Es ist für die brillante Sprachwissenschaftlerin Dr. Louise Banks (Amy Adams) genau wie für den Rest der Menschheit ein ganz normaler Tag, bis auf einmal alles anders ist: Zwölf identische außerirdische Raumschiffe tauchen an zwölf verschiedenen Stellen kreuz und quer über die Erde verteilt auf, was die Menschheit erstmal in einen kollektiven Schockzustand versetzt. Die allgemeine Unsicherheit und latente Panik nährt sich auch dadurch, dass niemand weiß, was die Außerirdischen hier eigentlich wollen, denn die Raumschiffe bewegen sich nicht und es kommt auch nichts aus ihnen heraus. Man kann allerdings einmal am Tag für ein paar Stunden in sie hinein, wie Louise lernt, als das Militär in Form von Colonel Weber (Forest Whitaker) bei ihr auftaucht und sie in ihrer Funktion als begabteste Linguistin des Landes mitnimmt in die Sperrzone, die um das in den USA gelandete Raumschiff gezogen wurde. Zusammen mit dem Mathematiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) soll Louise einen Weg finden, mit den Außerirdischen zu kommunizieren. Denn natürlich will die ganze Welt und vor allem der hypernervöse Teil der Regierung (vor Ort repräsentiert durch Michael Stuhlbarg als CIA-Agent Halpern) unbedingt wissen, ob die Aliens friedliche Absichten haben oder nicht. Doch allein die Beantwortung dieser scheinbar simplen Frage ist viel, viel komplexer als man zunächst glauben mag.
Sie ist so komplex, weil "Arrival" eine echte Seltenheit ist: Ein Science-Fiction-Film, der sein Thema so ernsthaft und glaubwürdig wie nur möglich angeht, der im Erstkontakt mit einer außerirdischen Spezies also eben nicht plump ein Katastrophen-Szenario sieht, bei der es mit knalliger Action und viel Bummbumm darum geht, eine feindliche Invasion abzuwehren. Sondern der sich bewusst ist, dass bei solch einem Erstkontakt die ganz grundsätzliche Kommunikation miteinander das erste und größte Hindernis sein wird. Was ja auch vollkommen logisch ist, wenn man nur mal einen Moment darüber nachdenkt, dass eine außerirdische Spezies sich evolutionär vollkommen anders entwickelt hat als der Mensch, und man prinzipiell erstmal davon ausgehen muss, dass ihre Physis, ihre sinnliche Wahrnehmung, ihre Ausdrucksweise und ihre Kommunikationswege mit den unseren überhaupt nichts gemeinsam haben. In so einem Falle muss man in Sachen Kommunikation absolut bei Null anfangen, was sehr schön verdeutlicht wird in einer Szene, in der Louise Colonel Weber klar macht, wieviel grundlegendes Verständnis einer Sprache erst einmal vorhanden sein muss, um die vermeintlich so simple Frage "Was ist eure Absicht auf Erden?" überhaupt stellen zu können.
Jeder, der beim grundsätzlichen Filmthema "Die Außerirdischen kommen!" also viel Action und auslandende Spezialeffekte erwartet, sei hiermit gewarnt: "Arrival" ist so ziemlich das genaue Gegenteil von "Independence Day", viel mehr weist er Parallelen zu Steven Spielbergs großem Klassiker der Erstkontakt-Szenarien auf, "Unheimliche Begegnung der dritten Art". Wer diesen Film einmal gesehen hat und in seinen Bann gezogen wurde, der wird sicher auch "Arrival" mehr als zu schätzen wissen. Dies ist kluge, intelligente Science-Fiction, welche die "Was wäre wenn"-Frage so ernst nimmt, wie man sie nur nehmen kann, und gleichzeitig aus den entstehenden Überlegungen eine packende, unglaublich faszinierende Geschichte zu zimmern weiß. Und diese Geschichte weist dabei eben auch die klassischen Stärken wirklich großer Science-Fiction auf: Egal wie fantastisch und zukunftsorientiert das Szenario auch sein mag, im Kern geht es immer um ganz allgemeine, zeitlose Fragen des Menschseins.
Und so ist auch "Arrival" zwar oberflächlich ein Film über die Schwierigkeiten, mit Außerirdischen in Kontakt zu treten, eigentlich aber eine allgemeingültige Abhandlung über die Schwierigkeiten der Kommunikation zwischen Gesellschaften mit verschiedenen Kulturen und Sprachen, und somit über ein sehr konkretes Problem unserer Welt. Weil die außerirdischen Raumschiffe an zwölf verschiedenen Stellen auf dem Globus verteilt sind, werkeln auch zwölf verschiedene Nationen auf ihre jeweils eigene Art an der Kontaktaufnahme herum, und die Koordination der verschiedenen Ansätze und Ergebnisse ist der eigentliche Albtraum in diesem Szenario. Wie in einer Kleinausgabe der Vereinten Nationen muss hier alles kreuz und quer für die Vertreter der anderen Nationen übersetzt werden, permanent droht die Gefahr, dass irgendeine Regierung aufgrund ihrer eigenen geopolitischen Interessen und Motive die Kooperation beendet und eine unumkehrbare Eskalation der Situation hinaufbeschwört.
