Zu Beginn des neuen Films der "Saw"-Schöpfer James Wan und Leigh Whannell fährt die Kamera wild durch ein düsteres Haus, zeigt schlafende Kinder und endet an einem Fenster, hinter dem sich eine furchterregende Gestalt auftut. Unter ohrenbetäubendem Lärm erscheint der blutrot gefärbte Filmtitel "Insidious" ("Hinterlistig") vor schwarzem Hintergrund. James Wan kann sicherlich vieles, nicht jedoch subtil erzählen. Gut so. "Insidious" ist ein fast schon altmodischer Gruselfilm, bierernst, ohne (selbst)ironischen Unterton. Deshalb auch manchmal albern bis lächerlich, nichtsdestotrotz absolut gelungen.
Für Familie Lambert beginnt ein neues Kapitel in ihrem Leben, das schönste soll es sicher werden. Zu Beginn noch ein wenig stressig, aber das bringt er mit, der Einzug in ein riesiges Haus. Lehrer Josh (Patrick Wilson) geht tagsüber arbeiten, Musikerin Renai (Rose Byrne) bleibt daheim und passt auf das jüngste der drei Kinder auf. Doch noch bevor sich die junge Familie an ihr neues Zuhause gewöhnen kann, geschieht Tragisches: Sohn Dalton (Ty Simpkins) klettert auf den Dachboden und schreit panisch auf; in der darauf folgenden Nacht fällt er in ein mysteriöses Koma, dem auch die Ärzte hilflos gegenüber stehen. Auch nach Monaten wacht Dalton nicht auf und zu allem Überfluss wird das Haus nun scheinbar von Geistern heimgesucht. Renai hört Geräusche, sieht Gestalten, zweifelt an ihrem Verstand und überredet Josh zum Auszug. Doch nach nicht einmal einem Tag im neuen Heim setzen sich die Angriffe der Geister fort und werden dabei immer aggressiver, böser, hinterlistiger.
Gerade einmal anderthalb Millionen Dollar hat sie gekostet, diese unkonventionelle Geister-Geschichte, und mehr als 50 Millionen hat sie allein an den US-Kinokassen schon eingespielt. Und das ganz ohne Torture Porn, wie man es bei James "Die Säge" Wan ja durchaus hätte erwarten dürfen. Wan und Whannell wollten mal etwas anderes als Blut und Gedärme zeigen - erfreulich, dass ihnen das nicht nur gelungen ist, sondern dass sich die Leute das auch anschauen.
Die Mittel, derer sich Wan und Whannell bedienen, sind im Prinzip bekannt. Da huschen Gestalten durchs Bild, knistert das Babyphone, tauchen blutige Fingerabdrücke auf dem Bettlaken auf. Doch Wan hat ein gutes Gespür für Timing und setzt die Schocks so, dass sie den Zuschauer doch in den Sitz quetschen. So steht beispielsweise die dämonische Gestalt, die man beim nächsten Kameraschwenk irgendwo im Bild erwartet, nicht einfach nur draußen vorm Fenster, sondern plötzlich ziemlich bedrohlich direkt im Zimmer. Und auf der Tonspur gibt's parallel dazu keine Anzeichen von Zurückhaltung. In seinen gelungensten Momenten ist "Insidious" Terror-Kino vom Feinsten.
Richtig interessant, aber durchaus auch sehr zwiespältig, wird "Insidious" jedoch erst nach dem Umzug der Familie. Denn nun wird klar, dass sich Wan und Whannell, die im Übrigen selbstkritisch auf ihr gemeinsames Werk "Dead Silence" zurückblicken, mit dem Spukhaus-Metier nicht zufrieden geben und die Pfade des Horror-Mainstreams rasch verlassen. Den Exorzisten gibt's bald auf Speed und einer der Protagonisten reist in eine dunkle Welt namens "Die Ferne". Und die ist schwarz, einfach nur schwarz.
Es ist schon ein wenig albern, was sich die beiden Herren da für den Fortgang ihrer Geschichte ausgedacht haben. Ja, man muss sich sogar manchmal das Lachen verkneifen. Doch irgendwie ist dieser ganze Quatsch auch sehr erfrischend in einem Genre, dessen Vertreter nach zehn Minuten meist alles erzählt haben und dann nur noch abschlachten. Und wenn nicht im Horrorgenre, wo dann sollte man die Grenzen der Realität zu überschreiten versuchen? "Insidious" hat keine halbgare "Jemand wurde mal qualvoll getötet und rächt sich jetzt"-Erklärung, die im Kern ja doch fest in unserer Welt verankert ist. Stattdessen ist der Horror in "Insidious" wirklich nicht von dieser Welt.
Ob man es will oder nicht, James Wan und Leigh Whannell haben sich im Horror-Genre fest etabliert. Mit "Saw" prägten sie die Tonart eines gesamten Jahrzehnts, "Death Sentence" war zwar nicht clever, aber teils aufregend gemacht, und "Insidious" ist im besten Sinn klassisches Grusel-Kino, dem im Gegensatz zu Sam Raimis Back-to-the-Roots-Ausflug "Drag Me To Hell" der humoristische Unterton abgeht. Der dafür aber die fiese Schlussbemerkung mit übernommen hat.
Man kann Wan/Whannell vorwerfen, dass sie das Rad mal wieder nicht neu erfunden haben und sich in einigen Szenen auch nicht so ganz vom hier unpassenden "Saw"-Stil lösen konnten. Für eine klare Empfehlung an alle Genre-Fans, aber auch nur die, reicht es dank des handwerklichen Geschicks, überzeugender Darsteller und manch erinnerungswürdiger Szene dennoch.
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