Army go home!

Originaltitel
Buffalo Soldiers
Land
Jahr
2001
Laufzeit
94 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Benjamin Hachmann / 6. Januar 2011
Am Anfang der Verfilmung von Robert O´Connors Bestseller "Buffalo Soldiers" steht ein Monolog: "Krieg ist die Hölle - aber Frieden ist höllisch langweilig", hören wir den Soldaten und gleichzeitigen Protagonisten Ray Elwood (Joaquin Phoenix) sinnieren.
Und selbst wenn dieser sich niemals einem Einsatz im Ernstfall ausgesetzt sah, ist er sich der Tragweite seiner Worte wohl bewusst, zumal sein Schicksal ihn im Oktober des Jahres 1989 auf einen trostlosen, abseits von Stuttgart gelegenen Stützpunkt des amerikanischen Militärs verschlagen hat. Der Kalte Krieg bietet keine greifbaren Feinde, schon gar nicht in der tiefsten Provinz des noch geteilten Deutschlands, und die Soldaten haben keinen nennenswerten Gegner außer ihrer sich stetig steigernden Langeweile. Elwoods Lösung des Dilemmas ist ebenso simpel wie lukrativ: er betreibt zwecks Kompensation der verlustig gegangenen Abwechslung ein florierendes Schwarzmarktgeschäft mit allem, was er in die Finger bekommen kann. Selbst die Produktion von großen Mengen Heroin wird von den Soldaten praktiziert oder gebilligt, was durch Colonel Berman (Ed Harris), seines Zeichens Leiter des Stützpunktes, nicht verhindert werden kann, da er sich seines hohen Ranges zum Trotz durch naive Gutgläubigkeit und ein leicht manipulierbares Wesen auszeichnet. 
Erst als der neue Sergeant Robert Lee (Scott Glenn), ein gradliniger und misstrauischer Vietnamveteran, seinen Dienst antritt, wird die Lage prekär. Die unbestechliche Spürnase riecht umgehend Lunte und macht es sich zum Ziel, Elwoods zwielichtige Aktivitäten unter allen Umständen zu unterbinden. Als dieser sich in Lees Tochter Robyn (Anna Paquin) verliebt und zu allem Überfluss noch durch den Verkauf zweier gestohlener Waffenladungen den Deal seines Lebens abschließen will, geraten die Dinge außer Kontrolle.

