Als Kristen (Liv Tyler) und James (Scott Speedman) in ihrem abgelegenen Sommerhaus eintreffen, ist die Geisterstunde schon längst überschritten. Der Sekt steht bereit, Bett und Bad sind romantisch hergerichtet, dem Anlass angemessen. Doch bedauerlicherweise hat Kristen James' Frage, ob sie ihn heiraten möchte, verneint, und so ist die Stimmung seit der verfrühten Rückkehr von der Hochzeit eines Freundes im Keller. Als sich in der Sommerhütte dann doch gerade so etwas wie eine kleine Versöhnung anbahnt, klopft es an der Tür. Eine junge Frau erkundigt sich, mitten in der Nacht, nach Tamara - "gibt's hier nicht". Kurze Zeit später ist die Frau auch schon wieder vergessen und James bricht mit seinem Auto auf, um eben eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Während Kristen allein im Haus auf seine Rückkehr wartet, klopft es erneut. Wieder die junge Frau. Wieder die Frage nach Tamara. Zwei weitere Fremdlinge tauchen auf, der Psycho-Terror nimmt seinen Lauf und droht, in roher Gewalt zu eskalieren. Und über allem schwebt die Frage: "Warum?".
Ein einsames Haus, zwei verängstigte Bewohner, drei gnadenlose Belagerer und absolut keine Chance, zu entkommen. So ungefähr ließe sich "The Strangers", das Debüt des 31jährigen Texaners Bryan Bertino, prägnant zusammenfassen. Ebenso wie noch recht junge Vertreter wie "Panic Room" oder "Funny Games U.S." gehört es dem Sub-Genre des so genannten "Home Invasion Movie" an. Was so viel heißt wie: Du bist daheim, du fühlst dich sicher, du bist es aber nicht. Traditionell kommen diese Filme mit nur einem Schauplatz und wenigen handelnden Personen aus und erstrecken sich meist auch nur über einen Zeitraum von wenigen Stunden, erzählen also fast in Echtzeit. Wenn alle Beteiligten ihr Handwerk verstehen, sorgt gerade diese räumliche und zeitliche Beschränkung für immense Spannung, für knisternde Atmosphäre und für einen unmittelbaren Zugang zu den Charakteren. Bryan Bertino versteht sein Handwerk durchaus, begeht neben mehreren kleinen aber auch einen großen Fehler, und der entpuppt sich leider als folgenschwer.
Zunächst einmal sei "The Strangers" eine gewisse Klasse gar nicht abgesprochen. Das Hauptdarsteller-Duo agiert solide und macht die Angst des Paares greifbar. Dieses verhält sich in der Regel auch sehr glaubwürdig. Die Bilder sind angenehm düster, und sehr schön verwandelt sich auch das eigentlich so gemütliche Haus zu einem Ort der Angst, der Gefahr. Reden wir von Spannung, dann können wir festhalten, dass sich grundsätzlich Sorge um Kristen und James auf die Zuschauer überträgt und grundsätzlich Interesse am Fortgang der Story besteht. Wir landen aber auch beim Kernproblem von "The Strangers": Man bekommt es einfach nicht wirklich mit der Angst zu tun.
In David Finchers "The Game" aus dem Jahre 1997 erhält Michael Douglas, der eigentlich alles besitzt, von seinem Bruder ein Geschenk: ein Spiel, das ihm zeigen soll, was es eigentlich bedeutet zu leben. Doch je länger das Spiel andauert, desto stärker mehren sich die Zweifel, dass das überhaupt noch ein Spiel ist, oder nicht vielleicht schon längst bitterer Ernst. Damals war die Idee noch frisch, heute wird sie zum Problem. In "The Strangers" begehen die Unbekannten (erheblichen) Sachschaden, sie jagen dem Paar eine Heidenangst ein, aber sie fügen den Beiden keinen körperlichen Schaden zu. Fast über die gesamte Dauer des Films geht von den Angreifern keine Bedrohung aus in dem Sinne, dass dem Zuschauer unmissverständlich klar ist: Wenn sie die Beiden in die Finger bekommen, dann ist es aus.
