The Sisters Brothers

Originaltitel
The Sisters Brothers
Jahr
2018
Laufzeit
122 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 4. März 2019

Sacre bleu, le Western à la grénouille! Lang ist's her, dass man einen Western aus dem Land der Gallier gesehen hat, der sich nicht als alberne Komödie verstand wie etwa die Adaptionen von sowohl Lucky Luke als auch seiner Erzfeinde, der Daltons. An die Tradition der Eurowestern der 1960er und frühen 1970er Jahre will Jacques Audiard allerdings nicht anknüpfen und nach seinem kontroversen Cannes-Gewinner „Dheepan“ (dessen Gewinn bei nicht wenigen Unverständnis und Kopfschütteln auslöste) macht sich Audiard also nach mehreren urbanen Stoffen wieder an das Historische und Rurale. Einzig die Gewalt, die auch hier immer wieder über die Figuren hereinbricht erinnert an „Dheepan“ oder „Ein Prophet“. Gewidmet hat Audiard seine Adaption des Romanes von Patrick DeWitt seinem schon früh verstorbenen Bruder, und wie dem etwas albern klingenden Titel zu entnehmen enfaltet er hier entlang den Genrelinien hauptsächlich eine Familiengeschichte.
 

Charlie (Joaquin Phoenix) und Eli (John C. Reilly) Sisters sind Männer, die man fürs Grobe anheuert: Leute jagen, Leute foltern, Leute über den Haufen schießen. Gerade Charlie mit seinem Hang zum Soziopathentum und Alkoholismus fühlt sich wohl im Leben als „hired gun“, während der ältere Bruder Eli dagegen durchaus von einem anderen Leben träumt. Aber erst mal gibt es einen Job zu erledigen: Im Auftrag des Großkriminellen Commodore (Rutger Hauer) sollen sie den Erfinder Hermann Kermit Warm (Riz Ahmed) ausfindig machen, ihn mit allen Mitteln zum Reden bringen, was es mit seiner Erfindung auf sich hat, und ihn dann beseitigen. Allerdings sind die Gebrüder Sisters nicht die einzigen, die sich an die Spur von Warm geheftet haben. Auch der joviale Detektiv John Morris (Jake Gyllenhaal) sucht nach Warm und früher oder später müssen sich die Wege dieser Vier kreuzen...

Wie genau sie dies tun, darüber soll nun aber kein weiteres Wort verloren werden, denn es gehört zu den Freuden von „The Sisters Brothers“, dass der Film schon relativ früh nach noch recht klassisch aufgebautem Jäger-und-Gejagte-Szenario die Pfade der Konvention verlässt und sich gerade im ausufernden Mittelteil als Film präsentiert, in dem eigentlich nicht viel passiert und in dem dafür seinem zentralen Quartett viel Raum zur Figurenentwicklung gelassen wird. Das hat dann manchmal schon fast den Charakter eines „hang out“-Films (wo man also eher ungezwungen mit den Figuren „abhängt“), bevor dann irgendwann der Plot natürlich doch noch mal zum Pistolenduell ruft. Aber wie dort vorsichtig und misstrauisch Männerfreundschaften geschlossen werden, wie auch eine sozialem Verhalten kaum zugängliche Figur wie Charlie ein wenig Menschlichkeit zurückgewinnt, und wie sich dann diverse merkwürdige Paare in Dialog annähern, das macht schon Spaß. Allerdings ist damit auch klar, dass „The Sisters Brothers“ keine Ausgeburt an Action oder Hochspannung ist und auch die wenigen Actionszenen eher realistisch und unspektakulär daherkommen. Aber etwas anderes hätte man von Jacques Audiard ja auch kaum erwartet.

Über die Qualität der Darsteller muss man – außer über den aufstrebenden Riz Ahmed - nicht viel sagen, die Namen Phoenix und Gyllenhaal sprechen da für sich selbst. Aber für John C. Reilly freut es einen doch, dass dieser mal eine rare Hauptrolle abseits der debilen Zotenkomödien mit Will Ferrell bekommen hat. Und auch wenn Reilly hier in dieser Rolle im Grunde genommen wieder die Diskrepanz zwischen seinem massiven Körper und seiner zarten Seele ausspielt, so macht er das wieder mal ganz wunderbar. Sein Eli, der sowohl gemütlich als auch ein wenig simpel ist, hätte in einem anderen Film zur schlimmen Karikatur verkommen können, hier ist er das emotionale Herz des Films. Während Gyllenhaals und Phoenix' Figuren immer ein wenig auf Abstand zum Publikum bleiben, sind wir ganz bei Eli, wenn er grummelnd bemängelt, dass Charlie der Anführer ist und mehr Geld bekommt oder den Schal einer Damenbekanntschaft mit sich herumschleppt wie Linus seine Kuscheldecke. Da passt es dann nur ins Bild, dass sich in der zweiten Filmhälfte immer mehr Eli zum gar nicht so heimlichen Helden der Geschichte entwickelt.

