Segelschüler bekommen schon in den ersten Theoriestunden,
lange bevor sie eigenständig ein Boot führen können,
eine Warnung vor einer Gefahr mit auf den Weg, die schon
vielen
Seglern das Leben gekostet hat: Es darf niemals die
gesamte Crew
zum Baden das Boot verlassen. Und man sollte beim
Verlassen des
Bootes auf hoher See niemals vergessen, die Bordleiter
herunter
zu lassen. Es
ist nämlich so gut wie unmöglich, aus eigener Kraft an
dem hohen, glatten Schiffsrumpf wieder an Bord zu
gelangen. Wie
lange man im Wasser überleben kann, hängt von der
Wassertemperatur
ab und davon, ob der Ankerplatz von der Berufs- oder
Freizeitschifffahrt
frequentiert wird - oder von Haien oder was sich sonst
noch so in
den Meeren tümmelt.
Die sechs Freunde in Hans Horns Regie-Debüt "Open Water
2" geraten in diese missliche Lage. Und die verzweifelten
Versuche,
die sie unternehmen, um zurück auf die sichere Yacht zu
gelangen,
nehmen einem vor Spannung den Atem.
Dan (Eric Dane) ist der typische All-American-Boy.
Schon auf der
High School der erfolgversprechende, beliebte und
gutaussehende
Mädchenschwarm, hat er es nun scheinbar geschafft und lädt
seine alten Schulfreunde zu einem Törn auf seiner
brandneuen
Luxus-Yacht ein. Dans Ex-Freundin Amy (Susan May Pratt)
reist mit
ihrem Mann James (Richard Speight Jr.) und Baby an - und
ist skeptisch,
denn seit einem traumatischen Erlebnis in ihrer Kindheit
leidet
sie unter einer schweren Wasserphobie. Die
Wiedersehensfreude mit
Zack (Niklaus Lange) und Lauren (Ali Hillis) lässt sie
ihre
Angst jedoch überwinden und an Bord gehen.
Bald
schnellt das Boot bei Wind und Sonne über das Meer,
während
die Freunde ausgelassen feiern. Eine Abkühlung ist
notwendig,
und James, Lauren und Zack springen mit Dans Freundin
Michelle (Cameron
Richardson) in das unergründliche Blau. Draufgänger Dan,
an schnelle Erfolge gewöhnt, beschließt plötzlich,
Amy mit einer Schocktherapie von ihrer Phobie zu befreien
und stürzt
sich mit ihr zu den anderen ins Wasser. Ein fataler
Fehler, denn
niemand hat daran gedacht, die Bordleiter herunter zu
lassen. Alles,
was die Freunde im Wasser zur Verfügung haben, sind eine
Schwimmweste,
zwei Tauchbrillen, ein Messer, ein aufblasbarer Delphin
und die
Badesachen, die sie am Körper tragen.
Mit
dieser mageren Ausrüstung beginnt ein nervenzerreißender
Kampf ums Überleben, dessen Ironie in der unmittelbaren
Unerreichbarkeit
des rettenden Schiffes liegt. Die Schiffbrüchigen lassen
nichts
unversucht, um zurück an Bord zu gelangen - und stoßen
schnell an ihre physischen und psychischen Grenzen.
Todesängste
und energieraubende Schuldzuweisungen sorgen außerdem für
lebensbedrohliche Zwischenfälle - und die jungen Eltern
Amy
und James leiden Höllenqualen, als sie hilflos die Schreie
ihres hungrigen Babys im Inneren der Yacht mit anhören
müssen.
Es ist nie ganz klar, ob die Gefahr aus der Tiefe oder
jene, die
im Innersten der Protagonisten lauert, die größere ist,
und schon bald ist ein erstes Todesopfer zu beklagen....
Werbefilm-Regisseur Hans Horn ließ sich für sein
Kinofilm-Debüt
von wahren Begebenheiten aus der Sportschifffahrt
inspirieren. Zusammen
mit dem Autoren-Duo Dave Mitchel und Adam Kreutner ist ihm
ein dichtes, hochspannendes Psycho-Drama gelungen, das
ohne Effekte
auskommt und brillant mit den Ängsten der Zuschauer
spielt.
Seine Wurzeln im Werbefilm merkt man Horn dabei durchaus
an; die
Figuren bleiben klischeehaft, der Prolog mit seinen sehr
platten
Dialogen kann trotz um Authentizität bemühter, wackeliger
Handkamera nicht über die Chio-Chipshaftigkeit der jungen
Clique
hinwegtäuschen. Den Bildern kommt eben dieser Ursprung
Horns
dann aber zugute - sie sind in der ganzen grausamen
Ausweglosigkeit
durchgehend hoch ästhetisch und unterstreichen die
Gleichgültigkeit
der übermächtigen Natur gegenüber der menschlichen
Existenz.
Der Titel - ursprünglich war "Godspeed" nach dem Namen der Film-Yacht, dann "Adrift" angedacht - macht die zweifellos vorhandene thematische Verwandtschaft zum Vorgänger "Open Water" (2004) deutlich. Tatsächlich hatte Horn seinen Stoff schon vor dem Drama von Chris Kentis entwickelt, wurde in Hollywood aber ob der reduzierten, minimalistischen Story abgewiesen. Dabei ist Horns Film ein eigenständiges, hoch spannendes Werk, das sich mit einer weiteren Spielart eines Hochsee-Alptraums befasst und das dementsprechend auch mit einem eigenen Titel hätte gewürdigt werden sollen.
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