Das Kabinett des Doktor Parnassus

Originaltitel
The Imaginarium of Dr. Parnassus
Land
Jahr
2009
Laufzeit
122 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 11. Juni 2010

Ein klappriger Wagen, der sich in eine Wanderbühne verwandelt, zuckelt durch London. Es handelt sich um das titelgebende Kabinett des Dr. Parnassus, das sich mehr schlecht als recht über Wasser hält und normalerweise nur ein paar mäßig interessierte und zudem unhöfliche Betrunkene nach Schließen der Pubs als Publikum hat. Da können sich der insgeheim jahrhundertealte Mystiker Dr. Parnassus (Christopher Plummer), sein kleinwüchsiger Assistent Percy ("Mini-Me" Verne Troyer), seine Tochter Valentina (Lily Cole) und der junge Anton (Andrew Garfield) noch so sehr abmühen, die Geheimnisse von Dr. Parnassus' Imaginarium (wie es im Original sehr viel passender heißt) anzupreisen - den meisten entgeht, was sich wirklich hinter Parnassus' mit billiger Alufolie verhangenem Spiegel abspielt. Hier betritt man nämlich tatsächlich die Welten seiner eigenen Fantasie. Dies ist allerdings nicht ganz ungefährlich, denn es treibt sich auch der mysteriöse Mr. Nick (Tom Waits) dort herum, den mit Parnassus ein alter Pakt verbindet. An ihrem in drei Tagen stattfindenden 16. Geburtstag gehört Valentinas Seele dem teuflischen Mr. Nick, wenn sich Parnassus nicht schnell etwas einfallen lässt. Vielleicht kann ja der aufgelesene, mysteriöse Herumtreiber Tony (Heath Ledger) das Blatt zu Gunsten von Parnassus wenden....

Hollywood wird ja gerne - und durchaus ja auch zu Recht - seine mangelnde Kreativität und Imagination vorgeworfen. Auf den Idiosynkraten und Hollywoodaußenseiter Terry Gilliam trifft dies ja bekanntlich nicht zu, dafür hat Gilliam ein anderes Problem: Zu viel Kreativität und Vorstellungskraft ist auch nicht immer gut. Was Gilliams Filme an inhaltlich wilden und visuell extravaganten Ideen bisweilen zuviel haben, das mangelt ihnen ebenso oft an Stringenz, Plot, dramatischen Spannungsbögen und emotionaler Bindung zu den Figuren. Wenn Gilliams wilde Kreativität wenigstens ein wenig in konventionelle Storyform gegossen wird, resultiert dies in großartigen Filmen wie "Brazil", "Der König der Fischer" oder "12 Monkeys". Genau so oft verrennt Gilliam sich aber in formlose Exzesse wie sein berüchtigtes "Baron von Münchhausen"-Desaster oder auch den überladenen, oft schmierenkomödiantischen "Brothers Grimm".
"Das Kabinett des Dr. Parnassus" hat freilich neben diesem bekannten Gilliam-Faktor noch ein weiteres, weit publiziertes Problem: Den Tod von Hauptdarsteller Heath Ledger inmitten der Dreharbeiten. Dass dann die befreundeten Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell zusagten, Ledgers Rolle als Fantasieversion seiner Figur zu spielen und damit "Das Kabinett des Dr. Parnassus" davor zu retten, als ein weiterer unvollendeter Film in Gilliams Portfolio einzugehen (wie seine legendär untergegangene "Don Quichote"-Verfilmung), war nicht nur ein feiner Zug der drei Herren (angeblich haben sie ihre Gage für Ledgers kleine Tochter gespendet), sondern klappt auch ausgesprochen gut. Wüsste man es nicht besser, so könnte man diese Notlösung gar für von Anfang an geplant halten, denn die Transformation des wirklichen Tonys hinter Dr. Parnassus' Spiegel in ein ihm jeweils ähnlich sehendes Alter Ego wird mehr oder weniger gut erklärt - so gut oder schlecht wie alle anderen wunderlichen Ereignisse hier - und Ledger hatte zumindest die wichtigsten der in der realen Welt spielenden Szenen abgedreht, so dass dieser Aspekt des Films nicht arg zu sehr ins Stückwerk abgleitet.

