Viel ist in den letzten beiden Jahren über das nur sehr mühevoll in die Gänge kommende DC-Filmuniversum geschrieben worden. Ordentlich Umsatz machten die aktuellen Umsetzungen von Batman & Superman oder der Suicide Squad zwar durchaus, doch eine echte Herzensbildung für die überwiegend grimmig-düstere Inkarnation dieser Superhelden-Welt hat bei den meisten Zuschauern noch nicht statt gefunden. Fast paradox dabei, dass ausgerechnet DC nun mit dem Image „ernst & dunkel“ versehen wird, waren doch die Comic-Vorlagen des Verlages lange Zeit wesentlich simpler und heiterer angelegt als die des mit realistischeren Figuren operierenden Konkurrenten Marvel. Ein weiteres Paradoxon tut sich nun mit dem ersten Kino-Abenteuer von „Wonder Woman“ auf, galt doch bisher die ungeschriebene Regel, dass weibliche Superhelden eher als Neben- nicht aber als Hauptfigur funktionieren, und Genre-Beiträge wie „Catwoman“ oder „Elektra“ machten es einem auch recht einfach, diesem Grundsatz Glauben zu schenken. Es ist nun aber ausgerechnet die bereits 1941 von dem Psychologen William Moulton Marston erdachte Amazonenprinzessin, die unter der Hand der Regisseurin Patty Jenkins („Monster“) für den ersten wirklich gelungenen Film des DC-Universe sorgt. Starke Figuren, intelligent behandelte moralische Fragen, sowie ein ausgewogenes Verhältnis von dramatischen und humorigen Momenten ergeben eine fast rundum überzeugende Mischung.
Abgeschirmt von der Menschheit leben auf der Insel Themyscira die einst von Göttervater Zeus für den Kampf gegen den Kriegsgott Ares rekrutierten Amazonen, die sich seit langer Zeit mit ausführlichem Kampftraining für dessen mögliche Rückkehr wappnen. Besonderen Schutz lässt Königin Hippolyta (Connie Nielsen) dabei ihrer Tochter Diana (Gal Gadot) zukommen, deren Herkunft ein großes Geheimnis ist. Als jedoch zur Zeit des ersten Weltkriegs eines Tages der englische Pilot Steve Trevor auf der Insel notlandet und von den Schrecken des Krieges berichtet, fühlt Diana sich berufen einzugreifen. Gegen den Willen ihrer Mutter macht sie sich auf den Weg in die Welt der Menschen und muss im London jener Zeit bald erfahren, dass Frauen dort kein großes Gehör geschenkt wird. Als die Bedrohung durch ein tödliches Giftgas und den deutschen Militär Ludendorff (Danny Huston) sowie dessen „Dr. Poison“ genannte Helferin (Elena Anaya) immer akuter wird, entschließen sich Steve und Diana auf eigene Faust zu handeln.
Das durch ein entsprechendes Foto in „Batman V Superman“ bereits angedeutete Eingreifen von Diana „Wonder Woman“ Prince in die Geschehnisse des ersten Weltkriegs ist nun das zentrale Thema ihres eigenen Films, und dieser Schritt weg vom mit bunten Superhelden überfrachteten Schauplatz der Gegenwart tut dieser "Origin Story" ausgesprochen gut, auch weil der Erste Weltkrieg als Schauplatz im Kino ja weit weniger inflationär abgehandelt wurde als der Zweite. Der Beginn auf den Paradiesinseln ist allerdings ausgesprochen friedlich und, zugegeben, ein wenig sehr märchenhaft. So glaubt Diana dann auch erstmal brav, dass ihre Mutter sie aus Lehm geformt hat, eine aus den Comics vorgegebene Legende, die man aber dann im Laufe der Adaption doch in eine etwas realistischere Richtung korrigiert, soweit man Amazonen mit übermenschlichen Kräften und griechische Götter denn überhaupt mit diesem Adjektiv in Verbindung bringen mag.
