Gucha

Originaltitel
Guca!
Jahr
2006
Laufzeit
94 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 30. Januar 2011

Auf dem Papier klingt es erstmal ganz interessant: Der serbische Filmemacher Dusan Milic, Schüler von Emir Kusturica, dem vielfach preisgekrönten Regie-Giganten des Balkans, macht einen Film über die Minderheiten-Problematik der Roma in seiner Heimat und vermischt dabei Shakespearsches Drama, Bollywood-Romantik und serbische Folklore. Schade nur, dass das Endprodukt mehr als deutlich zeigt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit voneinander entfernt sein können. Denn das Resultat von Milics kunterbuntem Elemente-Mix ist ein unausgegorener, in seiner Harmlosigkeit komplett banaler Langweiler, der viele Dinge anspricht und ausprobiert, aber nichts davon wirklich zu Ende bringt.

Die Grund-Situation ist direkt aus Shakespeares berühmtestem Liebesdrama kopiert: Der junge Roma-Trompeter Romeo verliebt sich auf den ersten Blick in Juliana, die Tochter von Serbiens berühmtestem Blechbläser Satchmo, der mit seinem Orchester zugleich der schärfste Konkurrent der Band von Romeos Stiefvater ist. Zwei verfeindete Clans, eine unmögliche Liebe - das Drama kann beginnen, unterfüttert von den rassistischen Konflikten zwischen den Roma und den "weißen" Serben.
Das erwartet man vielleicht, aber nichts da. Milic inszeniert seinen Film von Beginn an mit fröhlich-bunter Sprunghaftigkeit, weidet sich in Großaufnahmen an den naiven Gesichtern seiner verliebten Protagonisten und beschwört nimmermüde eine luftige Leichtigkeit, um seine Geschichte in die gewünschte Komödien-Richtung zu drängen. So gestattet Satchmo dem verliebten Romeo schließlich, dass er ihm seine Tochter überlassen werde, falls es Romeo gelingt, Satchmo bei den alljährlichen Meisterschaften der Blechbläser in Gucha zu besiegen. Und schwupps steht man mit einem halben Bein in einem Sport-Film mit diesem alles entscheidenden Duell beim großen Turnier gegen einen scheinbar unschlagbaren Gegner.

"Gucha" versucht viel, und leider funktioniert so gut wie nichts davon. Obschon die Story die Grundlage für gewichtige Konflikte besitzt (nicht nur bezüglich der Unterdrückung der Roma, Juliana hat auch einen behinderten Bruder, der von Satchmo ebenfalls diskriminiert wird) und diese ja auch Shakespeares Drama ausmachen, übertüncht "Gucha" das alles mit seiner angestrengten, bunten Leichtigkeit, die wiederum die balkanische Version eines Bollywood-Films darstellen soll. Um den indischen Vorbildern allerdings gleich zu kommen, ist Milics Film viel zu sehr in der Realität verwurzelt: In Bollywood-Filmen dominieren überlebensgroße, melodramatische Gefühle, und die Farbenfreude wird in aufwändigen Musical-Nummern zelebriert. Dafür dürften Milic zum einen die Mittel gefehlt haben, zum anderen wird in "Gucha" eben nicht gesungen, sondern nur trompetet.
Womit das vielleicht größte Problem des Films erreicht wäre: Man muss wohl mit der Blechbläser-Tradition des Balkans und der dortigen Folklore vertraut sein, um überhaupt zu erkennen, wo die besonderen Talente von Satchmo und Romeo liegen. Für das mitteleuropäische Ohr ist bei ihren Trompeten-Duellen zwar schon erkennbar, dass die beiden einen unterschiedlichen Stil spielen. Wo sich in diesen Nuancen bei der Interpretation volkstümlicher Trompeten-Melodien und -Fanfaren aber nun das Besondere, gar Revolutionäre versteckt (es wird viel Aufhebens darum gemacht, dass Romeo sich mit seinem Stil von der traditionellen Spielweise entfernt), bleibt für den Laien unverständlich. So muss man sich als Film-Zuschauer mühsam von den Gesichtern der Beobachter auf der Leinwand herleiten, ob der aktuelle Trompeten-Vortrag nun großartiger als der vorherige ist, selbst beeindruckt ist man zu keinem Zeitpunkt. Dass die Trompete nicht gerade als sexy Instrument bekannt ist und hier auch eher bodenständige Uff-ta-ta-Musik gespielt wird, ist "Gucha" leider auch nicht zuträglich.

So schleppt sich "Gucha" belanglos und ohne klare Linie dahin und kulminiert dann schließlich in einem Showdown, der hart an der Grenze zur Peinlichkeit balanciert. Da erblödet man sich nicht, dass Romeo seinen Band-internen Konkurrenten um die Position der ersten Trompete per Abführmittel außer Gefecht setzt (inklusive obligatorischer Darmgeräusche und hastigem Sturz zum Klo), und die Geschehnisse während und auf dem Gucha-Festival sind so unsauber und tranig inszeniert, dass man auf der Zielgerade noch dazu geneigt ist, die Kompetenz des Regisseurs anzuzweifeln.
Das Potential, das "Gucha" vielleicht einmal hatte, verschenkt der Film jedenfalls eigenhändig, indem er seine Erzählung immer mehr dem geistigen Niveau seiner naiven, Zahnspange-tragenden Teenie-Protagonistin anpasst. Resultat ist eine unglaubwürdige, überkonstruierte und banale Nichtigkeit ohne echte Ideen und leider auch ohne echten Charme. Schade.


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