„The Sisters Brothers“ ist ein Western, der sich wie gesagt den Konventionen entgegenstellt, weswegen der Film auch immer mal wieder erzählerische und thematische Brüche zeigt. Gerade die Wende nach dem langen „Abhäng“-Teil des Films ist knapp und brutal gesetzt, wie man es von Audiard gewohnt ist. Wie dort die Freude dieses seltsamen Herrenclubs innerhalb von kurzer Zeit in gewaltreiche Tragik umschlägt, das gibt einem dann schon einen mit. Dazu kommt dann auch immer mal wieder ein wenig schwarzer Humor, wenn etwa Charlie inmitten eines vereitelten Überfalls selbstzufrieden in der Fellmütze des Feindes herumrennt. Und so passt es dann auch, dass der Film nicht in Genre-üblichen Showdowns endet (ein Gegner wird auf, sagen wir mal, unübliche Weise aus dem Spiel genommen), sondern mit einer eher unspektakulären, dann aber umso schöneren Koda, die den Weg zurück zum Titel spinnt: es geht doch nichts über Familie.

„The Sisters Brothers“ ist im Grunde genommen ein Western für Leute, die Western nicht mögen. Oder vielleicht ein Drama, das halt zufällig im hier auch noch ziemlich wilden (es ist die Zeit des Goldrauschs) Westen spielt. Wo das Genre den Archetyp in den Vordergrund stellt, konzentriert sich Audiard auf die Menschen dahinter – und verwandelt so auch die titelgebenden Brüder von ihren zuerst klischiert erscheinenden Merkmalen – der wilde Säufer und Killer und das nicht für diese Arbeit geborene, eher sanfte Riesenbaby – zu richtigen, komplexe(re)n Figuren. Da seien dem Film dann auch die ein oder andere Länge verziehen, die hier quasi Teil des Vorgehens sind. An Figuren andere Seiten entdecken erfordert halt Zeit. Und die Zeit, ein paar Wochen mit den Schwester-Brüdern zu verbringen, sollte man sich als Filmfreund nicht entgehen lassen.

Bilder: Copyright

7
7/10

Die Kritik trifft es mal wieder so auf den Punkt, daß sich die Frage stellt, was noch hinzuzufügen oder zu relativieren wäre? Ah, vielleicht das: Der Film ist für Arachnophobiker nur einschränkend empfehlenswert und hat ein public viewing zu bieten, das einen kräftigen Schlußpunkt zu setzen weiß. Bestätigen kann ich, daß die Stärke des Films tatsächlich darin liegt, wie eine eher erwartbare simple Handlung nach hinten raus doch einige unerwartete Wendungen nimmt. Schön, daß hier in der Kritik nicht näher darauf eingeht und einem die Überraschungen nicht schon im Vorfeld genommen werden, die dieser Film zu bieten hat. Nachdem mich „A prophet“ begeistert und „Dheephan“ ratlos zurück gelassen hat wieder eine erfreuliche Steigerung von Audiard mit „The Sisters Brothers“.

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5
5/10

Für einen Western mit 120 Min. Laufzeit habe ich schon etwas mehr erwartet. Natürlich ist die Performance gut, wobei die Rolle von Gyllenhaal nicht viel hergibt und Phoenix etwas unterfordert erscheint. Die Story ist wie ein Ritt im angesagten Spiel „Read Dead Redemption 2“: Nett, jedoch lang und relativ ereignislos. Mit viel Wohlwollen kann man in diesem verqueren Plot Wendungen erkennen. Besonders schade fand ich die Musik von Alexandre Desplat. Selbst der erfolgreiche Komponist weiß nicht, wohin er will und liefert einen unbequemen Score ab. Passt aber zum Film. Fazit: Netter Film, sowas lief früher mal nachts in den dritten Programmen. Großes Kino ist das aber nicht.

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