Hallo, Kinder. Das da oben rechts ist das amerikanische Filmplakat zu "Black Snake Moan", auf dem der coole Samuel L. Jackson, der hier Lazarus heißt, mit Christina Ricci, die sich hier Rae nennt, posiert, letztere dabei halbnackt und in Ketten gelegt. Klingt komisch? Ist aber so. Bei diesem provokanten Plakat im B-Film-Stil sollt ihr natürlich glauben, bei diesem Film handle es sich um ein derbes Sexploitation-Filmchen, in dem Sam Jackson der armen Christina Ricci sonst was antut. Dabei ist der Film ein erstaunlich sensibles Drama über die Überwindung von Schwächen und den heilenden Charakter der Musik. Klingt komisch? Ist aber so.
Und jetzt Schluss mit lustig, genug der Löwenzahn-Ismen, bevor der Gag so alt wird wie Peter Lustigs Jeansoverallhose, oder gar Peter Lustig selbst. Tatsache ist aber, dass "Black Snake Moan" zumindest marketingtechnisch mit falschen Karten spielt, denn besonders das Plakat und zumindest teilweise auch der Trailer versuchten den Film als verruchter zu verkaufen, als er eigentlich ist. Denn auch wenn es hier sowohl nackte Haut als auch ein bisschen Gewalt gibt, so hat "Black Skake Moan" mit irgendwelchen "Grindhouse"-Spielereien soviel gemeinsam wie Peter Lustig mit Samuel L. Jackson.
Dass man den Film so verkauft, hat natürlich auch seinen Grund, denn Craig Brewer hat mit dem Nachfolger zu seinem hochgelobten Debüt "Hustle & Flow" einen paradoxen und ziemlich eigenwilligen Film vorgelegt, der zwar zutiefst konservative Werte vertritt, die aber schön offensiv in Sex, Drugs und Rock'n'Roll verpackt. Wobei man letzteres abwandeln muss in Blues, was aber nur positive Folgen hat.
Denn zwei Dinge, so muss man nach Ansicht von "Black Snake Moan" konstatieren, hat Brewer wirklich verstanden: Den amerikanischen Süden und seine Musik. Beides hat der Regisseur ja auch schon in "Hustle & Flow" gezeigt, hier widmet er sich explizit der Musik des schwarzen Südens und gerade in den Sequenzen, in denen Samuel L. Jacksons Figur singt und spielt, gelingt es ihm wunderbar, Intensität und sexuelle Aufladung der Musik einzufangen. Wie überhaupt sein Porträt der Heimat wesentlich überzeugender daherkommt, als das, was sich in Hollywood lebende Autoren und Regisseure da immer zu einfallen lassen. Von den üblichen Redneck-Klischees ist man soweit weg wie es geht, ohne dabei deren realistische Kerne, die es ja nun mal gibt, aus den Augen zu lassen. Man spürt in Brewers Film, anders als in denen von Außenstehenden, keine Herablassung für seine doch teilweise ziemlich fertigen Figuren, sondern vielmehr eine Liebe für die Gegend und ihre eigenwilligen Einwohner.
Auch sonst ist "Black Snake Moan" voll von Überraschungen der positiven Art. Als erstes natürlich die schon angesprochene Handlung, die doch den ein oder anderen Haken schlägt. Zumindest glaubt Brewer nicht daran, seinen Figuren arg zu saubere Lösungen mit auf deren Weg zu geben. Allein dafür mag man diesen Film schon, der nicht auf Nummer Sicher geht.
Und so wird man doch eingenommen von der Geschichte der Nymphomanin Rae (Ricci), die nach dem Abschied ihres Freundes (Justin Timberlake) in Richtung Irak gleich auf eine wilde Sex- und Drogenparty geht, nur um prompt zusammengeschlagen halbtot auf einer Landstraße liegengelassen zu werden, wo sie der bibelfeste Farmer Lazarus (Jackson) findet und sie bei sich gesund pflegt. Als er von ihrer unzüchtigen Lebensart hört, erkennt Lazarus die ihm von Gott auferlegte Aufgabe: Er muss das Mädchen von ihrer Boshaftigkeit kurieren. Also legt er sie im wahrsten Sinne des Wortes an die Kette. Und ab hier sollte dann jeder selbst schauen, ob und wie es Lazarus gelingt, Rae zu helfen, was Lazarus' als Priester arbeitender Ziehbruder dazu sagt und wieso der Film eigentlich "Black Snake Moan" heißt.
Festzuhalten bleibt nur: Es möge sich keiner von der Sexploitation-Werbekampagne vom Besuch abhalten lassen, denn "Black Snake Moan" verdient einen Kinobesuch abseits der Trenchcoatmafia, die sich eher für Riccis weißes Unterhöschen interessiert als die mal dramatisch, mal einfühlsam dargestellte Story um Heilung, Vergebung und Erlösung.
Zu den vorhin schon angesprochenen positiven Überraschungen gehören auch die darstellerischen Leistungen. Während Samuel L. Jackson ja desöfteren eher lustlos seinen Gehaltsscheck abarbeitet, ist er hier mit Feuer bei der Sache, auch und besonders in den Blues-Szenen, in denen er selbst singt, und das überzeugend. Christina Ricci bestätigt nicht nur nochmals ihren Mut in der Rollenwahl, sie gibt auch der an sich eher zweidimensionalen Figur wirkliche Emotionen und Glaubwürdigkeit. Dies gilt im Grunde für alle Figuren hier: Sie sind nicht mehr als Skizzen, werden aber von den Schauspielern mit Ernst und Eifer in seltsam überzeugende und bei allen Fehlern sympathische Charaktere verwandelt. Hier kann sich Tarantinos "Deathproof"-Ensemble geschlossen angucken, wie das gemacht wird, auch und gerade bei einer B-Film-Geschichte.
Als dritter Hauptdarsteller muss hier auch noch mal Justin Timberlake hervorgehoben werden, der nach einigen Videopremieren hier seine Kinopremiere in Deutschland feiert und einen guten Eindruck hinterlässt. Timberlake ist ja so was wie der Leonardo DiCaprio des Pop: Egal wie viel er leistet, er ist einfach zu gut aussehend und lässig dabei, als das wir Männer das komplett neidlos anerkennen können. Aber hier muss man sagen: Timberlake ist einer der wenigen Musiker, bei denen man sich vorstellen kann, dass sie sich bei entsprechender Rollenwahl irgendwann eine respektable Zweitkarriere im Film aufbauen.
"Black Snake Moan" hat viele Dinge auf der Habenseite, er hat vor allem aber Eier in der Hose. Gerade im von mäßigen Blockbuster-Sequels überfluteten Filmfrühsommer fällt das natürlich besonders auf. Neben all den dritten Teilen und der lieblosen Einheitsware kann dieser kleine Film mit einer Frische begeistern, die vielen anderen Filmen zurzeit abgeht. Deswegen: Film gucken, sich danach zu Hause einen schönen Jack Daniels eingießen und ein paar Blues-CDs (oder noch besser: Vinyl!) auflegen. "Harry Potter" kommt noch früh genug.
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