Blue Valentine

Originaltitel
Blue Valentine
Land
Jahr
2010
Laufzeit
112 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 7. August 2011

"Blue Valentine" gehörte zu den gefeierten Höhepunkten des letztjährigen Sundance Filmfestivals, und erwies sich als eine gewisse "Back to the roots"-Frischzellenkur für dieses Mekka des amerikanischen Independent-Films, das in den letzten Jahren drohte, in seinen selbst gezimmerten Klischees zu erstarren. Vom inzwischen typischen "Sundance Movie", einer tragikomischen Geschichte über eine dysfunktionale Familie voller skurriler Gestalten (siehe z.B. "Little Miss Sunshine") ist "Blue Valentine" ganz weit weg, und lässt auch jene "Feel good"-Anbiederung an ein breiteres Publikum beiseite, die bei vielen Independents zunehmend die Frage aufwirft, wo sie sich - jenseits der Finanzierung außerhalb der großen Filmstudios - eigentlich noch vom üblichen Hollywood-Mainstream unterscheiden.
So etwas muss man sich hier nicht fragen. Roh, direkt, ungeschönt und schmerzhaft ehrlich seziert "Blue Valentine" den Anfang und das Ende einer Liebe, geht unkonventionelle Wege in seiner Erzählung und zerredet den emotionalen Wandel seiner beiden Protagonisten nicht, sondern überlässt es ganz und gar der famosen Schauspielkunst seiner Hauptdarsteller, diesen zu transportieren. Ergebnis ist ein intensiver, kraftvoller Schauspielerfilm, eines der Programmkino-Highlights dieses Jahres.

"Blue Valentine" erzählt die Geschichte von Dean (Ryan Gosling, "Wie ein einziger Tag", "Das perfekte Verbrechen") und Cindy (Michelle Williams, bekannt aus "Brokeback Mountain" und der TV-Serie "Dawson's Creek"). Zu Beginn erleben wir die beiden in ihrem unglamourösen, anstrengenden Beziehungsalltag: Cindy hat es eilig, das Frühstück zu erledigen und zur Arbeit zu kommen, während Dean sorglos mit der kleinen Tochter Frankie herumalbert, was dem Kind zwar Spaß macht, aber an den Nerven der Mutter zehrt. Man merkt bald: Cindy ist überarbeitet und entnervt von Deans mangelnder Ernsthaftigkeit und seinen quasi nicht existenten Ambitionen. Dean spürt das und befindet spontan, dass sie sich einen Tag für sich gönnen sollten, liefert Frankie beim Opa ab und entführt Cindy auf eine Nacht in ein Pärchen-Motel.
Parallel dazu erleben wir den Anfang von Cindys und Deans Beziehung, wie sie sich knapp sechs Jahre vorher kennengelernt und ineinander verliebt haben. Zwei junge Menschen, wahrlich nicht frei von Problemen, aber erfüllt von Kraft, Hoffnung und dem ganz großen Gefühl füreinander. Es sind Szenen wie aus einem Film über eine gigantische, romantische Liebe gegen alle Widerstände, zutiefst rührend und ergreifend. Wäre da nicht der ständige Kontrast zum Hier und Jetzt, das Wissen darum, wo diese Beziehung hinführen wird….

Es ist im Prinzip eine allgegenwärtige, alltägliche Geschichte: Zwei Menschen verlieben sich, lassen sich von ihren Emotionen davon reißen, stürzen sich im Glauben an das große Glück in eine gemeinsame Zukunft, und ein paar Monate oder Jahre später ist der Zauber verflogen und Realität und Ernüchterung zersetzen alles, was früher mal da war. Das ist nichts Neues, und somit kann es sich Regisseur und Co-Autor Derek Cianfrance bei seinem Herzensprojekt (elf Jahre lang kämpfte er für die Umsetzung dieses Films, bis es endlich klappte) auch erlauben, die schleichende Zersetzung der Beziehung von Dean und Cindy zu überspringen und keine langwierigen Erklärungen dafür zu liefern, ab wann genau die Dinge schief liefen und woran es hier letztlich scheiterte. Was Cianfrance und seine Co-Autoren hier beweisen, ist ein sehr feines Auge für die kleinen Momente in einem Paar-Verhältnis, in denen ein Blick oder eine Reaktion viel mehr sagen als eine offen ausgesprochene Empfindung. "Blue Valentine" erzählt nicht davon, wie eine Beziehung zu Ende geht, sondern davon, wie dieses Ende sich anfühlt.

