The Old Guard

Land
Jahr
2020
Laufzeit
125 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
8
8/10
von Matthias Kastl / 15. Juli 2020

Mit "The Old Guard" versucht nun auch Netflix eine eigene Superhelden-Franchise zu etablieren. Wer von der Comic-Verfilmung rund um eine Gruppe unsterblicher Kämpfer aber nun eine Art Marvel-Epos erwartet, dürfte bitter enttäuscht werden. Aufwendige Effekte, spektakuläre Kämpfe und coole Sprüche gibt es hier gar nicht oder nur selten zu sehen. Stattdessen liegt der Fokus eher auf ruhigen Charaktermomenten und einer großen Portion Melancholie. Ein geradezu bodenständiger Superheldenfilm, der sich als kleine positive Überraschung dieses Streaming-Sommers entpuppt.
 

Gleich mehrere Überraschungen erwarten auch unsere Helden zu Beginn des Films. Andy (Charlize Theron), Booker (Matthias Schoenaerts, "Der Geschmack von Rost und Knochen"), Joe (Marwan Kenzari) und Nicky (Luca Marinelli) sind eigentlich unsterblich und kämpfen bereits seit Jahrhunderten für das Gute. Doch Alter schützt vor Torheit nicht und so sorgt ein scheinbarer Routineauftrag des CIA-Mannes Copley (Chiwetel Ejiofor, "12 years a slave", "American Gangster") für ungeahnte Probleme. Verkompliziert wird die Lage auch noch dadurch, dass sich gleichzeitig die junge Soldatin Nile (KiKi Layne, "Beale Street") in Afghanistan ebenfalls ihrer eigenen Unsterblichkeit bewusst wird. Eigentlich hat Andy nicht wirklich Lust auf ein weiteres Teammitglied, aber die Gruppe ahnt nicht, wie wertvoll Nile noch für sie werden wird.

Vier unsterbliche Krieger mit jahrhundertelanger Kampferfahrung, die in der heutigen Welt mit Schwertern, Äxten und Maschinengewehren auf Bösewichtjagd gehen – das klingt doch nach einem Actionspektakel. Und dann noch mit Charlize Theron, die in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen hat, dass ihr die Rolle des coolen weiblichen Action-Stars geradezu auf den Leib geschrieben ist. Theron ist dann auch immer an vorderster Front, wenn es bei "The Old Guard" etwas zu metzeln gibt. Aber diese Actionszenen verfügen weder über die optische Wucht eines "Mad Max" noch die aufwendige Choreographie eines "Atomic Blonde". Stattdessen fallen sie eher in die Kategorie kurzweilig, aber unspektakulär (wenn auch durchaus brutal).
 

"The Old Guard" legt den Fokus lieber auf etwas Anderes. Im Wissen, in Sachen Budget sowieso mit den großen Marvel-Filmen nicht mithalten zu können, probiert der Film dies auch erst gar nicht. Zwar jetten wir im Laufe des Films durch viele verschiedene Länder, aber die Settings fallen eher klein und unspektakulär aus. Und auch die Action-Szenen werden eher kurz gehalten und sind noch dazu vergleichsweise spärlich gesät. Stattdessen verbringen wir viele ruhigere Momente mit den Figuren, die teilweise eher nachdenklich den Sinn ihrer Taten, ihre Rolle in der Gruppe und ihre Zukunft kritisch hinterfragen.

Nicht falsch verstehen, "The Old Guard" ist nun auch nicht Shakespeare und stellt tiefe philosophische Fragen. Diese werden zwar immer wieder kurz angerissen, aber nicht wirklich in aller Tiefe ausdiskutiert. Stattdessen bleibt der Film auf eine sehr schöne, bodenständige Art und Weise bei den ganz persönlichen Problemen der Protagonisten und ihrem Umgang mit der "Last" der Unsterblichkeit, sowie ihrer Rolle in und ihrer Loyalität zu der kleinen exklusiven Gemeinschaft an Superhelden.
 