Was dagegen klassisches Gilliam-Stückwerk ist, das ist die weitaus problematischere Story, die hier erzählt wird. Eine klassische Faust-Geschichte eigentlich, nur zu dumm, dass Gilliam wieder mal wenig Interesse an den Emotionen und dem Innenleben der Figuren hat und dafür umso mehr daran, die dünne Hintergrundgeschichte in möglichst wilde und extravagante Bilder zu packen. Dass der Beginn der jahrhundertelangen Rivalität mit dem Mephisto-Ersatz Mr. Nick etwa in einem auf einem riesigen (CGI-)Felsen gelegenen Kloster stattfindet, ist gar nicht nötig, anstatt dieser Bilder hätte man gerne mehr über die Abkommen der beiden im Laufe der Jahre erfahren, hätte den Konflikt lieber besser ausgearbeitet gesehen, um so auch mehr involviert in das Rennen gegen die Zeit um Valentinas Seele zu sein. Denn eben jenes Wettrennen, um Parnassus' Tochter vor der Hölle zu retten, kommt so gar nicht als unglaublich wichtig herüber, auch weil der Zuschauer gar nicht so recht weiß, was der Guten da blüht (außer, dass es wohl nichts Schönes ist). Da hätte eine wild visualisierte Höllenfahrt mal Sinn gemacht, aber ausgerechnet die verkneift sich Gilliam.
Zudem braucht die Geschichte auch eine gute Weile, bis sie in die Puschen kommt, und mit knapp zwei Stunden ist ein Gilliam-Film typischerweise auch wieder mal ein gutes Stück zu lang geworden. Das Filmvergnügen befindet sich in konstanten Wellenbewegungen aufgrund des mangelnden Mitgefühls und Interesses an den schablonenhaften Figuren, und eigentlich macht der Film nur dann so richtig Spaß, wenn Heath Ledger im Spiel ist. Der scheint sich für die Darstellung seines mysteriösen Tony ein wenig von einem gewissen Jack Sparrow inspiriert zu haben, weswegen der Übergang im ersten Trip hinter Parnassus' Spiegel zu Johnny Depp quasi nahtlos ist. Da muss man im ersten Moment schon zweimal hinschauen, um zu sehen, dass der Tony jetzt der Johnny ist. Jude Law und Colin Farrell sehen Ledger weniger ähnlich und können auch seine Manierismen nicht so gut einfangen wie Depp, erledigen ihre Sache aber ordentlich. Farrell hat dabei allerdings das Pech, dass seine Spiegelgeschichte die schwächste ist und Gilliam-typisch zum Finale ein wenig aus dem Ruder läuft.
Für Ledger-Fans ist "Das Kabinett des Dr. Parnassus" auf jeden Fall ein ganz klares Muss, gerade nicht wegen der morbiden Faszination des jung gestorbenen Stars, sondern weil Ledger auch in seinen kurzen Szenen - zweifellos wäre seine Rolle im Normalfall größer gewesen - eine enorme Spielfreude an den Tag legt und beweist, dass sein Tod auch deswegen so tragisch war, weil er gerade dabei war, sich mit "The Dark Knight" und diesem Film neu zu erfinden.

"Das Kabinett des Dr. Parnassus" ist natürlich ein Kompromisswerk geworden, wie hätte es auch anders sein können. Andererseits sind das ja aufgrund der Haltung ihres Machers eigentlich alle Gilliam-Werke, von seinem letzten Film "Tideland" (der bei uns nie in die Kinos kam) mal abgesehen. Kompromisse mussten allerdings auch sehr deutlich bei der technischen Umsetzung gemacht werden. Denn während die Szenen im realen London passend zur sich gerade so über Wasser haltenden (oder schon halb ertrinkenden) Gauklertruppe dreckig-speckig daherkommen, ist das klinische und oftmals leider auch zweitklassige CGI in den meisten Fantasysequenzen zu eindeutig als aus dem Rechner stammend zu erkennen.
Zwar erinnern etwa die wie ausgeschnitten wirkenden Bäume in der Jude Law-Sequenz an Gilliams Collagenstil aus Monty Python-Zeiten, aber Szenen wie Johnny Depps Trip in die Damenschuh-Traumwelt wirken einfach nur billig und unglaubwürdig. Da muss man schon seine rationale Seite, die einem ständig "schlechte CGI" zuruft, ein wenig blockieren, um sich wirklich von Dr. Parnassus' Imaginarium gefangen nehmen und die Imagination schweifen zu lassen.

