anfang der 70er Jahre, als es Amerika (mal abgesehen vom Vietnamkrieg, der hier nicht mehr als eine Randnotiz ist) ziemlich prächtig ging; das Pferd erweist sich vom Moment seiner Geburt an als einzigartiges Wunderwesen, an dessen Berufung zum einzigartigen Rennpferd nie auch nur der kleinste Zweifel existiert. Und den Menschen um das Pferd herum geht es definitiv gut genug, als dass sie auch ohne diesen Gaul ein ausreichend erfülltes Leben hätten.
Diesen Mangel an richtigem Drama weiß sich "Secretariat" allerdings sehr überzeugend zu Nutze zu machen, indem sich der Film nämlich aufs absolut Essentielle reduziert. Das heißt: Dies hier ist zuerst und vor allem ein Film über den Sport des Pferderennens. Ja, es gibt auch eine emotionale Geschichte rund um die Hauptfigur Penny Chenery (Diane Lane), die den Pferdestall ihres Vaters erbt und aus ihrer Rolle als brave Hausfrau ausbricht, um mit der Hoffnung auf den großen Durchbruch von Secretariat das Lebenswerk ihres Vaters zu erhalten. Darum erzählt der Film auf seiner menschlichen Ebene vor allem eine Emanzipationsgeschichte, in der Penny sich in der reinen Männerwelt des Pferdesports behauptet. Angenehm und beachtlich ist dabei, wie schlicht und unprätentiös "Secretariat" diesen Aspekt behandelt. Die schleichende Entfremdung zwischen Penny und ihrem Ehemann und wie ihr Einsatz um die Pferdezucht den Zusammenhalt ihrer Familie belastet, wird dezent und subtil in die Handlung eingeflochten, ohne dass der Film diesen Konflikt jemals Soap Opera-mäßig zur großen Explosion mit tränenreichen Streitereien bringt. Angesichts dessen, dass es sich hier um eine Disney-Produktion handelt, ist die undramatische Schlichtheit, mit der das Thema Familie hier ohne große Worte und Gesten behandelt wird, schon eine Überraschung - und zwar eine eindeutig positive.
In "Secretariat" wird mehr über Abstammungslinien von Rennpferden als über zwischenmenschliche Konflikte geredet, denn ersteres ist für das zentrale Thema dieses Films nun mal wichtiger als letzteres. Selbst wenn man kein Interesse an und absolut keine Ahnung von den Feinheiten des Pferderennsports hat, nimmt einen "Secretariat" bei der Hand und erklärt durch seine geschickt aufgebaute Erzählung, was die entscheidenden Feinheiten und Faktoren sind, die ein großartiges Rennpferd ausmachen, und wo die taktischen Tricks und Finessen liegen, wenn das Tier erstmal auf der Rennbahn unterwegs ist. So sind die zentralen Figuren dieses Films neben der Besitzerin Penny Secretariats Trainer (John Malkovich in der in solch einem Film obligatorischen "Bunter Vogel"-Rolle, die für die humorige Auflockerung zuständig ist), sein Pfleger und sein Jockey. Die Welt des Pferderennens steht hier so dermaßen im Fokus, dass man als unwissender Zuschauer hier wirklich etwas lernen kann - und drum am Ende auch sehr gut versteht, was an Secretariats großem Triumph so außergewöhnlich war.

An diesem Triumph krankt indes der ganze Film ein bisschen, was sich dann doch als Krux der wahren Ereignisse als Filmthema erweist. Man weiß halt vorher, wie's ausgeht (und selbst wenn man die Geschichte von Secretariat nicht schon vorher kannte, so ist doch glasklar, dass sie nicht verfilmt worden wäre, wenn sie nicht in einem legendären Erfolg endet), und weil es sich bei Secretariat eben nicht um einen Underdog handelte, sondern um ein offensichtliches Naturtalent, bei dem die Legendenbildung weniger darauf basierte, dass er gewann, sondern wie er es tat, fehlt hier eben leider der besondere Kitzel einer "Triumph des krassen Außenseiters"-Geschichte. Und das macht einen an sich sehr guten Film dann leider doch nur bedingt faszinierend. "Secretariat" ist vorbildlich erzählt, sehr sauber inszeniert und toll gespielt. Aber inhaltlich dann doch einfach zu egal, um wirklich mitreißen zu können, wenn man sich nicht gerade brennend für Pferderennen interessiert.

Bilder: Copyright

Mal ganz ehrlich:

So RICHTIG funktionieren Sportfilme doch eigentlich nur in den USA. Ich zumindest habe dieses Genre schon immer als eher überflüssig empfunden, und kann mich auch nicht entsinnen, dass ein solcher Film außerhalb Amerikas mal so RICHTIG Reibach an der Kinokasse gemacht hätte. Von nicht-amerikanischen Sportfilmen ganz zu schweigen...

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@ Jane the Bane
da gibts ne interessante these zu...ich glaube es war im zusammenhang mit "fever pitch". die amerikanischen sportfilme sind den europäischen sportfilmen unter anderem deshalb überlegen, weil sich football,baseball und motorsport filmisch sehr viel besser und spannender umsetzen lässt, als europas beliebteste sportarten: fußball, fußball und,äh...fußball.
bei den amerikanischen sportarten kann das "spielgerät" und der sportler fast immer gleichzeitig eingefangen werden...das geht bei fußball nunmal nich und wird daher niemals zufriedenstellend umgesetzt werden können...

zum film: werd ich mir dann doch wohl mal anschauen...hatte vor dem lesen der rezension mit einem auf die tränendrüse drückendem brechmittel a la "seabiscuit" oder schund wie "im rennstall ist das zebra los" gerechnet, da disney ja nicht unbedingt berühmt für seine ernstzunehmenden sportfilme ist.

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Ich frage mich, ob das Genre Sportfilm nicht ein Genre wie Essensfilm bedingt und beim Thema Pferd denke ich da direkt an Salami...
Vielleicht ein Crossoverfilm der dann "Eating Secretariat" heisst und den Film nach dem letzten Rennen zeigt.

Disney kommt von den deutschen Worten "Dies nie" und beantwortet hier die Frage, ob man sich dies angucken sollte.

Geschmackssache. Womit wir wieder am Anfang meines sinnlosen Kommentars wären :-)

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