Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben selbst.
Das dachten sich wahrscheinlich auch Produzent James L. Brooks (Besser
geht's nicht) und Regisseurin Penny Marshall (Zeit es Erwachens,
Eine Klasse für sich) als sie sich an die Verfilmung von Beverly
Donofrios autobiographischem Roman "Riding in Cars with Boys" machten.
Beverly
(Drew Barrymore) wächst in den frühen sechziger Jahren als Tochter
eines Polizisten (James Woods) in einer konservativen Kleinstadt
in Connecticut auf und träumt schon als Kind davon, eine berühmte
Schriftstellerin in New York zu werden. Als Bev als 15-jährige auf
einer Party von ihrem Traumboy abgewiesen wird, wendet sie sich
an den rauen, nicht allzu intelligenten aber freundlichen Aussteiger
Ray (Steve Zahn). Für Ray ist es Liebe auf den ersten Blick und
wenige Monate später erfährt Bev, dass sie schwanger ist. Ihre Eltern
drängen sie dazu, die Schule abzubrechen und Ray zu heiraten, um
das Gesicht der Familie zu wahren. Obwohl sich Bev widerwillig diesem
Wunsch unterordnet, gibt sie niemals die Hoffnung auf, doch noch
auf das College zu gehen. Als Ray ihr sechs Jahre nach der Geburt
ihres gemeinsamen Sohnes Jason allerdings gesteht, dass er heroinsüchtig
ist und ihre gesamten Ersparnisse für Stoff ausgeben hat, scheinen
Bevs Jugendträume endgültig zu platzen.
Teenagerschwangerschaften, Zwangsehen, eine gestörte Mutter-Sohn-Beziehung,
Drogensucht: auch wenn sich diese Inhaltsangabe wie ein Exposé für
den "Großen TV-Roman" auf RTL liest, ist "Unterwegs mit Jungs" bei
weitem keine Seifenoper im XXL-Format oder gar ein verkitschtes
Sozialdrama geworden, sondern ein äußerst gelungener Film über eine
komplizierte Heldin, die sich vom Leben nicht unterkriegen ließ.
Morgan Upton Wards starke Drehbuchadaption von Beverly Donofrios
Memoiren bietet dabei plastische Charaktere,
die sich nicht auf eine bloße Aneinanderreihung von Reißbrett-Attributen
reduzieren lassen, sondern Protagonisten mit Ecken und Kanten sind.
Der Mut zu den ambivalenten Figurenzeichnungen zahlt sich aus, denn
die oftmals egoistisch agierenden Charaktere heben sich deutlich
vom stereotypen Hollywoodstandard ab und fordern den Zuschauer auf,
sich eingehend mit ihnen auseinanderzusetzen. Indem der Film den
schwierigeren Weg geht und das Urteil über die Handlungen und Motivationen
seiner (Anti-) Helden dem Publikum überläßt, gibt er ihm gleichzeitig
die Möglichkeit, echte Sympathie für Betty, Ray und Co. zu empfinden,
ohne die kritische Distanz zu ihnen zu verlieren. So glauben wir
die facettenreichen Figuren am Ende des Films zwar sehr gut zu kennen,
können uns aber nicht zu eindeutigen Bewertungen oder gar Pauschalisierungen
hinreißen lassen. Die hervorragenden Darsteller tragen ihr übriges
dazu bei, diese vielschichtigen Charaktere auf der Leinwand zum
Leben zu erwecken. Obwohl "Unterwegs mit Jungs" bis in die kleinsten
Nebenrolle sehr gut besetzt ist (auch die Kinderdarsteller überzeugen
auf der ganzen Linie), stechen insbesondere die beiden Hauptdarsteller
Drew Barrymore und Steve Zahn aus den durchweg positiven Leistungen
ihrer Kollegen hervor. Sie wirken als naive Teenager genauso glaubwürdig
wie als desillusionierte Erwachsene und umspielen dabei gekonnt
sämtliche melodramatischen Klippen der Geschichte.
Wer jetzt erwartet, dass der Film zu einer trockenen Charakterstudie
oder einem zweistündigen Tränendrüsen-Drücker verkommt, kann beruhigt
werden, denn gerade weil die Protagonisten nicht verklärt oder
idealisiert werden, gelingt "Unterwegs mit Jungs" eine mitreißende
Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und einem ebenso warmherzigen
wie respektlosen Humor. Bestes Beispiel hierfür sind die halbherzigen
Versuche der 15-jährigen Beverly, einen vorzeitigen Schwangerschaftsabbruch
durch einen Treppensturz herbeizuführen. Trotz des ernsten Hintergrundes
der Situation entwickelt die Szene eine zwerchfellerschütternde
Komik, ohne - und dies ist das Entscheidende - dass die Figur oder
ihr Dilemma jemals der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Nach
einer leichtfüßig inszenierten ersten halben Stunde voller Situationskomik
wird der Humor im Laufe des Films allerdings ruhiger und hintergründiger,
wenn Beverly nach und nach mit den unangenehmen Realitäten des Lebens
konfrontiert wird und erkennen muss, dass ihre Jugendträume höchstwahrscheinlich
nicht in Erfüllung gehen werden.
Der große Verdienst von Regisseurin Penny Marshall ist dabei, dass
sie sich an den entscheidenden Stellen zurückhält und voll und ganz
auf die Kraft der Geschichte und ihrer Darsteller vertraut, anstatt
die emotionale Wirkung des Films mit pathetischen Gesten und übermäßiger
Sentimentalität künstlich aufzublasen. Dafür entdeckt sie unzählige
magische Augenblicke in ganz alltäglichen Situationen, hält gekonnt
die Balance zwischen Tragik und Komik und bringt dem Zuschauer die
schwierigen Charaktere auf eine angenehm unaufdringliche Art und
Weise näher.
So ist "Unterwegs mit den Jungs" ein einfühlsamer, stellenweise
sehr komischer Film voller großer kleiner Momente geworden, der
rührt und berührt ohne je ins Rührselige abzudriften.
Originaltitel
Riding in cars with boys
Land
Jahr
2001
Laufzeit
131 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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