So zieht sich eine Art Melancholie durch den ganzen Film, in dem den meisten unserer Helden anzumerken ist, dass sie nach all den Jahren doch schon gewisse Ermüdungserscheinungen zeigen. Immer wieder halten unsere Figuren dann auch nachdenklich inne oder scheinen von dem Trubel einfach nur abschalten zu wollen. Das wirkt sich natürlich auch auf das Erzähltempo von "The Old Guard" aus, das für diese Art von Genre ungewöhnlich gemächlich daherkommt. Aber der Film ist irgendwie erfrischend gemächlich und nachdenklich. Denn er entscheidet sich bewusst für eine ungewöhnliche Herangehensweise an ein Genre, das manchmal in seinem Bombast und seiner Coolness zu ersticken droht.

Verantwortlich dafür ist nicht nur der Autor der Original-Comics, der auch das Drehbuch beisteuerte und so eine ziemlich originalgetreue Umsetzung der Vorlage garantiert (allerdings mit einem entscheidenden Unterschied, der dem Film aber auf jeden Fall gut tut). Beglückwünschen kann man die Produzenten auch für die Wahl der Regisseurin Gina Prince-Bythewood, die in Sachen Inszenierung genau die richtige Einfühlsamkeit mitbringt, um den Zuschauer emotional dicht an die Figuren zu rücken.
 

Das funktioniert gerade für das Kernteam unser Superheldengang ziemlich überzeugend. Hier gelingt es dem Film gut, den Konflikt zwischen jahrhundertelang aufgestauter Erschöpfung und noch vorhandener emotionaler Bindung zu den Kollegen deutlich zu machen. Das Team agiert teilweise wie ein sich etwas überdrüssig gewordenes Ehepaar, das aber dann doch noch mühevoll versucht sich irgendwie zusammenzureißen.


Für manche Zuschauer mag das jetzt nicht unbedingt nach einem sexy Filmabend klingen. Und ein paar Sachen, wie der eher blasse Bösewicht und ein etwas lahmer Cliffhanger am Ende, hätten auch trotz kleinerem Budget sicher noch besser gelöst werden können. Aber wer sich auf die Einfachheit von "The Old Guard" einlässt, wird am Ende mit einem sehr charmanten, ja sich stellenweise richtig intim anfühlenden Superheldenfilm belohnt werden. Kleine Charaktermomente statt großem Spektakel – als bodenständiger Gegenentwurf zum Marvel-Spektakel könnte Netflix hier wirklich eine interessante neue Franchise in den Ring geworfen haben.

Bilder: Copyright

4
4/10

Kommt über das Niveau einer der schwächeren Highlander Folgen nicht hinaus. Berührend hat mich lediglich die Vorstellung, alle paar Minuten für einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren ständig aufs Neue zu ertrinken, weil man in einem metallenen Käfig am Meeresgrund gefangen ist.

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Antwort auf von Thanus
4
4/10

Das sehe ich ganz genauso. Diese wirklich grausame Vorstellung war das einzige was von dieser 08/15 Produktion voll belangloser Charaktere und mauer Action hängen geblieben ist.

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4
4/10

Belanglose Charaktere, die anscheinend pflichtgetreu gemäß der Diversitäts-Checkliste entstanden sind (farbig, homosexuell, latent lesbisch) und maue Action sorgen für wenig Vergnügen. Dialoge und Handlung entsprechen genau dem was man erwartet, nur die zahlreichen Logiklöcher sorgen für etwas Überraschung. Eine lieblose Produktion vom Reissbrett. Einzig die wirklich grausame Idee immer und immer wieder ertrinken zu müssen war innovativ. Kann man ansehen, wenn gerade kein interessanter Werbeblock im Fernsehen läuft.

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6
6/10

Einerseits ist es ja erfrischend zu sehen, dass es noch Superheldenfilme ohne Weltuntergangsszenario gibt. Allerdings ist die Story dann doch sehr schlicht, der Böse sehr lahm und klischeehaft (Wie oft hatten wir den bösen Pharma-CEO jetzt schon?) und alle spannenden Aspekte der Hauptfiguren (Flashbacks in ihre früheren Leben, wie sind sie so geworden, wie sie jetzt sind), entfallen außer bei Theron, so dass zentrale Charakterhandlungen/-wandlungen mehr behauptet als belegt werden.
Insgesamt aber schnell und actionbetont genug, um für einen Popcorn-Abend zu reichen.

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