Das, was Königin Hippolyta da allerdings vermeintlich aus einem Lehmklumpen gebastelt hat, ist nicht nur sehr ansehnlich geworden, man darf Gal Gadot auch für ihre schauspielerische Leistung ein Kompliment machen. Wer die Israelin nach ihren Auftritten als Motorradbraut in der „Fast & Furious“-Reihe einst nicht viel zugetraut hat, der muss nun wohl Abbitte leisten, denn sie ist tatsächlich absolut in der Lage eine so große Produktion zu tragen, überzeugt sowohl in den Kampfszenen, als auch mit einer pointierten Darstellung in den „zwischenmenschlichen“ Momenten.
Genau die bilden nämlich ein Highlight des Films, das „Fish out of Water“-Prinzip, bei dem Diana als von menschlichen Gesellschaftsformen unbeflecktes Wesen nicht nur staunend, sondern immer wieder auch sehr selbstbewusst protestierend auf die gängelnden Konventionen des frühen 20. Jahrhunderts reagiert, ergeben einige köstliche Dialoge. Aber nicht nur ihr Selbstverständnis als aktive, sich Gehör verschaffende Frau ist in diesem Umfeld ein Affront, auch ihre – nur auf den ersten Blick naiv wirkenden – Anklagen gegen die Dummheit der sich in sinnlose kriegerische Auseinandersetzungen stürzenden Menschen und die dafür verantwortlichen Politiker geben der Geschichte eine weitere, eine moralische Ebene, die "Wonder Woman" ein Stück von anderen Superhelden-Filmen abhebt. Ein weiteres Lob geht auch an Chris Pine, der selbstironisch wie selten auftritt und daher in den verbalen Auseinandersetzungen mit seiner (ihm in vielerlei Hinsicht überlegenen) Partnerin trotzdem eine gute Figur macht. Neben diesen beiden zentralen Figuren weiß ansonsten allerdings keine andere größeren Eindruck zu hinterlassen, was leider auch wieder einmal auf die Wahl des Oberschurken zutrifft, der sowohl hinsichtlich der optischen Erscheinung, als auch was die Motivation für seine Handlungen angeht nicht zu überzeugen weiß.
So ist dann auch der ausgedehnte Endkampf zwischen Wonder Woman und „Ares“ letztlich das uninteressanteste am ganzen Film. Dort verfällt man dann doch wieder diesem anscheinend als Genre-immanent angesehenen Muster, eine übertrieben lange CGI-Schlacht abliefern zu müssen, bei der sich die Protagonisten minutenlang virtuelle Gegenstände an den Kopf werfen. Aber sei's drum, das mittelmäßige Finale kann dem bis dahin äußerst positiven Gesamteindruck nicht mehr groß trüben, zumal es auch noch einen starken und konsequenten emotionalen Moment bereit hält. Was bis dahin zu sehen war ist aber einfach klasse, auch was die Ausstattung und die Choreographie der nicht ganz so übertriebenen Action-Szenen angeht. Diese „Wonder Woman“ macht aber auch deshalb so viel Spaß, weil Sie sich halt sehr weit von den bisherigen DC Universe-Ansätzen entfernt. Sowohl was den Schauplatz, die Zeit und das Umfeld angeht, aber auch ganz klar den Ton betreffend.
Zum ersten Mal innerhalb dieser bisher so verkrampft wirkenden Saga stimmt die Mischung aus einer mitunter durchaus passenden Leichtigkeit und dem Wechsel zu den ernsteren und dunklen Momenten. Hier sind die Haupt-Charaktere im Gegensatz zu „Batman V Superman“ oder „Suicide Squad“ nicht nur am Reißbrett entworfene Abziehfiguren, deren Vielschichtigkeit und Zerrissenhet nur behauptet wird. Das ist natürlich einerseits erfreulich, bedeutet aber im Grunde rein gar nichts für eine bessere Zukunft der Franchise. Denn wenn ein Beitrag vor allem deshalb funktioniert, weil er sich so klar von den anderen abgrenzt, dann bleibt die grundsätzliche Problematik ja erhalten. Und mit der „Justice League“ steht nun auch genau die Produktion ins Haus, bei der es dann wieder gilt in der Film-Gegenwart jede Menge Figuren zusammenzuwerfen, Neue einzuführen und alle zu ihrem Recht kommen zu lassen. Dort wird auch „Wonder Woman“ dann wieder nur eine von vielen sein, ihre Sternstunde hat sie aber bereits jetzt und hier.
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