"Letzte Meldung vom interplanetarischen Raumfrachter Nostromo. Hier spricht der dritte Offizier. Die anderen Besatzungsmitglieder - Kane, Lambert, Parker, Bratt, Ash und Captain Dallas - sind tot. Ladung und Schiff sind zerstört. Wenn alles klappt, müsste ich in sechs Wochen die Randzone erreichen. Und sollte ich Glück haben, findet mich eine Raumpatrouille. Hier spricht Ripley, letzte Überlebende der Nostromo. Ende der Durchsage."
Zwei Jahre, nachdem George Lucas' "Star Wars" dem Kinopublikum die unendlichen Weiten des Weltraums als aufregenden Abenteuerspielplatz vorstellte, präsentierte der bis dahin noch unbeleckte Brite Ridley Scott den nächsten SciFi-Meilenstein, der eine etwas andere Vision hatte: War Lucas' weit, weit entfernte Galaxie noch ein Ort märchenhafter Fantasien (und von der menschlichen Geschichte bewusst abgetrennt), war bei Scott das All für uns Erdenbewohner vor allem eins: Groß, leer, und sehr, sehr tödlich.
Der vielleicht meistzitiertste Film des SciFi-Genres beginnt mit einer ersten Hälfte, deren missleitende Ruhe in ihrer Wirkung aus heutiger Perspektive kaum noch nachzuvollziehen ist: Von zahllosen Nachahmern auf Schockeffekte und tötungswütige Außerirdische konditioniert, weiß man als filmerfahrener Zuschauer von heute längst Bescheid über den Plot dieses Klassikers. Damals, 1979, war das nicht so: Die langsame Eröffnung des Films lullte den ahnungslosen Zuschauer ein, der von dem ersten Auftritt des Aliens und der rastlosen zweiten Hälfte dementsprechend wirksam überrumpelt wurde. Strukturell erweist sich "Alien" so als Geniestreich, dessen leise Eröffnung freilich auch noch metaphorische Bedeutung hat: Mit schleichenden, sanften Kamerabewegungen und dem zum Überhören komponierten Score von Jerry Goldsmith etabliert der Film das All als Nicht-Lebensraum, in dem die siebenköpfige menschliche Besatzung des gigantischen Fracht-Raumschiffes Nostromo denn auch dem Tiefschlaf frönt. Die meiste Zeit von dem Bordcomputer "Mutter" kontrolliert, bedarf das Schiff kaum einer lebendigen Crew - der Mensch wird zum überflüssigen Begleitpersonal, entbehrlich, wie der weitere Verlauf zeigen wird. Die Crew wird aus ihrem Schlummer geweckt, als der Bordcomputer das Notsignal eines anderen Schiffes auffängt und dementsprechend den Kurs ändert. Über diesen enormen Umweg auf der Reise nach Hause reichlich ungehalten, macht sich die Besatzung dennoch an die Untersuchung des Signals - schließlich werden sie von ihren Knebelverträgen der alles beherrschenden, aber seltsam anonym bleibenden "Cooperation" dazu gezwungen. In dem abgestürzten Raumschiff entdeckt die Crew nun einen Haufen seltsamer außerirdischer Kokons, in denen die wohl übelsten Tötungsmaschinen des Universums heranwachsen - was die Besatzung freilich erst lernt, als es bereits zu spät ist. Ein einziger eingeschleppter Organismus rafft nach und nach die ganze Mannschaft dahin - und wird von einem Mitglied sogar noch in Schutz genommen.
In seinem bodenlosen, finsteren Pessimismus ist "Alien" wirklich die absolute Antithese zum fröhlich-abenteuerlichen "Star Wars". Hier ist alles menschenfeindlich: Der luftleere, endlose Raum, die fremde Spezies, sogar die das Weltraum-Reisen erst möglich machende künstliche Intelligenz, die menschliche Regungen nicht nur nicht kennt, sondern auch systematisch ausmerzt (als Ripley gegen Ende versucht, den Selbstzerstörungsmechanismus rückgängig zu machen, erweist sich dies als unmöglich - das menschliche Zaudern der letzten Sekunde wird vom System als mögliche Fehlentscheidung ausgeschlossen). Wenn Wissenschaftsoffizier Ash die Perfektion des Alien-Organismus lobt ("Ich bewundere seine Reinheit, seinen Überlebenssinn. Unbeeinflusst von Gewissen, Reue, oder Moral."), wird das All-Abenteuer zum puren Überlebenskampf stilisiert: Charles Darwin's "survival of the fittest" ringt in den Ohren, und eines ist klar: In diesem Szenario steht der Mensch nicht am obersten Ende der Nahrungskette. Die Botschaft ist überdeutlich: Verlässt der Mensch die Erde, begibt er sich in einen (Lebens-)Raum, für den er schlichtweg nicht gemacht ist.
Doch damit nicht genug der düsteren Zukunftsvision: Zur Alien-Bedrohung von außen kommt die fast noch unheimlichere Bedrohung von innen durch die hier noch gesichts- und namenlose "Cooperation". Offensichtlich in wenig vorteilhaften Arbeitsverträgen gehalten, wird der Crew das selbständige Denken auch noch abtrainiert. Sinnbildlich hierfür Captain Dallas (Tom Skerritt), der für jede Entscheidung den ohne jede Übertreibung "Mutter" genannten Bordcomputer befragt, und ohne eine Lösung von dort ratlos bleibt. Noch erschreckender wird es schließlich, als die eigentliche Motivation für den Umweg zum Notsignal offenbart wird, und die Erkenntnis einsetzt: Das menschliche Leben ist selbst durch seine eigene Schöpfung nicht mehr geschützt.
Auch abseits dieser düsteren Tiefsinnigkeiten verdient sich "Alien" unter der Führung des wie immer mit brillantem stilistischen Auge inszenierenden Ridley Scott seinen Ehrenplatz in den Annalen des SciFi-Films. Das nervenzerreißende Versteckspiel des Showdowns findet sich in Ansätzen bis heute in jedem ähnlich konzipierten Genre-Stück wieder, ebenso wie die optischen Schauwerte des vom Schweizer Avantgarde-Künstler H.R. Giger entworfenen Alien-Designs. Dessen alptraumhafte, aber dennoch ästhetische Strukturen hinterlassen bleibenden Eindruck - auch wenn Giger sich für seine weitere Karriere in uninspirierten Variationen des Themas verlor und anscheinend nicht mehr Brillanz zu bieten hatte.
Auch wenn der Erfolg von "Star Wars" die Existenz von "Alien" als Gegenpol wahrscheinlich erst ermöglichte - der langfristige Einfluss aufs Genre ist bei Scott's Film der größere. Wohl auch, weil seine Schauermär mehr Variationen zuließ als Lucas' ganz klassisch strukturiertes Märchen. Künstlerisch und finanziell war der Erfolg jedenfalls groß genug, um auch aus "Alien" eine der führenden Franchises im SciFi-Sektor zu machen, die 1986 mit einem Sequel fortgesetzt wurde, welches stilistisch zwar vollkommen anders ausfällt, von der Klasse her dem Original aber in nichts nachsteht (und deshalb auch, neben "Der Pate" und "Terminator", meistzitiertes Beispiel in Diskussionen um die ewige Frage "Können Fortsetzungen so gut sein wie das Original?" ist).
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