Irgendwie beschleicht einen beim Ansehen des nunmehr zweiten Films von Regisseur Gregor Jordan, der für sein Erstlingswerk "Two Hands" mit fünf australischen Oscars ausgezeichnet wurde, ein nostalgisches Gefühl, welches nicht allein auf die zeitliche Einbettung der Geschichte in der politischen Vergangenheit zurückzuführen ist. Die Gründe sind vielmehr in dem Handlungsverlauf selbst zu suchen, denn die Drehbuchautoren kombinieren die prototypische Figur eines Anti-Helden, der sich trotz seiner mehr oder weniger illegalen Geschäfte die Sympathie seines Publikums sichert, mit satirischem Humor und der kritischen Betrachtung einer angesehenen Institution von gesellschaftlichem Stellenwert. "Army go home!" wirkt somit erfrischend anachronistisch und wie ein geistiger Abkömmling von Werken wie Robert Altmans "M.A.S.H." (1969) oder Milos Foremans " Einer flog übers Kuckucksnest" (1975), wobei der Film natürlich für die neue Generation zeitgemäß aufgepeppt wurde.
So ist der Witz, mit dem die politisch vollkommen desinteressierten Soldaten charakterisiert werden, hier stellenweise sehr radikal und extrem übersteigert. Wenn zum Beispiel ein Kamerad sich bei einem Footballspiel in der Kaserne den Kopf an einer Tischkante aufschlägt, wird seine Leiche nach einem kurzen Moment des paralysierten Schweigens pietätlos aus dem Fenster geschmissen. "Er starb in Ausübung seiner Pflicht", wird in der Akte zu lesen sein. Oder wenn eine bekiffte Panzerbesatzung mit ihrem stählernen Gefährt in irrlichternder Desorientierung den Übungsplatz verlässt und in dem angrenzenden Stadtteil ein heilloses Durcheinander anrichtet.
Neben diesen wirklich gelungenen Momenten beeindrucken zudem die schauspielerischen Leistungen, allen voran Joaquin Phoenix, der den smarten Draufgänger derart überzeugend interpretiert, dass man ihm trotz der moralischen Fragwürdigkeit seines Verhaltens wünscht, er möge mit seinen krummen Geschäften davonkommen. Flankiert wird Phoenix von dem kongenialen Ed Harris, dessen Colonel Berman wie ein entfernter Verwandter von Steve Martins "Sergeant Bilko" daherkommt und Harris die Gelegenheit gibt, seine Rolle als souveräner General Hummel aus Michael Bays "The Rock" (1995) mit sichtlichem Vergnügen zu konterkarieren. 
Das einzige Handicap von "Army go home!" ist der aufgrund der literarischen Vorlage per se entstehende Anspruch, unter allen Umständen ein Film mit einer Botschaft sein zu wollen, womit er sich eine Bürde auferlegt, der er nicht gerecht werden kann. Bei der Realisation des ehrenwerten Vorhabens offenbaren sich leider Mängel hinsichtlich der handwerklichen Umsetzung, die sich in erster Linie im permanenten Einsatz eines Voice-Overs niederschlagen. Durch diese über den eigentlichen Filmton gelegte Kommentarstimme wird unter anderem eine der inhaltlich zentralen Aussagen auf dem Silbertablett serviert: "In friedlichen Zeiten fällt der kriegerische Mensch über sich selbst her", hören wir Elwood sagen, wenn die emotionalen Wogen bei nahendem Abspann höher schlagen. 
In diesem Zitat des werten Herrn Nietzsche liegt nun unbestritten eine gehörige Portion Wahrheit. Zu bedauern ist lediglich, dass der Regisseur seinem Publikum diese in Form der Holzhammermethode eines Bertolt Brecht vor die Köpfe knallt und die visuelle Umsetzung der philosophischen Worte leider vermissen lässt. Die Bildsprache ist weit davon entfernt, besagte These zu unterstützen oder durch gekonnte subtile Inszenierung den Zuschauer beim Verlassen des Kinosaals nachdenklich zu stimmen. Dies lässt den Eindruck entstehen, als wenn durch derartige verbal-philosophische Floskeln das handwerkliche Defizit des filmischen Vokabulars kaschiert werden soll, denn den Bildern allein mangelt es an inhaltlicher Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft.
Der Film erreicht somit bei Weitem nicht das Niveau seiner Vorbilder, sondern wirkt eher wie eine tollkühne Komödie, die hier und da gewagte Seitenhiebe auf das triste soldatische Dasein in einer Periode des politischen Umbruchs verteilt, und kommt in zahlreichen Sequenzen eher dem Niveau einer Klamotte, als dem einer die Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit wahrenden Satire näher. Da der Film aber eben mehr sein möchte als reine Unterhaltung, hier jedoch in Ansätzen stecken bleibt, ist das Resultat eine skurrile Melange, ein Kaleidoskop aus einzelnen bunten Steinen, die sich nicht zu einem kohärenten Ganzen zusammenfügen lassen.
Das klingt nun schwerwiegender als es im eigentlichen Sinne ist, denn trotz seiner Unausgewogenheit bietet der Film kurzweilige Unterhaltung und zeichnet ein Bild der Armee, welches sich wohltuend von den in Patriotismus getauchten Werken der jüngsten Zeit abhebt, denn Begriffe wie Überzeugung oder Ehre scheinen für die porträtierten Soldaten ein Fremdwort zu sein. Und sollte mal, um eine alte militärische Phrase zu strapazieren, ein Mann zurückbleiben: diese Jungs würde es nicht sonderlich kümmern. 
In den USA ist dem Film aufgrund offensichtlicher Gründe bisher ein Starttermin verwehrt geblieben. Es ist zu hoffen, dass ihm das für anti-militaristisches Sentiment etwas offenere Publikum in hiesigen Gefilden die breite Anerkennung zukommen lässt, die solchen Filmen in Amerika per se nicht gegönnt wird. Verdient hätte es das sympathische Stück Zelluloid allemal.

Bilder: Copyright

die panzercrew war auf H und nich bekifft!

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In diesem Zusammenhang weise ich gerne auf den Filmklassiker "Unternehmen Petticoat" aus dem Jahre 1959, hin. Hier spielte Toni Curtis einen Lieutentant der Marine mit einem ausgeprägten Organisationstalent. Eine herrliche Komödie, mit subtilen Kritikpunkten am Armeebetrieb u. natürlich unter Berücksichtigung des Entstehungsjahres.

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