Wie so gut wie jedes Gilliam-Werk wird auch "Das Kabinett des Dr. Parnassus" die Gemüter spalten, denn es ist wieder kein Film für jedermann geworden. Gott sei dank werden da die meisten sagen, denn der Versuch eines "Gilliam für Jedermann" in der Mainstream-Anbiederung von "The Brothers Grimm" war ja ein Schlag ins Wasser. Aber der langsame Beginn und die wenig erklärte, oftmals auch wenig motiviert vor sich hin trottende und episodenhafte Story wird bei einigen sicher die zwei Stunden sehr lang werden lassen.
Sehenswert ist der Film natürlich trotz der unabweisbaren Schwächen dennoch geworden, eben weil Gilliam nicht auf Nummer Sicher geht und inmitten des Hollywoodeinheitsbreis auch ein schwächerer Gilliam immer noch viel viel besser ist als gar kein Gilliam. Aber das Meisterwerk, dass sich mancher herbeiwünscht und mancher herbeiredet, ist es nicht geworden, dafür hakt es doch an zu vielen Stellen. Womit auch Terry Gilliam beweist: Er kann wie die Figuren hier durch noch so viele Spiegel treten, er bleibt doch immer er selbst, mit allen Stärken und Schwächen.

Bilder: Copyright

8
8/10

Das Zitat von Herrn Staake, dass dieser Film ein schwächerer Gilliam ist, kann ich nicht ganz unterschreiben, aber seine Freude über einen neuen Gilliamfilm teile ich mit Ihm.
Ich durfte den Film in einer Preview schon vor Kinostart bewundern.
Der Film ist ein typischer Gilliamfilm. Die visionelle Ausstattung ist phantasievoll, allerdings hätte man sich bei den CGI etwas mehr Mühe geben können, weil sie an einigen Stellen den visionellen Stil des Film stören.
Die Geschichte ist in der Tat etwas abgedreht und wahrlich nicht leicht verständlich. Wer Filme mag, die man nicht auf Anhieb (oder jemals) alles versteht der ist hier richtig.
Die darstellerische Leistung der Schauspieler sind gut. Allen voran die Leistungen von Plummer, ledger und Waits. Wobei der tragische Tod von Ledger (ob gewollt sei mal dahingestellt) in Ledgers Figur und somit in der Geschichte mitschwingt.
Fazit:
Wer abgedrehte Filme jeneits des Mainstreams mag ist in dem Film gut aufgehoben.

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7
7/10

Ich fand den Film gut - bis unter die Kante zugepackt mit Mikrodetails die man beim ersten mal kucken leider verpassen muß -
Gewissemaßen eine Quintessenz aus seinen früheren Filmen, besonders den fantastischeren wie Brazil und Münchhausen - allerdings hat sich Gilliam ja in neuerer Zeit immer mehr einer Art drogeninduzierter Klaustrophobie verschrieben - wie schon explizit in Fear and Loathing in Las Vegas und eher implizit im weithin unterschätzen aber teilweise ungenießbaren Tideland.
Das macht den Film leider ein wenig anstrengend weil es immer
Ich glaube der Film würde auf einer special edition DVD gut funktionieren in der die Entstehungsgeschichte dokumentiert wird, man auf Pause und zurückspulen gehen kann, auf alternative Szenen klicken kann- oder sich Kommentare der Beteiligten anhören kann - gerade weil die Handlung im Kern des ganzen Detailtsunamis ein wenig blass und vorhersehbar bleibt - auch sind einige Kratzer in der verdichteten Oberfläche auszumachen, wo das Geld, die Zeit, oder die Energie oder alles drei nicht ausgereicht haben...
Der Film lebt einfach im Ultra-Kurzmoment - massive vollgestopfte aufs kürzeste reduzierte Aufmerksamkeitsspanne, ausgedehnter Realitätsverlust... große Form? Großes Fragezeichen...
Nicht für jedermann, auch wegen Gilliams schrägen Ansichten zum Thema Humor. Mir hatts trotzdem ziemlich gut gefallen!!!

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7
7/10

Kleiner Nachtrag...
Ein subtiles Gefühl von Tragik kann man beim sehen des Films leider nicht ganz verhindern, denn der Film ist wirklich an manchen Stellen etwas uneben - magisch-luzide surreale Fantasien wechseln sich mit weniger treffsicher arrangiertem ab - ich denke z.B. an die Sequenz mit den Totenschiffchen vs. der "Damenschuhwelt"...
Das hätte wirklich Gilliams absolutes Meisterwerk werden können!
Kann einem fast leid tun, der gute!

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1
1/10

junge junge, wasn unfug.

als gilliam fan,der sogar den grimm film toll fand, und er nichts gegen abstrakt erzählte sachen hat, war ich guten mutes und bereit mich verzaubern zu lassen und offenen geistes alles zu akzeptieren, was mir der film bietet.

fazit: grober unsinn, vergeudete zeit, vergeudetes geld, schlechte story, für den zuschauer auch net soooo prall jetz collin, jude und jonny zu sehen..

geht nicht in den film..er ist einfach nur schlecht..

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2
2/10

Terry Gilliam:
Wenn man "Brazil" gesehen hat, sollte man lieber den nochmal sehen als diesen Film.