Natürlich ist es nicht gerade unwahrscheinlich, dass "die da draußen" wirklich ernst machen, schließlich deutet nicht zuletzt die Einleitung darauf hin, aber allein die Option, dass sie dies vielleicht doch nicht im Sinn haben, beraubt den Film schon einen großen Teil seiner Dramatik. Und mal ehrlich: Sollte dem denn dann wirklich auch so sein, dass die Fremdlinge nur ein paar Psycho-Spielchen treiben, dann wäre diese Lösung zudem hochgradig vorhersehbar und einfallslos, da eben schon lange vorher andere Filme dieses Spielchen mit ihrem Publikum getrieben haben.
Hinzu kommen einige kleinere Ärgernisse, für sich genommen verschmerzbar, die sich so aber natürlich dazu addieren. Auf die hypernervöse Kamera, ständig hin- und her zuckend, hätte Bertino - zumindest in der Anfangsphase - getrost verzichten können. Natürlich versinnbildlicht er dadurch das "unter Beobachtung stehen" der beiden Protagonisten, angenehm zu schauen ist der Film dadurch aber sicher nicht. Ein anderes Problem ist fast Genre-typisch: Trotz der knappen Laufzeit muss sich "The Strangers" schon arg strecken, um überhaupt auf 85 Minuten, inklusive Abspann, zu kommen. So verlässt mal jemand das Haus, nur um Minuten später wieder zurückzukehren, ohne dass die Handlung eine nennenswerte Entwicklung genommen hätte. Wie aber auch generell im gesamten Film kaum Entwicklung stattfindet. Zusätzlich wiederholen sich die Schock-Momente, da sie im Prinzip doch meist darauf hinauslaufen, dass irgendwo einer der Maskenträger auftaucht, kurze Zeit später jedoch - natürlich ohne irgendetwas unternommen zu haben - wieder verschwindet. Das funktioniert beim ersten Mal noch gut, nutzt sich dann aber sehr schnell ab.
In der deutschen Fassung sorgt zudem die Synchronisation für Unmut. Die Off-Stimme, die zu Beginn von Gewaltverbrechen in den USA und wahren Begebenheiten erzählt, klingt übertrieben düster. Aber alles andere als glücklich ist auch und vor allem das, was die deutsche Synchronstimme von Liv Tyler hier veranstaltet. Die Dialoge, die schon im Original keinen Innovationspreis gewinnen, werden durch die arg gekünstelte Sprechweise in der deutschen Fassung noch mal zusätzlich abgewertet. Und wenn Kristen in Panik gerät und schreit, fühlt man sich an die Geräusche erinnert, die ein Wasserkocher verursacht, wenn seine Arbeit getan ist. Ein anderes Beispiel für die missratene Synchro: Eben liegt Kristen noch heulend am Boden - eine Sekunde später fragt sie James in absolut sachlicher Tonlage "Wo willst du hin?", keine Spur mehr von Panik und Verzweiflung. Wen das Szenario anspricht und wer sich durch die genannten Schwächen nicht abschrecken lässt, der sollte nach Möglichkeit ganz klar das Original vorziehen. Ein Plus an Atmosphäre ist gewiss.
"The Strangers" scheitert nicht komplett, kommt über gute Ansätze aber nicht hinaus. Bryan Bertino scheint grundsätzlich dazu in der Lage, einen spannenden Genre-Film zu schreiben und zu inszenieren. Bei seinem Debüt hat er sich allerdings einem Szenario gewidmet, für das er zum einen nicht ausreichend Ideen auf Lager hatte und bei dem er zum anderen scheinbar unterschätzt hat, dass man Bedrohung nicht nur behaupten kann, sondern sie auch mal verdeutlichen, zeigen muss. Sonst wirkt sie nicht. Oder anders ausgedrückt: Irgendwann muss halt auch einfach mal ein bisschen an der Spannungsschraube gedreht werden. Bertinos nächster Horror-Film heißt "Alone", vielleicht macht er es besser. Und danach? "The Strangers" lief an den US-Kinokassen äußerst erfolgreich: Nicht schwer zu erraten, was bereits für 2010 angekündigt wurde. Dass das Ende des ersten Teils eigentlich nicht wirklich nach einer Fortsetzung verlangt, interessiert dabei ja sowieso keinen.
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