Wie schnell es zu möglicherweise verheerenden Missverständnissen kommen kann, wenn man eine fremde Sprache nur so ungefähr und nicht exakt übersetzt, illustriert Louise bereits zu Anfang des Films, als sie sich vor Colonel Weber als die richtige Person für diese sehr sensible Aufgabe empfiehlt, indem sie das Sanskrit-Wort für "Krieg" korrekt übersetzt: Wo ein renommierter Kollege schlicht sagt, das Wort bedeute "Streit", kennt Louise die ganz genaue Bedeutung: "Ein Verlangen nach mehr Kühen". Was ein sehr, sehr wichtiger Unterschied ist wenn man bedenkt, dass ein Verlangen nach mehr Kühen im Zweifelsfall auch gestillt werden kann, ohne dass es zu Mord, Totschlag und Verwüstung kommt. Und solch eine Unterscheidung sollte man in der Kommunikation mit einer außerirdischen Spezies schon machen können, wenn es um die Frage "Was ist eure Absicht auf Erden?" geht.
"Arrival" beeindruckt erzählerisch jedoch nicht nur mit seiner klugen Prämisse und ihrer punktgenauen Ausleuchtung, er lässt sein Publikum gegen Ende mehr denn je mit offenen Mündern dasitzen, wenn er zur Auflösung seiner Geschichte mit der großartigsten Schlusswendung daherkommt, die man seit Jahren im Kino gesehen hat. Ein Twist dieser Sorte, nach der sich der gesamte Film vor dem inneren Auge der Zuschauer noch einmal aufs Neue entfaltet, und man sofort das Bedürfnis hat, ihn noch einmal zu sehen. Zum einen um zu sehen, wo überall die Hinweise auf diese Auflösung lagen, die man zuvor nicht bemerkt hat, und zum anderen um die herausragende Vorstellung von Hauptdarstellerin Amy Adams noch einmal aufs Neue zu würdigen, die sich im Lichte dieser Auflösung als noch viel vielschichtiger und emotional nuancierter erweist als sie bei der ersten Betrachtung ohnehin schon war.
In der Tat ist Adams geradezu unersetzlich für das Gelingen dieses Films durch die Art und Weise, wie sie die Überwältigung ihrer Figur bei der Kontaktaufnahme mit den Außerirdischen darstellt, und so als einnehmende Identifikationsfigur die emotionale Brücke zwischen den teils verkopften Ideen des Plots und den Zuschauern vor der Leinwand schlägt (in dieser Hinsicht ist "Arrival" auch so viel besser gelungen als Christopher Nolans "Interstellar", der an der Verbindung von hochambitionierter Thematik und emotionaler Verankerung kläglich scheiterte). Es ist eine derart hochkomplexe Vorstellung, die Adams hier mit meisterhafter Bravour absolviert, dass eine Oscar-Nominierung für diese Leistung mehr als verdient wäre.
Preiswürdig ist auch die Arbeit von Regisseur Denis Villeneuve. Der verdient zwar nicht die Lorbeeren für die brillante Prämisse von "Arrival" oder seine geniale Auflösung, dieses Lob gebührt dem Science-Fiction-Autor Ted Chiang, auf dessen Kurzgeschichte "Story of your life" der Film basiert. Villeneuve jedoch ist es, der daraus ein filmisches Erlebnis formt, wie man es nur sehr selten geboten bekommt. Mit einer kalten, grauen Farbpalette gibt er seinem Film von den ersten Sekunden an eine ganz eigene, bewusst verlangsamte und nachdenkliche Stimmung, die sofort klar macht, dass man sich hier atmosphärisch ganz woanders befindet als sonst üblich bei einem Science-Fiction-Film. Villeneuve versteht es brillant, trotz des zurückhaltenden Tempos seines Films sein Publikum konsequent gebannt zu halten, indem er es immer wieder dasselbe überwältigende Staunen spüren lässt wie Louise und aus Bildgestaltung, Musik und Sound-Design ein atmosphärisches Gesamtkunstwerk schafft, das durchdringende Wirkung zeigt. Villeneuve hat sich in den letzten Jahren mit einer Reihe herausragender Filme ("Incendies", "Prisoners", "Sicario") bereits einen sehr guten Namen gemacht, "Arrival" ist definitiv der vorläufige Höhepunkt seiner beeindruckenden Filmografie.
Es gibt Kleinigkeiten, die man an "Arrival" kritisieren kann und die einem makellosen Gesamteindruck dann doch im Wege stehen. Dass zum Beispiel hier wieder einmal übernervöse, paranoide und schießwütige Militärs als Gegenspieler herhalten müssen, die den Protagonisten das Leben schwer machen, ist gerade für solch einen ansonsten hochintelligenten Film ein bisschen arg konventionell und schlicht. Doch ingesamt kann das dieses phänomenale Filmerlebnis kaum schmälern, dafür ist "Arrival" einfach zu außergewöhnlich und in jeder Hinsicht einfach zu gut gemacht. Der stärkste und faszinierendste Science-Fiction-Film seit einer halben Ewigkeit, und vielleicht sogar der beste Film dieses Jahres.
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