Solch ein Film ist natürlich eine massive Herausforderung an seine Hauptdarsteller, mehr noch, er ist auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass diese hervorragend miteinander funktionieren und die Feinheiten dieses Reagierens aufeinander auch wirklich einzufangen und darzustellen wissen. In dieser Hinsicht liefern Ryan Gosling und Michelle Williams hier wahrlich Außergewöhnliches, und speziell Williams hat sich ihre zweite Oscar-Nominierung (nach "Brokeback Mountain") für diesen Film mehr als verdient. Wie eine zuvor entspannte Unterhaltung von Dean und Cindy sich in ein kaum erträgliches Festival an Unsicherheiten verwandelt, nachdem Cindy eine Zufallsbegegnung mit ihrem Ex-Freund erwähnt; wie Dean sie unter der Dusche verführen will und Cindy seinen Küssen auszuweichen versucht, ohne dass er merken soll, dass sie es tut - das sind Momente von schmerzvoller Wahrhaftigkeit, die in ihrer Subtilität zugleich den Schauspielern alles abverlangen, um glaubwürdig und echt zu wirken. Meisterhaft.
Gleichzeitig leistet die Inszenierung großartige Arbeit, um das Innenleben der Figuren auch durch die Bilder spürbar zu machen. Dean und Cindy bewegen sich ständig in sehr eng anmutenden Räumen, die Kamera rückt ihnen dabei extrem auf die Pelle - ein unablässiges, unwohles Gefühl von Einengung und Gefangen sein ist die Folge, aus dem man als Zuschauer genauso sehr entfliehen will wie die Protagonisten. Der Ausflug in das Pärchen-Motel, mit thematisch gestalteten Zimmern, die zu Sexabenteuern einladen sollen, wird dabei zu einem Desaster von bitterer Ironie: Cindy und Dean landen im "Zukunftsraum", eine mit archaischen SciFi-Utensilien wie aus der alten "Star Trek"-Serie ausgestattete Geschmacklosigkeit, deren kaltes blaues Licht die Hoffnungslosigkeit dieses ganzen Unterfangens nur noch verstärkt und umso deutlicher macht, dass diese beiden eines ganz bestimmt nicht mehr haben, nämlich eine Zukunft.

Nein, es ist kein Spaß, sich "Blue Valentine" anzusehen, aber es ist ein Erlebnis. Denn dieser Film wäre nicht so intensiv, so kraftvoll, beizeiten geradezu schmerzhaft, wäre er nicht das Testament echter Kunstfertigkeit in der filmischen Umsetzung. Das ist es, was echte Independent-Filme auszeichnet: Dass sie mit im Vergleich lächerlich kleinen Budgets ein so viel intensiveres Filmerlebnis bieten können als ein in allen Aspekten glattgebügelter Mainstream-Film, der es überhaupt nicht wagt, die Emotionen, die in ihm stecken, auch wirklich einzufangen und fühlbar zu machen. "Blue Valentine" ist eine große Liebes- und eine schmerzvolle Trennungsgeschichte in einem. Und in dieser Hinsicht mitreißender als das meiste andere, was man im Kino so zu sehen bekommt.

Bilder: Copyright

Okay, nach dieser Rezension gebe ich dem Film eine Chance und versuche, ein Kino zu finden, in welchem er läuft. Hatte nach den letzten , zahlreichen "Pseudo-Independentfilmen" schon keine Lust mehr...

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10
10/10

Dieser Film ist eine Wucht. Ein vergnüglicher Schlag in die Magengrube. Das Gegenstück zu all dem seelenlosen Hollywoodbrimboriumeffekthaschereiklimbim. Selten, daß ein Film von der ersten bis zur letzten Einstellung so überzeugen kann: makellos. Kann mich der Kritik nur anschließen, gebe aber noch ein plus mit Sternchen hinzu und lasse obendrein euphorisch eine Feuerwerksrakete in den Nachthimmel starten.

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9
9/10

furchtbar deprimierend, aber aus meiner Sicht zumindest sehr realitätsnah. Es wird nicht zum zehntausendsten mal die selbe Kennenlern- oder Zerrütungsgeschichte mit leicht veränderten Dialogen abgespult, sondern die Dialoge und Reaktionen wirken real, als könnten sie dem Drehbuchautor so passiert sein. Ausgezeichnete Regie und beeindruckende schauspielerische Leistung, aber das geht ja schon aus der Rezension hervor. Allein die letzten 1-2 Minuten haben mir ein bisschen den Spass verdorben.

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