
Recht und Moral sind selten schwarz und weiß, sondern meistens grau, und Grauzonen sind immer eine hervorragende Spielfläche für große Charakterdramen. Wenig verwunderlich also, dass sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von amerikanischen Filmen und TV-Serien gern da aufhielten, wo diese Grauzonen besonders grau sind: Im Drogenmilieu heruntergekommener Großstadtviertel, wo die Gesetzeshüter angesichts der Aussichts- und Wirkungslosigkeit ihrer Arbeit und der Allgegenwärtigkeit der Kriminalität nicht selten noch desillusionierter und kaputter sind als die Menschen, die sie zu schützen versuchen. Wo die Versuchung groß ist, entweder die Gerechtigkeit in die eigene Hand zu nehmen, damit sie überhaupt mal vorkommt, oder endgültig alle Prinzipien über Bord zu werfen und nur noch an sich selbst zu denken, um wenigstens mit heiler Haut heraus zu kommen. Wo die Grenzen zwischen "den Guten" und "den Bösen" immer mehr verschwimmen, bis man sie kaum noch unterscheiden kann.
Es ist ein bekanntes Territorium, auf dem sich "Brooklyn's Finest" bewegt, und das ist auch das größte Problem dieses an sich durchaus sehenswerten Films: Er bietet letztlich eigentlich nichts Neues. Dieser "Wiedererkennungswert" zeigt sich schon bei zwei der wichtigsten Namen dieses Projekts: Regisseur Antoine Fuqua und Darsteller Ethan Hawke haben vor acht Jahren schon einmal zusammen gearbeitet, der Film hieß "Training Day", verschaffte Denzel Washington seinen Hauptdarsteller-Oscar (und Hawke immerhin eine Nominierung als bester Nebendarsteller) und bewegte sich im Prinzip durchs selbe Milieu und dieselben moralischen Grauzonen wie "Brooklyn's Finest". Das war damals noch ziemlich aufregend. Seitdem gab es aber sieben Staffeln "The Shield" und fünf Staffeln "The Wire", zwei grandiose TV-Serien, die dieses Feld in all seinen Facetten und Schattierungen abgegrast haben - und jedwede weitere Abhandlung zum Thema "Großstadt-Cops in moralischen Grauzonen" eigentlich fürs Erste überflüssig gemacht haben.
So richtig neu sind entsprechend auch die Grundkonflikte und Dilemmata nicht, mit denen sich die drei tragischen Anti-Helden von "Brooklyn's Finest" in ihren jeweils eigenständigen Erzählsträngen herumschlagen: Eddie (Richard Gere) ist ein ausgebrannter Streifenpolizist, der eine Woche vor seiner Pensionierung steht und diese letzten Tage nur noch irgendwie hinter sich bringen will, also: Am liebsten gar nichts tun und sich in nichts einmischen. Tango (Don Cheadle) arbeitet schon so lange undercover, dass er eine fast schon brüderliche Freundschaft zu dem Drogenboss Caz (Wesley Snipes) entwickelt hat - und auf entsprechend große innere Widerstände stößt, als seine Chefs nun von ihm verlangen, Caz in eine Falle zu locken, die ihn für den Rest seines Lebens in den Knast bringen soll. Sal (Ethan Hawke) hat eine sehr liebenswerte Ehefrau, einen Haufen Kinder und ein Haus, das nicht nur viel zu klein für sie alle ist, sondern auch mit Schimmelpilz durchsetzt, der für Sals schon wieder schwangere Frau ein ernstes Gesundheitsrisiko darstellt. Doch woher das Geld für ein neues Haus nehmen - wenn nicht stehlen? Und wenn man permanent Razzien bei Drogendealern macht, hat man ständig eine Menge Bargeld vor der Nase….
Diese drei Episoden laufen parallel, ohne sich je wirklich zu treffen. Wenn sie im Showdown dann endlich an einem Ort zusammenlaufen, ist man ziemlich enttäuscht, wie wenig sie sich letztlich gegenseitig beeinflusst haben - von einem Episodenfilm erwartet man irgendwie mehr "Vernetzung". So fehlt es dem Film vor allem am Gefühl, etwas einheitlich Ganzes zu sein, mehr als drei allein stehende Geschichten, die nur deshalb zusammengepackt wurden, weil keine von ihnen stark genug gewesen wäre, einen Film allein zu tragen, und das Drehbuch halt auf Spielfilmlänge kommen musste. Die drei Episoden teilen ein Milieu, aber da hört es auch schon auf. Es gibt kein echtes zentrales Thema, keine gemeinsame "Botschaft", und so fühlt man sich am Ende dieses Films ziemlich leer und allein gelassen - was nicht nur am reichlich deprimierenden und nach über zwei Stunden etwas überhastet wirkenden Schluss liegt.
Das ist als bleibender Eindruck reichlich schade, denn Potential war hier mehr als genug vorhanden. Die Figuren sind in ihren Grundzügen sehr stark und hätten mehr Geschichte verdient, als sie hier bekommen. Was ebenso auch für ihre Darsteller gilt, die durch die Bank großartige Arbeit leisten. Dass Don Cheadle ein herausragender Schauspieler ist, ist ja hinlänglich bekannt, dass die ehemaligen Poster-Schönlinge Snipes, Gere und Hawke aber auch verdammt viel drauf haben, wenn man sie nur mal lässt, hat aber wohl noch nicht jeder mitbekommen. Schauspielerisch ist "Brooklyn's Finest" jedenfalls absolut sehenswert, und zwar durchweg bis in die kleinen Nebenrollen.
Das brillante Schauspiel und die nicht weniger eindrucksvolle Inszenierung Fuquas können aber auch nichts daran ändern, dass es dem Film an einem klaren Zentrum, einer echten Richtung fehlt, und damit an einem wirklich ausschlaggebenden Grund, warum man ihn sich ansehen sollte. Als eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands in den schlimmsten Gegenden von Brooklyn mag er durchaus zutreffend sein, aber letztlich hat man das alles anderswo schon deutlich packender und überzeugender erzählt bekommen.
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