
Es ist bekanntlich schlecht bestellt um unseren blauen Planeten: Klimawandel, Überbevölkerung und Ressourcenknappheit sind nur einige der großen Probleme, die es für die Menschheit zu bewältigen gilt. Längst nicht jeder ist davon überzeugt, dass uns dies tatsächlich gelingen wird. Dementsprechend sind Alternativen gefragt, um das Überleben der Menschheit zu sichern – und zumindest im neuen Film von Alexander Payne („Nebraska“, „The Descendants“, „Sideways“) kommen ein paar norwegische Forscher dabei auf einen äußerst kreativen Lösungsansatz: wie wäre es, die Menschen einfach auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Größe zu schrumpfen? Kleinere Menschen, das bedeutet schließlich weniger Energie- und Ressourcenverbrauch, weniger Müll und weniger Platzbedarf. Die Umwelt wird also geschont und noch dazu lebt es sich als verkleinerter Mensch unglaublich billig und folglich vergleichsweise luxuriös – jedenfalls dann, wenn man über ein wenig Erspartes verfügt, dessen Wert sich vervielfacht, sobald man erst einmal ein Leben in geschrumpfter Form führt.
Vor allem letzteres Argument ist es, das schließlich auch das Mittelstands-Ehepaar Paul und Audrey Safranek (Matt Damon und Kristen Wiig) davon überzeugt, sich ebenfalls der Prozedur des „Downsizing“ zu unterziehen. Zahlreiche Menschen auf der ganzen Welt haben sich in den 15 Jahren seit dessen Erfindung bereits schrumpfen lassen. Die meisten von ihnen leben in abgeschlossenen Miniatur-Gemeinden wie dem paradiesisch erscheinenden „Leisureland“, in dem auch Paul und Audrey eine Villa beziehen wollen. Doch nach der Verkleinerung laufen die Dinge nicht so, wie die beiden sich das vorher vorgestellt hatten. Während Pauls neuer Nachbar Dusan (Christoph Waltz) sorglos in den Tag hineinlebt und mit rauschenden Partys in seiner Wohnung die Nächte durchfeiert, kann Paul nicht die Augen davor verschließen, dass auch in „Leisureland“ dieselben Probleme existieren, die er aus der „großen“ Welt schon kannte. Nachdem er die Vietnamesin Ngoc Lan Tran (Hong Chau) kennen gelernt hat, die quasi auf der Schattenseite von Leisureland unter Slum-artigen Bedingungen als Teil der niederen Arbeiterschaft lebt, die auch für diese Welt nötig ist, wird Paul allmählich klar, dass er auch als miniaturisierter Mensch nicht einfach ein Leben in Saus und Braus führen und die Augen vor den Problemen der Welt verschließen kann.
Ein wichtiges Detail der Handlung haben wir an dieser Stelle zwar verschwiegen; in mindestens einem der Trailer zum Film wird diese Wendung allerdings schon verraten. Doch auch wenn man darüber schon vorher Bescheid weiß, verläuft der Film nach der Ankunft in Leisureland wahrscheinlich anders, als man sich das vorher vorgestellt hat. Man hätte es sich ja denken können, dass Alexander Payne – ein Meister feiner, menschlicher Zwischentöne und detaillierter Charakterstudien – eher weniger an Gimmicks und Effekten à la „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ interessiert ist. Dementsprechend wird man hier keinen Matt Damon erleben, der gegen „riesige“ Insekten kämpfen oder sich auf ähnliche Weise durch eine überdimensioniert große Welt schlagen muss. Stattdessen existieren in Paynes „Downsizing“ eben auch im Kleinen dieselben Probleme wie im Großen, weil man sich nicht einfach von der Weltgesellschaft abkoppeln kann nur indem man sich schrumpfen lässt. Fehlende Krankenversichrungen, stumpfsinnige Jobs im Callcenter oder in der Putzkolonne oder zu teure Medikamente sind einige der Themen, die das Drehbuch in diesem Zusammenhang anspricht, die eben auch in Leisureland noch relevant sind.
Pauls Nachbar Dusan verschließt vor all dem die Augen, indem er immer wieder zahlreiche „enge Freunde“ in seine Wohnung einlädt, wo dann der Alkohol in Strömen fließt. Christoph Waltz liefert dabei einmal mehr eine überzeugende Schauspielleistung als etwas überdrehter Exzentriker ab, die sich allerdings nicht allzu sehr von einigen anderen Rollen unterscheidet, die er im Lauf seiner Hollywoodkarriere in den letzten Jahren gespielt hat. Zumindest macht er das aber sehr unterhaltsam und bekommt damit einige der besten Szenen des Films ab. Auch Matt Damon überzeugt erwartungsgemäß als amerikanischer Durchschnittsbürger, der hier als Projektionsfläche für den Zuschauer fungiert. So wie Pauls Horizont sich im Lauf der Geschichte allmählich erweitert, so soll wohl auch der Zuschauer zum Nachdenken über den Zustand der Welt angeregt werden.
Bei einer Laufzeit von über zwei Stunden weist der Film allerdings einige Längen auf, so dass man sich hier beim Anschauen nicht durchgehend unterhalten fühlt und sich mal Ermüdungserscheinungen einstellen können. Das hängt auch damit zusammen, dass lange rätselhaft bleibt, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt. Was mit deutlich satirisch-komödiantischen Tönen beginnt, wird mit zunehmender Laufzeit immer ernster und dramatischer, bis eben schließlich im letzten Drittel des Films klar wird, dass es Payne hier darum ging, die ganz großen Fragen nach dem Leben und dem Fortbestand der Menschheit zu behandeln. Dabei zeigen sich zwar zahlreiche Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen und welt- bzw. US-politischen Themen, dramaturgisch kommt das Ganze allerdings etwas holprig daher und es fällt dem Film zunehmend schwerer, das Interesse der Zuschauer aufrecht zu erhalten.
Für ihr Schauspiel noch mehr Lob als Damon oder Waltz gebührt der bislang weitgehend unbekannten Thailänderin Hong Chau. Ihr gelingt es, dem Zuschauer über ihre Figur ohne Kitsch oder Gefühlsduselei nahe zu bringen, worin viele der Probleme des nur auf den ersten Blick perfekten Miniatur-Amerikas (und damit auch Amerikas an sich) bestehen. Schauspielerisch gibt es hier also absolut nichts zu beanstanden, am Drehbuch hätte Payne mit seinem Stamm-Ko-Autor Jim Taylor aber noch etwas feilen und so dem Film einige Längen nehmen können.
„Downsizing“ lässt seine Zuschauer vielleicht etwas ratlos zurück und entfaltet nicht die emotionale Wucht wie einige von Paynes früheren Werken. Der Film lädt aber dazu ein, Fragen zu stellen. Sollten wir beispielsweise nicht lieber andere Dinge „downsizen“ als uns Menschen – die außer Kontrolle geratene Wirtschaft, die Macht der Konzerne oder den Raubbau an der Umwelt zum Beispiel? Oder auch erst einmal unseren eigenen Konsum? Mit seinem kreativen Ansatz, solche Themen ins Bewusstsein des Publikums zu rücken, hat sich der Film auf jeden Fall ein paar Punkte für Originalität verdient.
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