Kaltes Land

Originaltitel
North Country
Land
Jahr
2005
Laufzeit
126 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 11. Juni 2010

"Kaltes Land" ist die Verfilmung einer wahren Geschichte, die schließlich zu einem der wichtigsten Gerichtsurteile der USA führte: Minenarbeiterinnen aus dem nördlichen US-Bundesstaat Minnesota klagten gegen ihren Arbeitgeber, die Minengesellschaft, weil sie nicht vor sexueller Belästigung durch ihre männlichen Kollegen geschützt wurden. Das Gerichtsurteil zu ihren Gunsten führte dazu, dass im ganzen Land neue Gesetzeslinien zum Tatbestand der sexuellen Belästigung geltend wurden. Die neuseeländische Regisseurin Niki Caro, die mit ihrem wunderschönen Maori-Drama "Whale Rider" internationales Aufsehen erregt hat, kämpft nun in ihrem ersten amerikanischen Film mit den dramaturgischen Tücken dieses Themas, doch brilliert unterstützt von einem hervorragenden Schauspiel-Ensemble mit einem handwerklich beeindruckenden Film.

Die zweifache Mutter Josey Aimes (Charlize Theron) kehrt auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann in ihren Heimatort in Minnesota zurück, wo sie jedoch vergeblich auf die Unterstützung ihrer Eltern (Sissy Spacek und Richard Jenkins) hofft. Durch ihre neue Bekanntschaft Glory (brillant: Frances McDormand) erfährt die verzweifelte Josey, dass die örtliche Stahlmine auch Frauen einstellt, und um ihren Kindern und sich finanzielle Sicherheit bieten zu können, heuert Josey in dem beinharten Job an. Doch in der Mine kommen 30 männliche Arbeiter auf eine Frau, und vom ersten Tag an sieht sich Josey denselben schmutzigen Witzen, Gesten und fiesen Sprüchen gegenüber wie ihre Kolleginnen. Josey ist schockiert, doch Glory und die anderen Frauen meinen, dass sie Schwäche zeigen würden, wenn sie sich beklagen. Es ist ein harter Job, und man muss eben hart sein, um ihn machen zu können. Und so muss Josey ihre Schlacht alleine schlagen - eine Schlacht, die sie ohne Hilfe nicht gewinnen kann, und in der ihr öffentlicher Ruf als "Schlampe" (der Vater ihres ersten Kindes ist nicht bekannt) einer ihrer größten Gegner ist. Denn wer glaubt schon einer Frau, dass sie sexuell belästigt wird, wenn sie abends in der Kneipe mit den Kerlen auf der Tanzfläche flirtet?

Provoziert Josey die sexuellen Anspielungen ihrer Kollegen? Ist das Verhalten der Männer "akzeptabel", weil sie auch nicht die allerbravste Frau der Welt ist? Mit dieser zentralen Frage, auf die sich viele männliche Verteidigungsstrategien in Fällen sexueller Belästigung zurückziehen, beschäftigt sich "Kaltes Land" sehr genau, und macht dabei selbst dem Zuschauer das eigene Urteil so schwer wie nur möglich: Denn auch wenn Josey die Protagonistin und zentrale Sympathieträgerin des Films ist, so macht Caro dennoch deutlich, warum Josey selbst von ihrem Vater für ein "leichtes Mädchen" gehalten wird, und wieso dieses öffentliche Urteil zum Teil sogar berechtigt scheint. Auch wenn nie die Gefahr besteht, dass das Publikum in seiner Sympathie umkippen könnte (dafür erweisen sich Joseys männliche Kollegen als zu große Schweine), bemüht sich Caro trotzdem redlich und erfolgreich, das entscheidende Problem (auch für die Rechtsprechung) beim Vorwurf sexueller Belästigung zu verdeutlichen: Wann wird aus ein paar blöden Sprüchen ein Tatbestand, und wann darf sich eine Frau angesichts ihres eigenen Verhaltens belästigt fühlen?

Das ist keine einfache Thematik, und da Gewalt und Unrecht hier auf einer psychologischen Ebene passieren, kann sich der Film auch nicht auf ein großes Drama verlassen, um der eigenen Erzählung den richtigen Schwung zu geben. "Unspektakulär" ist eine Kategorie, aus der sich "Kaltes Land" rein von der Handlung her nicht befreien kann, und wenn man sich nicht gerade besonders für das Thema interessiert, gibt es zugegebenermaßen kaum schlagende Argumente, warum man sich den Film unbedingt ansehen sollte.
Außer natürlich die brillante Inszenierung, das klug strukturierte und exzellent geschriebene Drehbuch und die hervorragenden Darstellerleistungen, die "Kaltes Land" nichtsdestotrotz zu einem Schmaus für alle Freunde wirklich gut gemachter Filme werden lassen. Charlize Theron beweist nach ihrer Oscar-Rolle in "Monster" auch hier wieder gewissen Mut zur Hässlichkeit, und liefert mit einer sehr authentischen "White Trash"-Frisur erneut eine beeindruckende Vorstellung ab. Frances McDormand wird bereits leise für den Nebenrollen-Oscar gehandelt, und auch die anderen bekannten Namen auf der Besetzungsliste wie Sissy Spacek, Sean Bean oder Woody Harrelson überzeugen mit gewohnt guter bis großartiger Arbeit.
Das größte Lob hat aber definitiv Regisseurin Niki Caro verdient: Wie sie die erdrückende, fast unheimliche Atmosphäre der Mine einzufangen weiß, geschickt die Vereinsamung von Josey angesichts der ihr entgegen schlagenden Anfeindungen inszeniert, oder immer wieder in großartigen Luftaufnahmen die starre, kalte Schönheit der zerklüfteten Schneelandschaft würdigt; all das zeugt von großartigem Regie-Handwerk der allerersten Liga - beeindruckend, kreativ und vor allem wirkungsvoll. Ihr sicheres Gespür für einen eigenen Ton zeigt sich auch beim Soundtrack, der eine nahe liegende, konventionelle Orchestrierung vollkommen umgeht und in den dramatischen Schlussmomenten dankenswerterweise nicht mit großen Akkorden auf die Tränendrüse zu drücken versucht.

"Kaltes Land" ist kein großer und auch kein wirklich wichtiger Film, und wer im Kino nach Spektakel (ob nun im visuellen oder emotionalen Sinne) sucht, wird hier kaum fündig werden. Trotzdem ist er der wohl beste Film, der er hätte sein können. Fehler oder Schwächen kann man ihm jedenfalls keine vorwerfen, und solche Filme begegnen einem selten genug.


Ein toller Film. Diese Theron ist echt klasse. Sie wollte ja deutsche Staatsbürgerin werden, aber das wurde abgelehnt....nur mal nebenbei.

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