Bilderrausch:
Wenn man The Cell, Final Fantasy und The Fountain gesehen hat, sollte man lieber die nochmal sehen als diesen Film.

Heath Ledger:
Wenn man "The Dark Knight" und "Brokeback Mountain" gesehen hat, sollte man lieber die nochmal sehen als diesen Film.

Das Imaginarium verbindet alle drei Elemente, zusammengehalten durch eine überzeugende Grundidee, aber die Story, Ausführung, Dialoge - schrecklich.

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3
3/10

Fand den Film ziemlich langweilig. Ich habe absolut nichts gg. surreale Welten oder nicht lineare Erzählstrukturen. Aber hier fehlte leider völlig der Spannungsbogen.

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7
7/10

Mit einem lauten "Hmmmmm..." im Kopf verläßt man das Kino.
Irgendwie nicht ganz zu beschreiben, was man die letzten 2 Stunden dort geboten bekommen hat. Fatasiereiche Story ohne erkennbare Struktur, skurile Charaktere, die man nicht richtig einzuordnen weiß und einen Film, der mehr an einen lückenhaften Traum erinnert als eine Geschichte mit rotem Faden.
Trotzdem hat man nicht das Gefühl, es lag daran, daß Story und Charaktere zu schwach waren, sondern eher als wäre man wieder ein kleines Kind, dem eine komplexe Geschichte erzählt worden ist, die es aber noch nicht ganz verstehen kann, sie aber dennoch schön findet. Man kann nur erahnen, daß hinter dem Schleier mehr steckt als man selber versteht...

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Auf Deutsch kommen die Dialoge auch ziemlich blöd rüber... (auf Englisch sind sie letztlich auch nicht "besser" aber es fällt nicht so wahnsinnig auf, weil sie so vorsichhingenuschelt werden und alles eben so beiläufig passiert).
Ich glaub irgendwie muß die deutsche Synchronindustrie sich da mal ein bißchen mehr Mühe geben...

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5
5/10

Die Filmszene Rezension passt genau. Die insgesammt sehr ordentlichen Darsteller und ein toller Christopher Plummer rechtfertigen auch gerade noch die 6 von 10 Augen. Insgesammt finde ich aber, dass der spannungslose Plott und die Hollywood-typische Inszenierung nicht mehr als 5 von 10 verdient.

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PS: Ich mag abgedrehte Filme jenseits des Mainstreams aber nur wenn sie gut sind. Auf diesen Film triff beides nicht zu, denn er kommt mit Starbesetzung aus Hollywood und gut ist er auch nicht! Von Indipendent bzw. "jenseits des Mainstreams" würde ich da nicht sprechen aber da unterscheiden sich wohl die Wahrnehmungen.

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4
4/10

Ein völlig abgedrehter Schwachsinn, der noch so einigermaßen OK anfängt, mit zunehmender Spieldauer allerdings immer kruder, wirrer und sinnfreier wird bis man am Schluß nur noch Bahnhof versteht. 4 Punkte auch nur wegen der phantasievollen Optik und in Gedenken an Heath Ledger, R.I.P !

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9
9/10

Auch wenn der Film etwas "abgedreht" war...mir persönlich hat er sehr gut gefallen. Obwohl ich normal kein großer Fan von "krass" computersimulierten Welten bin...fand ich die Imaginarium Aufnahmen eigentlich ganz gut. Ich fand den Film auch keinesfalls langweilig (wie es mir schon bei vielen anderen Filmen im Kino ging).

Alles in allem finde ich den neuen Gilliam sehr empfehlenswert!!

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1
1/10

Langweiliger Film, schade fürs Kinogeld !!

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1
1/10

ich hab den Film im Flugzeug gesehen, also umsonst und in einer Zeit, in der ich sonst eh nix gemacht hätte. Ich trotzdem besser zum 3 Mal in einem Monat Sherlock Holmes ansehen sollen. Der Film war nämlich einfach nur seltsam und es werden während dem Film viele Rätsel gestellt, die nie beantwortet werden.

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PS: Ich hab sonst echt nichts gegen Fantasy

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7
7/10

Sicherlich unspannend. Aber das Beziehungsgeflecht und die pfiffigen Dialoge dieses symphatischen Quintetts haben hohen Unterhaltungswert. Wirklich störend sind nur die miesen und teils recht verwaschenen Effekte. Als sich Mr. Nick als Schlange aus dem Fluß erhebt war ich kurz davor auszuschalten. Aber die morbide Atmosphäre und die grandiosen Real(!)kulissen trösten über manchen Patzer hinweg.

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