Fragt man einen „Star Wars“-Fan, welcher Film ihm seit der Übernahme der Franchise durch Disney denn besonders gut (oder überhaupt irgendwie) gefallen hat, dann kommt von den Meisten als Antwort „Rogue One“. Bei der Vorgeschichte zur Zerstörung des ersten Todessterns bewies Regisseur Gareth Edwards in Sachen Look, Atmosphäre und Figurenführung ein deutlich besseres Gespür als seine Kollegen Abrams oder Johnson. Ein Talent, dass der Filmemacher bereits mit seinem Frühwerk „Monsters“ bewiesen hatte. Und wenn dieser Mann nun mit einem neuen, originären SF-Konzept daherkommt für das ihm ein ordentliches Budget zur Verfügung gestellt wurde, dann darf man schon gespannt sein. Und tatsächlich liefert Edwards mit „The Creator“ ein dystopisches Werk ab, das zu den stärksten Filmen des Jahres zählt.
Ein paar Jahrzehnte in der Zukunft stehen sich auf der Erde zwei große Machtblöcke gegenüber: Die westliche Welt, die unter Führung der „Americans“ nach einem Zwischenfall mit tausenden Toten erbittert gegen alle Wesen kämpft, die auf künstlicher Intelligenz beruhen, und der asiatische Block, für den diese KIs weiterhin ganz selbstverständlich zum Alltag gehören und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben haben sollen. Joshua (John David Washington) hat einst als Agent für die Amerikaner gearbeitet, sich seit einem schief gelaufenen Undercover-Einsatz, bei dem seine Frau (Gemma Chan) und sein ungeborenes Baby ums Leben kamen, aber innerlich zurückgezogen. Auch die Nachricht, dass der „Schöpfer“, der Anführer der KIs, angeblich eine Superwaffe entwickelt hat, die den Krieg entscheiden könnte, lässt ihn zunächst kalt. Als sich aber die Anzeichen mehren, dass seine geliebte Maya vielleicht doch noch am Leben sein könnte und etwas mit dieser geheimnisvollen Waffe zu tun hat, macht sich Joshua schließlich bereit für den Einsatz.
Erst einmal beeindruckt „The Creator“ mit seinem Setting, das angemessen futuristisch und faszinierend daherkommt, ohne dabei jedoch übertrieben phantastisch zu wirken. Krönung des überzeugenden visuellen Konzepts ist dabei die „NOMAD“ genannte Waffe der westlichen Allianz, deren erhabene Schönheit in krassem Kontrast zu ihrer todbringenden Wirkung steht. Denn die Radikalität, mit der die Gegner der künstlichen Intelligenzen diese auszurotten und zu „verschrotten“ suchen, lässt schon früh ziemlich schaudern und Zweifel an der Richtigkeit dieses Tuns entstehen, die sich im Verlauf noch steigern, denn die anfangs klar scheinende Trennlinie zwischen gut und böse löst sich immer weiter auf, obwohl es doch anscheinend sehr gute Gründe gibt, die KI als unzumutbare Bedrohung zu betrachten.
Und das ist die vielleicht bemerkenswerteste Leistung des Films: Dass er einerseits ein echter Action-Kracher mit furios inszenierten Kämpfen, Schlachten und Effekten ist, diese aber nie so wirken lässt als seien sie die Hauptattraktion des Werks, über die es sich verkaufen soll. Das sind vielmehr die Charaktere auf beiden Seiten, die stets nachvollziehbar handeln und auch bei den Nebenfiguren nicht allzu simpel gezeichnet sind. Die sich – angeführt vom immer mehr zum "Leading Man" für epische Geschichten avancierenden John David Washington - Fragen stellen und dabei in Situationen geraten, die schwere Entscheidungen verlangen. Das alles in einer Umgebung, die durchgehend fremdartig und bedrohlich wirkt. Denn zu lachen gibt es hier nicht viel, Edwards inszeniert mit gradlinigem Ernst und lässt die Leinwand explodieren, während sich seine Protagonisten gerade noch Gespräche über den Sinn und Wert des Lebens liefern.
Wem das jetzt ein bisschen zu unglaubwürdig klingt, dass hier tatsächlich Anspruch und Entertainment so überzeugend verknüpft werden, dem sei gesagt, dass es sich bei „The Creator“ zweifellos immer noch um Mainstream-Kino handelt, für das man natürlich kein Philosophie-Studium benötigt. Aber eben um Mainstream-Kino, das sich in allen Bereichen auf sehr hohem Niveau bewegt, und somit um einen Film bei dem wirklich ins Gewicht fallende Schwächen eigentlich nicht auszumachen sind. Und freuen wir uns im Grunde nicht sowieso schon über jedes eigenständige, nicht auf einer bekannten Marke oder Reihe beruhendes Werk, das ein bisschen was Interessantes und Neues bietet? „The Creator“ erfüllt diese Anforderungen und sollte dafür dann auch mit einer ausreichenden Zahl gelöster Kinotickets belohnt werden.
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